Jeweils im Frühling spannt sich ein mehrtägiger Regenbogen über die Stadt Zürich – dann, wenn das Filmfestival Pink Apple schwullesbische Filme zeigt. In diesem Jahr setzte das Festival einen neuen Schwerpunkt: lesbische, schwule, transgender und queere Themen in Games, kurz: LGBTQ. Im Kern stand die Ausstellung «Gaymes – the Rainbow in Video Games», abgerundet durch Vorträge, Diskussionsrunden und einen Dokumentarfilm.
Radiobeiträge zu «Gaymes - the Rainbow in Video Games»
Im Kulturhaus der Helferei standen rund ein Dutzend Computer, auf denen sich alle gezeigten Games ausprobieren liessen. Das fand grossen Anklang: Die Vernissage besuchten überdurchschnittlich viele Frauen, die sich von den beiden Kuratoren in die Games einführen liessen.
Die Idee zu diesem Schwerpunkt sei eher zufällig entstanden – aber auch mit dem Ziel, ein jüngeres Publikum anzulocken, wie Markus Hasler vom Organisationsteam des Pink Apple erklärt. Gleichzeitig griff die Ausstellung ein hochaktuelles Thema auf: Seit einigen Jahren tobt eine Debatte in der Game-Welt, wer denn wie in Games repräsentiert werden soll. Denn vor allem die grossen Gamestudios – die Triple-A-Unternehmen – erzählen fast immer dieselben Geschichten, erschaffen dieselben Figuren: weiss, heterosexuell, männlich.
Indie-Games machen’s vor
Parallel zu dieser Debatte hat sich in den letzten Jahren eine äusserst aktive Indie-Game-Szene herausgebildet. Dank einfach zu bedienenden Werkzeugen, vereinfachten Publikationskanälen und Social Media ist es mittlerweile jedem und jeder möglich, ein eigenes Game zu entwickeln.
Das zeigte sich auch in der Ausstellung: Die gezeigten Spiele sind fast alles Indie-Games. Darunter waren Überraschungshits wie «Gone Home» (2013) zu sehen, aber auch weniger bekannte Titel wie «Lesbian Spider-Queens of Mars» (2011).
Die beiden Kuratoren der Ausstellung, Patrizia Pollinger und Andreas Halter, haben an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) Gamedesign studiert. Im Gespräch verglichen sie die Entwicklung der LGBTQ-Themen in Games mit derjenige der Filmindustrie: Neue Ideen und Impulse kämen aus der Indie-Szene, nicht von den etablierten, grossen Studios. Das zeige sich auch in der Ausstellung.
Risiko: die Hauptfigur ist schwul
Das bestätigte auch Matt Conn, der für den Schwerpunkt an das Filmfestival eingeladen wurde: Für grosse Gamestudios, die Millionen in die Entwicklung eines Titels investieren, sei das finanzielle Risiko einfach zu gross. Das bislang teuerste Game «Grand Theft Auto V» zu entwickeln und zu vermarkten, kostete beispielsweise rund 254 Millionen US-Dollar. Ein Flop wäre fatal gewesen.
«Schwule wie ich, Leute, die transgender sind oder Frauen: Die spielen vielleicht solche Games, fühlen sich aber längst nicht so einbezogen und engagiert, und kaufen in Folge auch weniger Games. Damit geht den Unternehmen eigentlich viel Geld durch die Lappen», schlussfolgert Conn. Doch die Grossen gehen lieber auf Nummer sicher, statt Neues zu wagen.
Dazu kommt noch eine andere Angst bei den grossen Gamestudios: ihre Zielgruppe – männlich, weiss, heterosexuell – zu vergraulen. Eine schwule Hauptfigur? Undenkbar.
Mehr Abwechslung, bitte
Es sei aber nicht der Wunsch der LGBTQ-Spielerinnen und -spieler, dass jedes Game immer das gesamte Spektrum abdecke. Nicht jedes Game müsse je eine schwarze, lesbische, schwule, oder transgender Figur einbauen, so Matt Conn.
Pollinger, Haltinger und Conn wünschen sich aber alle mehr Abwechslung: Dass Gamestudios mehr darüber nachdenken würden, welche Geschichte sie ihren Figuren geben und wie sie ihre Figuren gestalten.
«Es geht darum, bewusster zu handeln: Die Figurenbesetzung ansehen und feststellen, oh, wir haben neunzig Prozent weisse Typen und eine weisse Frau. Vielleicht könnten wir das anders machen», sagte Matt Conn.
Es solle mehr Games geben, die lesbische und schwule Geschichten erzählen. Andererseits sollten einfach mehr lesbische und schwule Figuren in Games auftauchen, ohne dass das gross thematisiert werde – sondern einfach selbstverständlich existiere.
LBGTQ-Figuren in Games: Es tut sich was
Selbst wenn bekannte Game-Serien und -Titel immer noch nach demselben Schema abliefen, stellte Matt Conn trotzdem eine Veränderung fest, die in den letzten fünf bis sechs Jahren stattgefunden hat. Es gäbe viel mehr Games mit LGBTQ-Figuren, die explizit als solche geschrieben würden und über Handlungsmacht verfügten. Die grossen Erfolge von « Undertale » oder « Stardew Valley », die beide ganz selbstverständlich LGBTQ-Themen einbauen, bestätigen dies.
Wer die Games selber nachspielen möchte und die Ausstellung verpasst hat – hier sind alle vorgestellten Titel aus «Gaymes – the Rainbow in Video Games»:
- «Queer Power», Molleindustria 2004
- «Lesbian Spider-Queens of Mars», Anna Anthropy (Auntie Pixelante), 2011
- «Dis4ia», Anna Anthropy (Auntie Pixelante), 2012
- «Gone Home», 2013, The Fullbright Company
- «Die Sims 4», Maxis, 2014
- «Coming Out Simulator», Nick Case, 2014
- «Coming out on Top», Obscurasoft, 2015
- «Succulent», Robert Yang, 2015
- «Read Only Memories», Midboss, 2015
- «Gay Fighter Supreme», Handsome Woman Productions, 2015
- «Fleshwolf», Andreas Halter, 2016