Von Fabian Riesens Haus hat der Besucher einen fantastischen Blick auf Schaffhausen. Doch der geht schnell vergessen, wenn man auf dem Simulator in dem gemütlichen Cheminée-Zimmer sitzt: Hier wird der Blick auf drei riesige Monitore gelenkt, denn dort geht die Post ab – und noch mehr auf dem Sessel, der sich auf sechs Stelzen zu den Bewegungen und Stössen im Spiel bewegt.
Ein Simulator: Durch die Umsetzung des Games in Bewegungen macht er Spielen «körperlich», inklusive Schwindelgefühle und Schweissausbrüche. Vier Tage haben die Studenten des Lehrgangs 2014 «MAS Innovation FH» der Swissmem-Kaderschule/Kaleidos Zürich benötigt, um den Prototypen zusammen zu bauen – nach einer Planungs-und Konstruktionsphase von rund einem halben Jahr.
Herkömmliche Technologie? Zu teuer
Die auf dem Markt erhältlichen Simulatoren für Heim-Anwendungen kosten zwar nicht mehr Millionen von Franken, doch sie bewegen sich immer noch in Bereichen eines Oberklasse-Wagens. Hauptgrund sind die Bauteile: Für die Umsetzung der Bewegungen setzen die Simulatoren auf Servo-und Elektrozylinder. Sechs Stück benötigt ein Simulator, wenn er die «sechs Grade der Freiheit» nach dem Hexapod -System simulieren soll – also Rollen, Kippen, Schwenken und alle anderen denkbaren Bewegungen.
Weil so ein Zylinder um die 4000 Franken kostet, fallen fast 25'000 Franken an; nur, um den Simulator in Bewegung versetzen zu können. Elektronik, Material, Sitz, Monitore, Bedienelemente und andere Bauteile sind noch nicht eingerechnet.
Otto Normalmotor für Sparfüchse
Das Hauptziel des Studententeams war, die Kosten zu senken – und für einen hochwertigen Simulator für weniger als 10'000 Franken kamen die teuren Zylinder nicht in Frage. Stattdessen setzten die Ingenieure auf gängige Elektromotoren zum Stückpreis von rund 100 Franken, plus Spezialgetriebe und Frequenz-Umrichter für die präzise Ansteuerung.
Der Rest ist Software, geschrieben im erweiterten Team: Simulations-Fans aus der ganzen Welt haben am Code mitgearbeitet. «Wir haben von der Power des Internets extrem profitiert», sagt Fabian Riesen, der sein Wohnzimmer für den Simulator bereitgestellt hat und den Innovations-Lehrgang selbst absolviert. Und nicht nur bei der Software hat die Community mitgeholfen, sondern zum Beispiel auch bei der Steuerungs-Schnittstelle vom PC zum Simulator.
Prototyp ist erst der Anfang
Der Simulator funktioniert – doch nun geht die Arbeit für die Studenten erst richtig los. In den kommenden Semestern wollen sie einen Prototyp 2.0 bauen und in einem Businessmodell aufzeigen, wie sie den Simulator theoretisch vermarkten könnten. Dabei denken sie nicht nur an die Gamer-Gemeinschaft, sondern an andere Kundschaft wie Kinobesitzer, die das Gerät in Sitze oder Sofas die Bewegungsplattform einbauen könnten – für gesteigerte Erlebnisse etwa bei Auto-Verfolgungsjagden oder Kampf-Szenen, bei denen die Zuschauer die Action im beweglichen Sitz direkt spüren könnten.
Dass grosses Interesse für ihr Gerät vorhanden ist, beweisen die Reaktionen der Community: Ein Chinese zum Beispiel hat den Simulator bereits 1:1 nachgebaut. Patentieren lassen haben die Studenten ihr Erfindung deswegen aber nicht. Das koste nur Geld und sei zu komplex, sagt Fabian Riesen. Stattdessen habe man den umgekehrten Weg gewählt: «Wir haben alle unsere Überlegungen, Pläne und Ideen für alle offen publiziert – so ist sichergestellt, dass niemand anderer unseren Simulator so wie er jetzt ist patentieren lassen kann. Und wir profitieren von der Kreativität der Community.»