Man hätte meinen können, Samsung habe das Akku-Debakel bei den Note-7-Geräten und die damit einhergehende Mediendresche und den Shitstorm überstanden. Doch da sorgte bereits die nächste Ankündigung des koreanischen Konzerns für Ärger: Statt die edlen Rohstoffe auf den Platinen der Tablets wiederzuverwerten, plant Samsung, die Geräte aus der Rückrufaktion zu entsorgen.
Eine Tonne Silber und rund 100 Kilogramm Gold gingen so verloren, hat die Organisation Greenpeace berechnet und eine Aktion gestartet , um Samsung davon abzuhalten, 4.3 Millionen brandneue Note 7-Geräte zu verschrotten.
Recycling wird beim Kauf des Smartphones bezahlt
4.3 Millionen Geräte – auf den ersten Blick mag das beeindrucken. Doch allein schon die kleine Schweiz übertrifft diese Zahl. Etwa 80 Prozent der Einwohner im Alter zwischen 15 und 74 Jahren besitzen ein Smartphone.
Das bedeutet, dass bei uns gegen 5 Millionen Geräte im Gebrauch sind – und sie sind allesamt schon in wenigen Jahren potenzieller Elektroschrott.
Dank der vorgezogenen Recyclinggebühr kann in der Schweiz aber jeder sein altes Smartphone in einem Geschäft oder einer Sammelstelle abgeben. Schliesslich hat er die korrekte Entsorgung des Geräts bereits bei dessen Kauf vorfinanziert. Bei einem Smartphone kostet das 10 Rappen (Tarife des VRG ).
Vorbereitung in der Schweiz
Diese Gebühr werde vor allem fürs Sammeln und den Transport verwendet, meint Edi Birchler von der Immark AG in Regensdorf, einem der grössten Elektroschrott-Recycler in der Schweiz. Bei ihnen bleibe nur wenig hängen. Das bestätigt uns Marcel Gauch von der EMPA, der eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, die den Recycling-Prozess in der Schweiz begleitet.
Pro Jahr landen etwa 65'000 Smartphones bei den Spezialisten in Regensdorf, rund 7 Tonnen. Auch das klingt zuerst einmal nach viel, ist aber tatsächlich ein Klacks im Vergleich zu den 55'000 Tonnen Elektroschrott aus Haushalt und Büro, den die Recyclingfirma jährlich verarbeitet.
«Aus einem Handy kann man Gold, Silber und Palladium zurückgewinnen» erklärt Edi Birchler. Wie viele dieser Rohstoffe in einer Tonne Schrott enthalten sind, will er nicht verraten.
Marcel Gauch beschafft uns Zahlen aus einer deutschen Studie : In einem alten Handy ist Gold im Wert von etwa 2 Franken enthalten. Was erstaunt: Bei den neuen Smartphones ist es weniger, bloss noch etwas mehr als die Hälfte.
Auskochen im Ausland
Auf jeden Fall so viel, dass sich der Aufwand lohnt: Geld verdienen die Recyclingfirmen laut Edi Birchler praktisch ausschliesslich mit den wertvollen Metallen, die in den ausgedienten Geräten stecken.
Um an diese Rohstoffe zu gelangen, muss man aber einen grossen Aufwand treiben – so gross, dass nur einige wenige Firmen weltweit diesen Dienst anbieten, in Belgien oder Schweden etwa.
Bei der Immark AG wird das Handy lediglich einer Recycling-Norm entsprechend vorbereitet. Es wird geöffnet und der Akku entfernt, notfalls mit Gewalt, falls es nicht anders geht. Denn bei immer mehr Smartphones kann man den Akku nicht mehr tauschen, die Gehäuse lassen sich kaum mehr öffnen.
Die so ausgeweideten Geräte gehen dann auf eine weite Reise, etwa nach Belgien zur Firma Umicore. Diese betreiben Öfen, in denen die zerstückelten Geräte bei hohen Temperaturen schmoren und die Metalle so «herausgekocht» werden.
«In einem Handy steckt das halbe Periodensystem» sagt Marcel Gauch. Obwohl unzählige chemische Verbindungen für die Produktion verwendet wurden, lohnt sich der Aufwand, den man für die Rückgewinnung treiben muss, nur für ein paar wenige Stoffe.
Aufwendige Rückgewinnung
Bei den sogenannten seltenen Erden etwa sei das einfach zu teuer, meint Edi Birchler. Diese Stoffe seien nämlich gar nicht so selten, wie der Name vermuten lasse, entsprechend sind die Preise tief. Damit sich eine Rückgewinnung lohne, müssten die Preise auf dem Weltmarkt steigen.
Doch das Gegenteil ist der Fall: Sein Unternehmen kämpfe jetzt schon mit den sinkenden Rohstoffpreisen. Erschwerend für hiesige Firmen kommt noch der hohe Schweizer Franken hinzu.
Könnte man dann wenigstens funktionierende Geräte wie die neuen Samsung Galaxy Notes nicht einfach auseinandernehmen und die neuen Chips wiederverwenden? Bei den aktuellen Produktionsprozessen sei das schlichtweg unmöglich, meint Marcel Gauch. Die hochintegrierten Schaltkreise werden nicht wie früher von Hand auf eine Platine gelötet, sondern von Robotern platziert und dann in einem Ofen unter Hitze fixiert.
Smartphone-Recyclingquote: Extrem tief
Trotz aller Schwierigkeiten ruft Edi Birchler zum Recycling auf, weil es eine gute Sache sei.
Beim Elektroschrott, wie er im Haushalt oder Büro anfällt, beträgt die Rückgewinnungsrate satte 95 Prozent.
Es würde sich also auch lohnen, Smartphones bei den Sammelstellen abzugeben. Heute tun das in der Schweiz nur gerade rund 20 Prozent. Das hat der Swico Recycling in einer aktuellen Studie (PDF, Seiten 12 und 13) herausgefunden.
Der Grund: Smartphones sind im Gegensatz zu einer Waschmaschine oder einem Kühlschrank klein und landen bei etwa der Hälfte aller Benutzer einfach einmal in der Schublade. Als Ersatzgerät – das wohl in den wenigsten Fällen effektiv noch einmal zum Einsatz kommt. Zu unseren Smartphones haben wir eben auch eine emotionale Bindung – einfach so in die Elektroschrottsammlung geben, macht scheinbar vielen Mühe. Sie lassen ihre Geräte lieber in der Schublade vor sich hin schmoren.