«Das ist ja Wahnsinn»...
...hyperventiliert «Einstein»-Moderator Tobias Müller nach seiner ersten Achterbahnfahrt mit Virtual-Reality-Brille. Von Aussen hatte das Abenteuer nicht ganz so wahnsinnig ausgesehen, sondern nach einer vergleichsweise gemächlichen Fahrt in einem in die Jahre gekommenen Achterbahnwägelchen. Doch den Moderator hatte sie durch eine Fantasiewelt geführt.
Die G-Kräfte machen den Unterschied
Reine virtuelle Achterbahnfahrten gibt es schon lange. Thomas Wagner und seinen Studenten von der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Kaiserslautern war das aber zu wenig. Dem Professor für virtuelles Design fehlten bei diesen Fahrten vor dem PC oder andern Bildschirmen die spürbaren Beschleunigungskräfte, die G-Kräfte.
Doch dann tauchten die ersten VR-Brillen (Virtual-Reality-Brillen) auf und Wagner hatte eine Idee: Was, wenn man die virtuellen Fahrten mit den Loopings, Erschütterungen und Beschleunigungen der echten Fahrten synchronisiert? Was als Spielerei begann, scheint sich nun zu einem lukrativen Geschäftszweig zu entwickeln. Vor allem für kleinere Vergnügungsparks mit älteren Bahnen könnte die neue Technologie eine Alternative für allzu grosse Neuinvestitionen sein
Im Februar 2014 begannen Wagner und seine Assistenten im Europapark Rust zwei Bahnen zu vermessen und dazu passende virtuelle Welten zu gestalten. Hauptproblem war das Abgleichen der unterschiedlichen Geschwindigkeiten der realen Achterbahnen mit der virtuellen Fahrt. Dazu befestigten sie an den Wagenrädern Sensoren, welche die Rotationsgeschwindigkeit des Rades messen und diese an einen Computer weitergeben konnten.
«Wir können Erlebnisse vermitteln, die in der Realität gar nicht möglich sind.»
Während der Testfahrten fiel den Tüftlern auf, dass bei einer perfekt synchronisierten Fahrt keine sogenannte Motion Sickness auftritt. Diese Bewegungsübelkeit erleben beispielsweise viele Benutzer von Simulatoren, weil der optische Eindruck nicht mit dem Bewegungsgefühl des Körpers übereinstimmt. Und das sei noch nicht alles, was die virtuellen Fahrten auf realen Bahnen böten, schwärmt Thomas Wagner: «Wir können eine ganz neue Geschichte erzählen und vermitteln Erlebnisse, die in der Realität gar nicht möglich sind.»
Auf der echten Achterbahn fahren wir zwangsläufig immer auf Schienen und sehen genau, wohin wir fahren. Die Umgebung besteht aus Stahl- oder Holzgerüsten. Ganz anders während einer virtuellen Fahrt. «Da kann ich beispielsweise auf einem Drachen sitzen und durch die Luft fliegen. Ich kann unter Wasser durch ein Haifischteich kurven», sagt Wagner (siehe Videos unten). «Und zu guter Letzt kann ich sogar Interaktion einbauen.»
Im Looping Asteroiden abschiessen
Vorstellbar wäre nämlich, dass wir auf einer Achterbahn sitzen und virtuell durchs Weltall rasen, dabei mittels Blickrichtung eine Kanone richten, welche per Knopfdruck Asteroiden abschiesst. Eine weitere Anwendung kann den Stressfaktor einen Fahrt steuern. Die realen Bewegungen können nämlich intensiviert oder verharmlost werden. Geschwindigkeiten und Abstände können virtuell verändert werden, wichtig ist nur: Sie müssen mit dem realen Bewegungserleben synchronisiert sein. Eine Kinderachterbahn kann so zu einem wirklch wilden Abenteuer werden; eine Höllenbahn könnte in eine liebliche Landschaft gesetzt werden und Menschen mit Höhenangst ein besseres Gefühl vermitteln.
Mittlerweile sind Thomas Wagner und seine Mitentwickler auf drei Kontinenten mit Interessenten im Gespräch. Die neuen Möglichkeiten reizen die Vergnügnungsparkbetreiber. Auf der Suche nach dem Kick und dem Kribbeln im Bauch könnte die Kombination von virtueller und realer Welt die Antwort sein. Heute noch geben die limitierte körperliche Belastbarkeit des Menschen und technische Machbarkeit einer Achterbahnfahrt ihre Grenzen vor. In Zukunft wird es die Fantasie der Software-Designer sein.