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Digital Mit dem Smartphone gegen Parkinson

Gehblockaden bei Parkinson-Patienten enden oft in einem Sturz mit schlimmen Folgen. Jetzt gibt es Hoffnung: ETH-Forscher arbeiten an einem Gerät, das Betroffenen helfen soll, diese Blockaden zu überwinden und Dauer und Häufigkeit zu reduzieren.

«Freezing»

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Parkinson Patienten erstarren regelmässig beim Gehen in einer Blockade, die auf Englisch als «Freezing of Gait» bezeichnet wird - als Erstarren des Ganges. Für Betroffene fühlt es sich an, als klebten ihre Beine am Boden fest. Die Dauer dieser Episoden varieret zwischen Sekunden und Minuten.

Ruth Hänggi bereitet in ihrer Praxis für Neurotherapie in Zürich Parkinson-Patienten auf das richtige Verhalten bei einer Blockade vor, einem sogenannten Freezing. Sie zeigt ihnen verschiedene Tricks, mit denen sie sich befreien können. Sinnliche Reize, sogenannte «Cues», helfen den Betroffenen, in den Normalzustand zurückzufinden.

Besonders bewährt haben sich akustische Reize: Spielt man einem blockierten Patienten ein rhythmisches Musikstück vor, so gewinnt er die Kontrolle über den Körper zurück und kann weiterlaufen. Auch lautes Zählen, einen Rhythmus klopfen oder der Takt eines Metronoms helfen weiter. Oft sind die Patienten aber so schockiert und mit sich selbst beschäftigt, dass sie Hilfe von aussen brauchen – einen Begleiter, der sie mit einem Reiz aus der Starre holt.

Das Smartphone greift ein

Eine junge Frau hält ein Smartphone in der Hand, an den Füssen sind Sensoren befestigt.
Legende: Die Entwicklerin demonstriert die App: Die Doktorandin Sinziana Mazilu zeigt die App im Trainings-Modus. Peter Buchmann / SRF

An einem solchen Begleiter arbeitet die Informatikerin Sinziana Mazilu an der ETH in Zürich, fachlich unterstützt von Medizinern in Israel und Belgien. Die Doktorandin hat eine Smartphone-App entwickelt, die ein Freezing bei Parkinson-Betroffenen erkennt und dann mit Hilfe eines akustischen Reizes die Blockade löst: Im Notfall spielt die App ein rhythmisches Klicken ab, ähnlich wie ein Metronom. Dieser digitale Begleiter basiert auf einem Smartphone und zwei Sensoren, die an den Füssen festgemacht werden.

Übung macht den Meister

Die App aus Zürich kann aber noch mehr, sie stellt auch Übungen zur Verfügung, mit denen die Patienten das richtige Verhalten bei einem Freezing trainieren können. Die Aufgaben sind so konzipiert, dass sie bei den Patienten ein Freezing auslösen. Die App erkennt dann die Starre und klopft den Takt, damit die Patienten wieder weiterlaufen können.

Erste Resultate sind vielversprechend: Klinische Tests am Tel-Aviv Sourasky Medical Center zeigen, dass bereits dreitägiges Üben nicht nur die Anzahl der Freezing-Attacken drastisch reduzieren kann, sondern auch die Dauer der einzelnen Episoden – auf ein Drittel.

Die App soll sich überflüssig machen

Smartphone-App mit Button "Stopp" und einem roten Kreis.
Legende: Das Smartphone im Übungsmodus: Die App lenkt die Parkinson-Patienten beim Gehen ab und provoziert so ein Freezing zu Trainingszwecken. Peter Buchmann / SRF

Nun gehen die Versuche in die zweite Runde. Die Forscher hoffen nämlich, dass die Patienten nach mehrwöchigem Üben in der Lage sein werden, ein Freezing selbstständig zu überwinden und die App dann nicht mehr brauchen. Und sie hoffen auf noch mehr: Es sei gut möglich, dass intensives Training die Zahl der Blockaden drastisch reduziert. Und vielleicht sogar zum Verschwinden bringt.

High-Tech hilft

Sensoren, die die Beschleunigung und die Lage der Fussgelenke messen, versorgen die App mit den notwendigen Daten. Sinziana Mazilu sah sich dabei mit zwei Herausforderungen konfrontier: Ein Verfahren zu finden, das in dieser grossen Datenmenge das Muster sieht, das ein Freezing charakterisiert – und das alles möglichst schnell. Der Patient braucht schliesslich sofort Unterstützung, nicht erst nach Sekunden.

Gelöst hat sie das Problem mit den Verfahren des maschinellen Lernens. Dieses Gebiet der Informatik entwickelt Lösungen zum Finden von Zusammenhängen in grossen Datenmengen. Die Forscherin hat sich schon vor ihrem Doktorat in Zürich mit diesen Techniken beschäftigt, beim aktuellen Projekt gibt es für sie jedoch einen wesentlichen Unterschied: «Vorher habe ich einfach vor mich hinprogrammiert, ohne mich um das Resultat zu kümmern. Bei dieser App sehe ich jetzt, wie diese Anwendung den Patienten hilft. Und das macht mich einfach glücklich.»

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