«Heute schreiben wir ein spezielles Programm», sagt Sabine Jacob zu Beginn des Unterrichtes. Für ihre drei 15-jährigen Privat-Schüler hat sich die Informatik-Lehrerin etwas Besonderes ausgedacht: eine TNT-Sprengung auf Knopfdruck. Die Explosion findet allerdings nicht im Klassenzimmer, sondern im Computer statt – in der virtuellen Welt von «Minecraft», einem Game, das bei Teenagern sehr beliebt ist.
Auslösen werden die drei Schüler die virtuelle Sprengung mithilfe eines echten Schalters neben dem Computer. Dort befindet sich auch eine LED-Zahlenanzeige, wie man sie von alten Taschenrechnern kennt. Vor der Explosion läuft auf diesem archaischen Display ein Countdown ab.
Zusammenspiel von Hard- und Software
Die Herausforderung für die Schüler Beni, Neil und Nick besteht darin, den Druckknopf und die Anzeige mit der Software im Computer zu verbinden. So lernen sie nicht nur zu programmieren, sondern beschäftigen sich auch mit Elektronik: Was braucht es, um eine LED zum Leuchten zu bringen? Und wie schaltet man den Strom vom Computer ein und aus?
Die ausgebildete Informatikerin Sabine Jacob erklärt nochmals kurz, was ein Stromkreis ist und warum es für die LED auch noch einen Widerstand braucht. Dann machen sich die drei Sekundarschüler an die Arbeit. Sie verbinden die LED-Leuchten in der Anzeige mit dem Ausgang des Computers.
Neil ist als Erster fertig und versucht sich dann an der Steuerung. Er tüftelt an einem Programm, das die LED so zum Leuchten bringt, dass die Zahlen für den Countdown erscheinen. Von seiner Lösung ist er nicht ganz überzeugt: «Es gibt sicher einen effizienteren Weg», meint er skeptisch.
Programmieren oder programmiert werden
Büffeln und Basteln
Sabine Jacob übernimmt wieder und führt die jungen Programmierer schrittweise an die Lösung heran. Immer wieder stellt die ausgebildete Lehrerin Fragen zu bereits behandelten Themen, bis den Teenagern klar wird, wie die Lösung aussieht. So repetieren sie die Grundlagen der Programmierung: Datenstrukturen und Schleifen etwa.
Nach einer Stunde sind die Schüler zwar noch nicht ganz fertig, aber doch schon ziemlich weit: Der Countdown funktioniert auf Knopfdruck. In der virtuellen Welt auf dem Monitor fliegt der TNT-Klotz in die Luft und reisst einen Krater in die Landschaft – allein beim Soundtrack gibt es noch Probleme; der Computer bleibt während der Explosion stumm.
Mehr als Spielerei
Die drei Teenager sind nicht nur im Unterricht mit Herzblut bei der Sache: Auch daheim beschäftigen sie sich mit dem Computer. Neil hat eine Geschwindigkeitsanzeige für ein Hamsterrad gebastelt, Nick hat ein Mathematik-Programm geschrieben. Für beide ist diese Art des Tüftelns mehr als blosse Spielerei; beide möchten das Programmieren zum Beruf machen. Von der Schule gibt es zurzeit keine Unterstützung, denn Informatikunterricht steht bei keinem der drei Kursteilnehmer auf dem Stundenplan.
«An den Primar- und Sekundarschulen gibt es das Angebot in dieser Art noch nicht» sagt Sabine Jacob. Da hänge es von der einzelnen Lehrperson ab, ob sie Programmierung unterrichte. Die Sorge, dass man Jugendliche mit der Programmierung überfordert, findet sie unbegründet – zumal es schon für Kinder spezielle Programmiersprachen gibt, die den Einstieg erleichtern.
Ein Alltagsphänomen verstehen
Wie zum Beispiel die Sprache Scratch , die sie in ihrem Unterricht verwendet. Sind die Teilnehmer dann schon etwas erfahrener, programmieren sie in Python. Für das Experiment mit dem virtuellen Sprengstoff verwenden die Schüler den Mini-Computer Raspberry Pi , der über eine Schnittstelle für Elektronikbauteile verfügt.
Solche Grundkenntnisse in Computertechnologie findet Jacob schon deshalb wichtig, weil Computer in unserem Alltag immer mehr Raum einnehmen. Ihr Motto: «Entweder man programmiert oder man wird programmiert.»