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STORY: Warum bist du so still?
Aus Input vom 18.12.2019. Bild: Melanie Luu
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Introvertierte am Arbeitsplatz Stille Schaffer: Lassen wir sie öfter zu Wort kommen!

Grossraumbüros, Präsentationen und gefühlt endlose Teammeetings prägen zunehmend den Alltag Vieler. Wer sich nicht gut verkauft, kann sich kaum durchsetzen. Das macht es stillen Menschen nicht einfach. Obwohl oft sie es sind, die brillante Ideen haben. Warum hören wir ihnen nicht besser zu?

«Alleinsein ist eine Grundzutat von Kreativität», sagt die ehemalige US-Anwältin Susan Cain, die mit ihrem Buch «Still – die Kraft der Introvertierten» einen Bestseller landete und mit TED-Talks im Netz Millionen von Klicks generiert.

Auch die 28-jährige Gina Buhl aus Zürich bricht im Podcast «Input Story» eine Lanze für Introvertierte (siehe Audio oben in diesem Artikel).

Susan Cain plädiert dafür, dass wir den stillen Denkern unter uns mehr Beachtung schenken. Denn oft würden wir eher introvertierte Kolleginnen und Kollegen unterschätzen.

Wir fördern extrovertiertes Verhalten

Unsere Welt wird immer lauter. Besonders die westliche Kultur ist durch extrovertiertes Verhalten geprägt. «Von Extrovertierten für Extrovertierte gemacht», meint Cain. Bereits in der Schule werden stille Kinder oft kritisch beurteilt, der Stempel des Eigenbrötlers ist schnell aufgedrückt.

Mädchen liest ein Buch abseits einer Gruppe von Jugendlichen
Legende: Introvertiert Lieber auch mal allein statt in der Gruppe? Der Eigenbrötler-Stempel ist schnell aufgedrückt. Colourbox

Auch im Büroalltag wird wenig Rücksicht auf die Stillen genommen: Das Grossraumbüro ist heute nicht mehr wegzudenken. Dem ständigen Austausch und den zahlreichen Stimuli, die täglich auf einen einprasseln, kann man sich kaum entziehen. Für eher introvertierte Personen ist die ständige Interaktion noch erschöpfender als für eher extrovertierte.

Willkommen in der Personality-Gesellschaft

Wir neigen dazu, extrovertierte Charaktereigenschaften positiver zu bewerten als introvertierte. Wissenschaftliche Studien legen nahe, dass extrovertierte Personen im Schnitt sogar mehr verdienen.

Extrovertiertes Verhalten wird mehr gefördert und positiver bewertet
Autor: Dr. Fabian Gander Persönlichkeitspsychologe an der Uni Zürich

Die neue «Persönlichkeitskultur» entwickelte sich erst so richtig im 20. Jahrhundert, getrieben vom Wandel des Kleinunternehmertums zu Grosskonzernen. Viele Menschen verlagerten ihr Leben vom Dorf in die Grossstadt. Man musste lernen, aus der anonymen Masse herauszuragen und sich selbst zu verkaufen.

Während früher Tugenden wie Bescheidenheit und Disziplin angestrebt wurden, zählte jetzt der äussere Eindruck, den man hinterliess. Das allseits bekannte Networking wurden immer wichtiger.

«Künstler arbeiten am besten allein»

Doch macht uns ständiger Austausch wirklich kreativer? Nicht, wenn es nach Susan Cain geht: «Einige unserer wichtigsten Innovationen verdanken wir Menschen, die gern allein arbeiten.»

Artists work best alone. Work alone.
Autor: Steve Wozniak Computeringenieur und Miterfinder von Apple

Ähnlich äussert sich der introvertierte Steve Wozniak in seiner Biografie, der zusammen mit Steve Jobs und der gemeinsamen Firma Apple Computergeschichte schrieb.

Steve Wozniak und Steve Jobs
Legende: Steve Wozniak und Steve Jobs: Am 1. April 1976 gründeten Jobs und Wozniak die Apple Computer Company. Keystone

Teamarbeit ist kein Wundermittel

Unternehmen, Schulen, Unis setzen auf Teamarbeit. Wo mehr Menschen denken, entstehen mehr Ideen, so das Credo. Das Problem dabei: Je grösser die Gruppe, desto weniger gut die Ideen.

Grund dafür ist einerseits der Drang in der Gruppe, eine gemeinsame Mitte zu finden. Man passt sich an und am Ende werden vorwiegend durchschnittliche Gedanken geäussert. Zudem tendieren Mitglieder einer Gruppe dazu, die Meinung der dominanten Mehrheit zu übernehmen.

Damit auch jene Ideen gehört werden, die nicht wie aus der Pistole geschossen kommen oder im stillen Kämmerlein entstehen, gilt vor allem eines: Zuhören. Und nachfragen. Jede und jeder von uns, hat eine introvertierte Person im Kollegenkreis. Lassen wir sie öfter zu Wort kommen.

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