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Bild 1 von 15. Akira Yamaguchi:. Seit mehr als drei Jahren sammelt er Daten zur Strahlenbelastung. Er ist wütend auf die Regierung, die ihm diese Information während der Katastrophe vorenthalten hat. «Eigentlich wäre es deren Aufgabe gewesen» sagt der Umweltschützer. «Stattdessen kommt eine Gruppe von Ausländern und macht das in der Freizeit mit eigenem Geld.». Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 2 von 15. Safecast-Geigerzähler bGeigie:. Mit ihm kann eine Gruppe von ein paar hundert Freiwilligen die Strahlung in einem grossen Gebiet messen. Deutlich erkennbar ist der kreisrunde Sensor, der auf ionisierende Strahlung reagiert. In der durchsichtigen «Lunch-Box» befinden sich auch ein Micro-Computer und ein GPS zur Bestimmung der Position. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 3 von 15. In der Nähe der Kleinstadt Aizu:. Das Fahrzeug mit den SAFECAST-Geigerzählern. Links eine solarbetriebene Messtation der Regierung mit Anzeige für die Strahlenbelastung. Die Angaben stimmen überein. Nach der Katastrophe wurden hier erhöhte Strahlenwerte gemessen. Mittlerweile entspricht die Belastung in etwa der natürlichen Strahlung. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 4 von 15. Kommerzieller, hochwertiger Geigerzähler:. Das Gerät kostet ein Mehrfaches des bGeigie und ist somit nicht für alle erschwinglich. Teuer heisst jedoch nicht perfekt: Auch zwischen den Messergebnissen professioneller Geigerzähler sind Abweichungen von 20 bis 30 Prozent normal. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 5 von 15. Sperrgebiet:. Der Geigerzähler zeigt einen Messwert von 2.08 Micro Sievert an. Das bedeutet: Nach zweieinhalb Stunden in diesem Gebiet ist man etwa der gleichen Strahlung ausgesetzt wie bei einem gängigen Röntgenbild beim Zahnarzt. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 6 von 15. Geigerzähler auf dem Armaturenbrett:. Das kleine Messgerät schlägt Alarm, wenn ein voreingestellter Grenzwert überschritten ist. Im Hintergrund ein Lager für radioaktive Abfälle. Beim Vorbeifahren hat der Geigerzähler keinen erhöhten Wert angezeigt. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 7 von 15. Küstenstadt Tomioka:. Die Stadt ist noch nicht vollständig dekontaminiert. Auch die Spuren von Erdbeben und Tsunami sind immer noch sichtbar. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 8 von 15. Küstenstadt Tomioka:. Gedenkstätte mit Gaben für die Opfer der Katastrophe. Rund 20'000 Menschen sind während des Erdbebens und dem Tsunami umgekommen. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 9 von 15. Odaka:. Die Stadt wäre bereit, ihre Bewohnerinnen und Bewohner wieder aufzunehmen. Doch die kehren nicht zurück. Viele Familien haben Angst um ihre Kinder oder haben sich an einem anderen Ort eingelebt. In der Stadt sind erst drei Läden geöffnet, darunter ein Supermarkt und ein Frisör. Das wirkt nicht gerade anziehend. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 10 von 15. Odaka: . Während des Erdbebens ist die Uhr in einem Kindergarten heruntergefallen und stehengeblieben. An vielen Orten sieht man Uhren, die nach der Katastrophe stehengeblieben sind. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 11 von 15. Odaka:. Ein Elektriker überprüft eine Leitung. Das Erdbeben hat grossen Schaden angerichtet. Die Stadt wurde dekontaminiert, die Infrastruktur wieder instand gestellt. Trotzdem wirkt Odaka verlassen – es fehlt an Restaurants und Läden. Ein Huhn-Ei-Problem: Weil niemand hierher zieht, will sich hier niemand niederlassen. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 12 von 15. Odaka:. Die Besitzer dieses Supermarktes sind nach dem Erdbeben nicht mehr zurückgekehrt. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 13 von 15. Odaka:. Immer wieder begegnet man den Säcken für schwach radioaktive Abfälle. Viele Häuser mussten saniert werden. Alles, was man nicht verbrennen kann, wird dabei in solchen Säcken weggeschafft. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 14 von 15. Odaka:. In der Präfektur Fukushima sind seit vier Jahren tausende Arbeiter aus ganz Japan mit Aufräumen beschäftigt. Fragt sich bloss, wohin mit dem radioaktiven Abfall. Hier wurde die High School zum Lager umfunktioniert. Bildquelle: Peter Buchmann.
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Bild 15 von 15. Odaka:. Seit dem 11. März 2011 stehen hunderte Fahrräder am Bahnhof. Rund 12'000 Menschen lebten hier und mussten die Stadt nach der Katastrophe verlassen. Viele meinten, sie könnten nach ein paar Tagen wieder zurückkehren. Bildquelle: Peter Buchmann.
Am 11. März 2011 sass Joi Ito mitten im Bewerbungsgespräch für die Stelle als Direktor des renommierten Media Labs am MIT in Boston, als ihn die Nachricht von der Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima erreichte. Der Start-up-Unternehmer machte sich grosse Sorgen um seine Familie in Japan. Die Informationspolitik der Regierung machte alles noch schlimmer: Sie spielte die dramatische Situation im AKW Fukushima 1 herunter, Angaben zur radioaktiven Belastung gab es kaum.
Der Informatiker Pieter Franken sass zur selben Zeit in Tokyo, wo er seit mehr als 20 Jahren lebt. Auch er hatte Angst um seine Familie. Auch er wollte wissen, welcher Strahlenbelastung er und seine Angehörigen ausgesetzt waren. Doch offizielle Daten gab es nicht und selber messen war nicht möglich: «Innerhalb von 24 Stunden waren sämtliche Geigerzähler ausverkauft», erzählt der Holländer, «die Lieferfristen betrugen mehrere Monate». Joi Ito und Pieter Franken sahen nur noch eine Möglichkeit: Selber einen Geigerzähler bauen.
Der Plan funktioniert
Übers Internet vernetzten sich die beiden mit Gleichgesinnten auf der ganzen Welt: mit technisch Versierten, die wussten, wie ein Geigerzähler funktioniert; mit Elektronik-Bastlern und Programmieren. Schnell entstand eine kleine Gruppe und schon nach wenigen Tagen hatten sie einen funktionierenden Geigerzähler. Aus fahrenden Autos wurden die ersten Messungen durchgeführt und die Angaben zur Strahlung in eine Karte im Internet übertragen – für alle einsehbar. Das Citizen Science Projekt SAFECAST war geboren.
Rund 800 Mitglieder führen heute regelmässig Messungen durch und erweitern die Karte – nicht nur in Japan sondern auf der ganzen Welt, auch in der Schweiz.
Messung alle fünf Sekunden
Wie man so ein SAFECAST-Gerät einsetzt, zeigt Akira Yamaguchi in Aizu, einer Kleinstadt in Fukushima, in der vor vier Jahren ebenfalls erhöhte Strahlungswerte gemessen wurden. Er öffnet den Kofferraum zu seinem Wagen und nimmt die weiterentwickelte Version des SAFECAST-Geigerzählers heraus: eine handliche japanische Lunch-Box, Bento genannt. Das Gerät hat deshalb den Namen «bGeigie Nano» bekommen.
Akira Yamaguchi befestigt den bGeigie aussen am Fenster auf der linken Seite des Fahrzeugs, Richtung Trottoir, wo die Fussgänger sich aufhalten. Dann schaltet er das Gerät ein. Ab nun misst es während der Dauer der Fahrt alle fünf Sekunden die Strahlung und speichert die Werte ab. Am Schluss kopiert Akira Yamaguchi die Messdaten in die Strahlungskarte im Internet.
Ganz präzise ist nicht möglich
Mit einigen hundert Messgeräten, die ständig in Bewegung sind, gelingt es der Gruppe, sich einen Überblick über eine grosse Fläche zu verschaffen. Und weil verschiedene Mitglieder immer wieder auf den gleichen Strassen unterwegs sind, werden Messfehler ausgemerzt.
Mit diesem Vorgehen kann SAFECAST zwar ein grosses Gebiet abdecken, doch die Angaben sind nicht sehr präzise. «Die Strahlung kann stark variieren» sagt der Strahlenschutzexperte Jens-Uwe Schmollack vom TÜV Rheinland. Er weiss, wovon er spricht, denn er hat selber Messungen in japanischen Fabriken und Schulen durchgeführt.
Seine Erfahrung zeigt: Selbst wenn man die Strahlung an Stellen misst, die nur weniger Meter voneinander entfernt liegen, können die Werte stark voneinander abweichen, denn radioaktive Substanzen verteilen sich nicht gleichmässig. Das trifft besonders auf Strassen zu – und dort misst SAFECAST vorwiegend. Auf Strassen läuft das Wasser gut ab, radioaktives Cäsium wird deshalb schneller weggewaschen als an anderen Orten. Ein paar Meter neben der Strasse kann die Strahlung dann stärker ausfallen. Trotzdem findet der Experte, dass die Karten von SAFECAST einen guten Überblick vermitteln und die Qualität der Messegeräte genügt.
Do-it-yourself ist Teil der Philosophie
Wer bei SAFECAST mitmachen will, muss das Gerät selber zusammenbauen, kaufen kann man bloss den Bausatz für 450 Dollar. Das Zusammenbauen lernen Interessierte an Workshops, mittlerweile auch ausserhalb Japans. Erfahrene SAFECAST-Mitglieder zeigen, wie der bGeigie funktioniert und wie man die einzelnen Bauteile auf die Platine lötet. Aufwand: etwa vier Stunden.
Dass das Gerät nicht in einer Fabrik hergestellt wird, hat seine Gründe, erklärt Pieter Franken: «SAFECAST legt Wert darauf, dass die Mitglieder verstehen, wie ein Geigerzähler aufgebaut ist, dass sie ein Gefühl für das Messgerät bekommen. So sind sie auch in der Lage, das Gerät zu warten.» Hinzu kommt, dass die Auslagerung der Produktion in eine Fabrik viel Kapital verschlingt und die Entwicklung verlangsamt. Beides wollen Pieter Franken und seine Mitstreiter vermeiden
Jetzt wir die Luftqualität gemessen
Denn eine Stärke von SAFECAST ist die Geschwindigkeit: Mit dem ersten Geigerzähler nach der Katastrophe von 2011 schaffte die Gruppe in wenigen Tagen, wofür grosse Firmen oder Regierungsorganisationen Monate brauchen. Wie ist die Gruppe organisiert, dass das möglich ist?
«SAFECAST ist eher unorganisiert», meint Pieter Franken lachend. Ihm ist wichtig, dass die Entwickler etwas ausprobieren und dann aus den Fehlern die Konsequenzen ziehen. Er achtet darauf, dass die Mitglieder das Ziel nicht aus den Augen verlieren und sich nicht in endlosen Diskussionen verlieren.
Das Ziel bedeutet: Daten zur Umwelt sammeln und allen zugänglich machen. Angefangen hat die Gruppe nach Fukushima mit Messungen zur Strahlenbelastung. Jetzt kommt ein neues Gerät hinzu, das Daten zur Luftqualität erhebt. Das dürfte weit über Japan hinaus auf grosses Interesse stossen.