Der Bodyguard des Papstes: Ein Morgen mit Daniel Anrig
Daniel Anrig
Das erste Lächeln des Tages spart sich Daniel Anrig für nach der Frühmesse auf. Wir treffen ihn vor der Gardekirche San Martino e Sebastiano. Es ist Punkt 6 Uhr früh. Nach kurzem Gruss marschiert Anrig schnurstracks in die vorderste Bank der Kirche.
Sie ist klein. Vielleicht 5 Bankreihen. Darin finden zwei, drei Mal pro Woche Frühmessen statt. Sie dauert dieses Mal 40 Minuten. Im Schnellschritt marschiert Anrig aus der Kirche. Der Mann ist auf Zack. Das ist insofern bemerkenswert, als dass er einer der wenigen Cheffen ist, die bei der SRF 3 Chefsache nicht Morgenjogging als bevorzugte Hallo-Wach-Methode abfeiern.
Spazierfahrt durch 20'000 Gläubige
Ganz ohne Bemerkung zum Joggen geht’s dann zwar doch nicht. «Im April jogge ich gerne am Nachmittag. Dann sind die Bedingungen perfekt». Bis am Nachmittag wird er auch schon ein währschaftes Stück seiner To-Do-Liste abgehakt haben.
Ein selber gekochter Kaffee aus seiner Mokka-Kanne, eine Stippvisite beim Antrittsverlesen der Gardisten, und - nicht zu vergessen – ein Einsatz als Leibwächter für den Papst. Personenschutz heisst das heutzutage akkurat. An der Seite von Papst Franziskus macht er sich auf den Giro. So nennen sie im Vatikan die päpstliche Spazierfahrt im Papamobil durch die 20'000 Gläubigen, die den Petersplatz während dieser Generalaudienz bevölkern.
Jesus will Papst sprechen
Würde er wirklich für den Papst sein Leben hergeben? «Eine Grundvoraussetzung für den Job», sagt Anrig bündig. Wegen Männern wie ihm gibt es die Schweizergarde.
Weil Anno Domini 1506 klar war: Die Schweizer sind Papst-treu. Und sie sind auch noch unverwüstliche Haudrauf-Söldner, wenn es denn drauf ankommt.
Der Haudrauf-Aspekt hat sich gewandelt. Über 99 Prozent der Zwischenfälle sind heute verbal zu lösen. Wenn Menschen sofort einen Termin beim Papst verlangen. Weil sie Jesus persönlich sind. Dann kleiden Gardisten ein Nein in freundliche, aber bestimmte Worte.
Gardeköche gefeuert
Anrig gerät ins Schwärmen über den Gardisten-Beruf. Man nimmt es ihm ab. Nur selten denkt man daran, dass die Gardisten zwischenzeitlich Mühe bekundeten, ihren Sollbestand zu halten. Obwohl die Fremde lockt. Der Vatikan. Bella Roma. Und wie war das mit den Gardisten-Groupies? Ja, die gibt`s tatsächlich.
Nur seien die halt nicht interessant, weil allein von der Uniform angezogen, diktiert uns Gardist Roland Kristan in den Block. Der Dienst ist streng. Für 25 Monate verpflichtet sich ein junger Gardist. Dafür gibt`s 1500 Euro monatlich. 100 Euro bezahlt er davon für Kost und Logis.
Für die Gardisten gibt es Penne alla arrabbiata, Spätzli und Rösti. Natürlich nicht alles zusammen. Aber alles lecker.
Nicht so wie in den 1960er Jahren, als die Gardeköche, die Barmherzigen Brüder aus Oberwil im Kanton Zug, gefeuert wurden, weil ihr Essen ungeniessbar war.
Leibwächter am Familientisch
An den Esstisch sitzt Kommandant Anrig übrigens nicht mit seinen Gardisten, sondern bei seiner Frau und seinen vier Kindern in seiner Kommandantenwohnung im Vatikan.
So schafft er eine für das Berufsleben nötige Distanz zur Truppe und geniesst das Familienleben. Zu erzählen gibt es viel am Familientisch. Nicht jeder Ehemann und Vater hatte gerade einen Bodyguard-Einsatz für den Papst.