Ein Glitch, das ist ein Fehler im System. Sei es in einem Audiofile, das plötzlich anfängt zu kratzen und knistern oder in einem Video, in dem sich die Pixel des Bildes selbständig zu machen scheinen. In unserem digitalen Alltag begegnen wir solchen Fehlern immer wieder. Es sind Algorithmen, die verrückt spielen. Oder schwülstig gesagt: Der Geist in der Maschine, der sich dem überraschten Benutzer zeigt.
Als «Glitch Art» sind solche Pannen auch in der Kunst ein Thema. Dort wird der Fehler bewusst gesucht und provoziert. Raul Zaritsky, Jamie Fenton und Dick Ainsworth etwa nutzen schon 1979 eine Eigenheit der Bally-Astrocade-Spielkonsole, um zufällige und ungewöhnliche Muster zu schaffen. Und Musiker wie Oval machten Mitte der 1990er Jahre das Geräusch absichtlich beschädigter, stotternder und springender CDs zum Markenzeichen ihrer Musik.
Weil unser Alltag zunehmend von digitalen Phänomenen bestimmt wird, hat auch das Interesse am Glitch nicht abgenommen. Heute zimmern Leute wie Rosa Menkman und Jon Satrom aus Computersymbolen, Bildstörungen und Programmfehler eine neue Ästhetik . Mit Gli.tc/h in Chicago gibt es seit 2010 ein jährliches Festival zum Thema, während Internet Communities wie Glitch-Safari in freier Wildbahn gefundene digitale Fehler als Videos und Fotos sammeln (siehe Linkbox). Audio "Glitch Art ist wie Punk Musik (SRF 3)" abspielen. Audio "Glitch Art ist wie Punk Musik (SRF 3)" in externem Player öffnen.
Punkrock und Hippie-Muster
Glitch-Kunst und Glitch-Künstler
Ein Glitch rückt das Innenleben des Computers unerwartet nach aussen. Prozesse und Berechnungen, die für gewöhnlich still im Hintergrund ablaufen und in ihrer Komplexität kaum zu verstehen sind, werden plötzlich sichtbar. Und dieses Versagen scheint die sonst kühl rechnende Maschine «menschlicher» zu machen.
Andererseits gibt der Glitch-Künstler auch einen Teil seiner Kreativität an die Maschine ab. Ein Glitch lässt sich wohl herbeiführen – aber wie sich der Fehler schliesslich im Bild oder als Ton manifestiert, ist schwer vorauszusagen. So bestimmt der Künstler zwar noch, welche Bilder er zeigen will – die Bilder selbst macht aber die Maschine. Und die kennt keine kunsthistorischen Konventionen, wird nicht von eigenen Vorlieben geleitet, schielt nicht auf den Publikumserfolg. Anders gesagt: Der Glitch macht eine neue Bildsprache möglich, die der Mensch so gar nicht hätte denken können.
Trotzdem haben Glitches eine ästhetische Qualität – sei es als ungeschliffene Punkrock-Alternative zum glatten Design dieser Tage oder als psychedelisches Muster aus sich wiederholenden Formen und Farben. Jedes Computersystem, jedes Programm produziert dabei seine eigene Form von Fehlern. Ein Windows-Glitch sieht anders aus als einer auf dem Mac.
Glitch-Art selber machen: Hier geht es zur Anleitung