«Active Sound Design» heisst die Technik, die in bestimmten BMW-Modellen ein elektronisch verstärktes Motorengeräusch per Lautsprecher ins Fahrzeuginnere spielt. Die Stereoanlage des Autos ist dazu an die Motorsteuerung angeschlossen und kann auf die Tourenzahl des Wagens reagieren.
«Wenn ein Fahrer Gas gibt, will er einen Eindruck des Fahrzeugs bekommen. Vor allem in Autos der Oberklasse ist dank guter Schallisolation im Innenraum vom Motor aber kaum mehr etwas zu hören», erklärt Ercan Altinsoy den Grund für diesen Kniff. Altinsoy ist Professor für Akustik und Haptik an der TU Dresden und arbeitet mit verschiedenen Autobauern zusammen. «Die Hersteller versuchen deshalb, durch Geräuschgestaltung den Eindruck zu unterstützen, dass man in einem leistungsstarken Fahrzeug sitzt.»
Im Video unten hört man, wie das bei einem BMW M5 von 2012 klingt. Und wie derselbe Motor im Fahrzeuginnern tönt, nachdem das «Active Sound Design» durch das Entfernen einer Sicherung deaktiviert wurde. Die Maschine, die erst noch satt und sportlich dröhnte, klingt ohne elektronische Unterstützung gleich viel zahmer:
Mit der eigentlichen Motorenleistung hat die Sound-Trickserei aber nichts zu tun. Der Motor des M5 ist zwar leiser als früher, aber deswegen nicht weniger kraftvoll. Trotzdem hängt BMW die Technik nicht an die grosse Glocke. Wohl aus Sorge, die Käufer der Luxuslimousine könnten sich getäuscht fühlen. In neueren Modellen ist der Anteil, den das «Active Sound Design» an den Kabinengeräuschen hat, darum auf wenige Prozent zurückgefahren worden.
Doch BMW ist bei Weitem nicht der einzige Autohersteller, der das Brummen seiner Motoren künstlich verstärkt. Toyota und Ford zum Beispiel greifen dafür zu mechanischen Mitteln. Sie legen eine Röhre – eine sogenannte «Sound Pipe» – vom Motorenraum direkt ins Fahrzeuginnere und lassen den Motor so lauter klingen.
Bei Wagen der Oberklasse und bei sportlichen Modellen kommen dagegen öfter elektronische Mittel zum Einsatz: Bei Volkswagen lässt ein Gerät namens «Soundaktor» den Motor des Golf GTIs kräftiger klingen . Lexus oder Renault kennen ähnliche Systeme. Selbst bei US-Klassikern wie dem Ford Mustang oder dem Ford F-150-Truck wird das Motorengeräusch per Computer aufbereitet zum Fahrer geleitet. Mit dem paradoxen Ergebnis, dass in manchen dieser Autos der Motor mit geschlossenem Fenster besser zu hören ist als mit offenem.
400 verschiedene Schallquellen
Autobauer arbeiten seit Jahrzehnten daran, ihren Fahrzeugen einen unverwechselbaren Klang zu geben. «Die technischen Unterschiede zwischen den einzelnen Marken sind heute nicht mehr so gross. Deshalb versuchen die Hersteller, die Kunden durch emotionale Aspekte wie etwa den Klang an sich zu binden», weiss Ercan Altinsoy.
Dabei geht es längst nicht nur um das Geräusch des Motors: Auch die 30 bis 40 Schalter, Hebel und Knöpfe, die sich in einem Fahrzeug der Oberklasse finden, sollen möglichst einem akustischen Gesamtkonzept folgen. Auch das satte Geräusch einer ins Schloss fallenden Fahrertür ist für den Hersteller die erste Möglichkeit, dem Kunden zu vermitteln, wie gut ein Wagen gebaut ist.
Dazu gibt es Sound-Abteilungen, die bei manchen Autobauern bis zu hundert Mitarbeiter haben. Bei der Entwicklung eines neuen Modells fallen so gut 2 bis 5 Prozent der Kosten allein für das akustische Design an. Das Ziel ist, im Innern des Fahrzeugs eine kontrollierte Geräuschkulisse zu schaffen. Das ist nicht immer einfach: «In einem Auto mit Verbrennungsmotor gibt es gut 400 verschiedene Schallquellen, die aufeinander abgestimmt werden müssen», sagt Ercan Altinsoy. «Das ist wie ein grosses Orchester, bei dem man leicht den Überblick verliert.»
Elektromotoren sind zu leise
Ein vollkommen lautloses Auto zu schaffen ist allerdings nicht das Ziel. Dem Fahrer würden dann wichtige Informationen zur Geschwindigkeit, zum Zustand der Strasse oder über die Wetterverhältnisse fehlen, die ihm das Brummen des Motors, das Rollen der Reifen oder der Fahrtwind liefern können. «Ausserdem geht in einem völlig stillen Fahrzeug auch eine gewisse Emotionalität verloren, die viele Leute mit ihrem Auto verbindet», ergänzt Altinsoy.
Zum anderen wäre ein nahezu lautloses Auto auch für Fussgänger zu gefährlich, die nicht mehr vom Motorengeräusch eines kommenden Fahrzeugs gewarnt würden. Ein Problem, das im Zeitalter der Elektroautos an Bedeutung gewinnt: «Gerade bei geringem Tempo des Stadtverkehrs macht der Motor dieser Fahrzeuge kaum mehr Lärm», so Altinsoy. «Wir müssen deshalb versuchen, Elektromobilität besser hörbar zu machen. Sowohl für den Fahrer drinnen als auch für die Fussgänger draussen.»
Weil ein geräuscharmer Elektromotor quasi ein unbeschriebenes Blatt ist, haben die Sound Designer bei der Klanggestaltung bisher nicht gekannte Freiheiten. Doch es sei gar nicht so einfach, sich auf einen bestimmten Klang zu einigen, meint Ercan Altinsoy. Oft würde man deshalb auf Altbekanntes zurückgreifen und einfach das Geräusch eines Verbrennungsmotors nachahmen.
Ein Auto wie ein TIE Fighter
«In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden Elektroautos wohl noch diese klassischen Motorgeräusche benutzen», schätzt Altinsoy. «Aber ich bin sicher, dass wir irgendwann auch vollkommen andere Klänge hören werden, die sich deutlich von den heutigen unterscheiden.» Von Behördenseite gibt es allerdings Einschränkungen: Statt Motorengeräuschen einfach Musik abzuspielen ist zum Beispiel in der EU nicht erlaubt. Ebenso wenig, dass Elektroautos plötzlich Tiergeräusche von sich geben.
Ercan Altinsoy hat aber auch schon andere Ideen gehört. Geräusche etwa, die sich am Sound Design von Science-Fiction-Filmen orientierten und die Autos futuristisch klingen lassen. Bis ein Elektroauto aber wie ein TIE Fighter aus «Star Wars» tönen kann, muss bei den Fussgängern noch ein Lernprozess stattfinden: Sie müssen lernen, auch diese neuen Motorengeräusche als Warnzeichen für ein herannahendes Auto zu erkennen.