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Digital Rasant, handlich und simpel? Action Cams im Test

Wenn’s räblet und rüblet, muss das Smartphone im Hosensack bleiben – jetzt schlägt die Stunde der Action Cam. Sie filmt auch unter widrigsten Umständen. Action Cam hat einen Namen: GoPro. Doch es gibt eine handvoll Alternativen zum Marktführer.

Wenn ich eine GoPro in den Händen halte, kann ich mir ein kurzes Grinsen nicht verkneifen: Dieser überdimensionierte Zuckerwürfel hat tatsächlich in wenigen Jahren ein neues Film-Genre etabliert: das Bewegte-Immerscharfe-Superweitwinkel-Aktionsvideo. Das Gehäuse wirkt billig; die Anzeige so klein, dass sie eigentlich nicht existent ist. Und wann genau die Kamera beim Drücken einer der beiden Knöpfe nun filmt oder nicht, muss ich bei jedem Einsatz aufs Neue herausfinden.

Ein Unding, aber der Erfolg gibt dem Konzept Recht: Klein und aufs Wesentliche konzentriert, das ist das Geheimnis der GoPro. Action Cam ist GoPro: An diesem Marketing-Coup beissen sich andere Hersteller bis heute die Zähne aus. Vor allem jene, die wissen müssten, wie man Kameras baut. Nikon scheint sich an diesem Thema gar nicht erst verbrennen zu wollen. Canon baut mit der Legria Mini zwar eine Kamera, die vom Ruck-Zuck-Faktor her in Richtung der GoPro gehen, ansonsten aber wenig mit Action am Hut hat.

Von den klassischen Herstellern mischt nur Sony bei den Kameras mit, die dort eingesetzt werden, wo es abgeht: HDR-AS30V heisst sie. Die Bezeichnung können wir vergessen, die Kamera nicht, wir haben sie ausprobiert. Ausserdem im Test: die GoPro Hero 3 und zwei Modelle von branchenfremden Herstellern: Garmins Virb und die Drift Innovation HD Ghost .

Erste Begegnung

Wie gesagt: Beim Anblick der GoPro muss ich mitleidig lächeln. Bei den drei Konkurrenten wandern meine Gedanken in eine andere Richtung: Ein überdimensionierter schlagfester Dildo kommt mir bei der Virb in den Sinn, ebenso bei der HD Ghost, obwohl sie zu kantig ist, um wirklich Freude zu bereiten. Die Action Cam von Sony wirkt im Gehäuse dagegen wie eine transparente Zigarettenschachtel.

Bei allen drei Kameras ist also kein Zuckerwürfel-Formfaktor wie bei der GoPro zu erkennen, sondern – Grösse. Und Gewicht. Um die 170 Gramm. Im Vergleich dazu ist die GoPro ein Fliegengewicht. Sie wiegt inklusive Gehäuse 136 Gramm. Der Unterschied wird für den Einsatz in der Hostentasche, am Velolenker oder am Helm unwichtig sein. Doch für Drohnenflüge dürfte die GoPro gewichtsmässig nach wie vor die erste Wahl sein.

Das Bild zeigt die Kunstoffverpackungen der Sony-Action Cam und der Ghost HD von Drift Innovation.
Legende: Ärgerlich: Viel Verpackungsmüll für wenig Kamera bei Sony und vor allem bei Drift Innovation (rechts). Reto Widmer/SRF

Preislich gibt es bei den Kameras keine Leicht-oder Schwergewichte: Zwischen 300 und 400 Franken kostet der Spass bei allen vier Herstellern, je nach Ausstattung und Zubehör etwas weniger oder mehr. Wenn ich bei Sony und Drift Innovation die Verpackung zum Zubehör zähle, bieten diese beiden Hersteller zu viel: Jede Menge Plastik – ein Unding in Zeiten, in denen viele Hersteller sich Mühe geben, ihre Verpackungen so zu gestalten, dass sie sich recyclen lassen.

Sprinter und lahme Enten

Schalter umlegen, filmen: Die Virb ist diesbezüglich mein Favorit. Sie hat auf der linken Seite einen Schieber, den ich bedienen kann, ohne hinzuschauen. Und dann filmts. Die Cam von Sony ist mit einem grossen, roten Record-Knopf auf der Rückseite ähnlich schnell in Aktion. Die HD Ghost will zwei Mal lange auf einen der schlecht beschrifteten Knöpfe gedrückt werden, die an der Seite angebracht sind. Und die GoPro fällt komplett ab: Bis der Würfel filmt, vergehen mehrere Sekunden.

Wenigstens zwei der drei GoPro-Konkurrenten haben ihren zeitlichen Entwicklungs-Rückstand also genutzt und eine saubere Einhand-Bedienung für ihre Cams geschaffen. Zudem haben sie ihren Geräten grössere Anzeigen spendiert, die aber nicht zwingend eine einfachere Bedienung bringen. Dass die Virb von Hersteller Garmin stammt, merkt jeder sofort, der sich schon einmal mit der Bedienung und Menüführung eines Outdoor-Navigationsgeräts aus demselben Haus herumgeärgert hat. Aber man gewöhnt sich daran.

Wirklich nicht gewöhnt habe ich mich an die Menüführung der Sony-Kamera. Un-intuitiv ist nur ihr Vorname. Irgendwie fehlt ein «Zurück»-Knopf und ob die Kamera überhaupt den Akku auflädt, wenn sie am USB-Kabel hängt – ich sehe es nicht. Positiv überrascht hat mich die HD Ghost: Sie zeigt auf ihrem Display alle möglichen Einstellungen gut lesbar und logisch strukturiert an.

Mehr oder weniger Display

Das Bild zeigt das E-Ink-mässige Display der Garmin Virb.
Legende: Monitörchen: Nicht farbig, nicht schwarz-weiss, träge, aber im Freien gut lesbar: Die Anzeige der Virb. Reto Widmer / SRF

Die Anzeigen der drei Konkurrenten sind nicht nur grösser als jene der GoPro. Bei der HD Ghost und der Virb dienen sie auch zur Kontrolle: Ich sehe, was ich filme. Das Display der Virb ist gewöhnungsbedürftig: Wie bei E-Book-Readern reagiert es träge; dafür spiegelt es nicht im Freien und ist unter Sonneneinstrahlung gut ablesbar.

Natürlicher und im Gegensatz zur Virb auch farbig ist die Anzeige der HD Ghost . Mit ihr habe ich beim Filmen am ehesten das Gefühl, es mit einer richtigen Kamera zu tun zu haben. Aber will ich das auch?

Eigentlich bringen die Displays nämlich nicht viel: Sie fressen unnötig Strom – und wenn ich wirklich beim Filmen «monitoren» möchte, kann ich das bei allen vier Kameras via App für Android-und iOS-Smartphones tun. Die Kamera schickt das Bild dann per W-Lan ans Handy, das in diesem Moment auch als Fernsteuerung dient. Eine saubere Sache!

Geschraubt, geklebt und verbunden

Das Bild zeigt die verschiedenen Befestigunsmöglichkeiten der Sony Action Cam.
Legende: Befestigt: Sonys Action Cam kommt standardmässig mit allerlei Halterungen daher. Reto Widmer / SRF

Eine Action Cam ist nur so gut wie die Möglichkeiten, sie zu befestigen. Alle vier Modelle bedienen mich diesbezüglich bestens. Sony legt ihrer Action Cam besonders viel Befestigungskram bei, Armbänder und Befestigungsplatten in allen möglichen Formen. Sinn macht das nicht unbedingt, weil wohl die wenigsten Käufer alle Teile nutzen werden. Wenn etwas fehlt, kann ich es immer noch als Zubehör kaufen, zum Beispiel spezielle Halterungen für die Montage am Hund.

Praktisch: HD Ghost und Sony haben direkt an der Kamera respektive im Schutzgehäuse einen Anschluss für ein Stativ – oder an eine M6-Schraube aus dem Baumarkt. Damit kann ich bei Bedarf eigene Halterungen basteln. Bei GoPro und Virb bleiben bei speziellen Halterungsbedürfnissen dann nur Klebeband oder Kabelbinder.

Unter Wasser

Eine Action Cam macht vor keinem Wetter halt, auch nicht vor Regen. Wassergeschützt sind alle Modelle: die Virb einfach so, doch GoPro und Sony nur mit einem zusätzlichen Schutzgehäuse. Und bei der HD Ghost darf ich nicht vergessen, die hintere Seite mit einem aufschraubbaren Deckel abzudichten. Eine Falle, denn das mit dem Deckel kann schnell vergessen werden im Action-Stress und dann wird die Kamera im Innern nass und unter Umständen zerstört.

Enttäuschend sind alle drei GoPro-Konkurrenten für Taucher: Schnorcheln liegt drin; mehr als 2 bis 3 Meter sollte man aber nicht tauchen (Sony: 5 Meter). Immerhin gibt es für die HD Ghost und die Virb als Zubehör Unterwassergehäuse, die 60 beziehungsweise 50 Meter dicht halten. Allerdings kostet dieses Gehäuse im Fall der Ghost über siebzig Franken. Das Schutzgehäuse der GoPro erlaubt dagegen Tauchgänge bis 40 Meter – ohne Aufpreis.

Das Fazit

Die GoPro Hero 3 mit ihrer Reduktion aufs Wesentliche ist die ehrlichste aller Action Cams. Sony hat mit der HDR-AS30V das Konzept teilweise kopiert und mit einem grossen, roten Record-Knopf verbessert. Beide Kameras sind von der Bedienung her eher mühsam – auch deshalb, weil ich sie oft aus dem zusätzlichen Unterwassergehäuse herausklauben muss.

Für Taucher ist die GoPro erste Wahl. Wer nicht taucht, keinen Wert auf möglichst wenig Gewicht legt und eine Action Cam bevorzugt, die ohne Zusatzgehäuse robust für alle möglichen Outdoor-Anwendungen ist, der sollte ein Auge auf die Virb werfen. Die HD Ghost geht einen ähnlichen Weg, ist aber vom eckigen Design her noch weniger hosentaschentauglich als die Virb.

Das Fazit: Es kommt darauf an. Es werden kleine Details sein, die den Kaufentscheid beeinflussen. Wie zum Beispiel die Möglichkeit, die Kamera fest mit einem Standard-Stativgewindeanschluss zu verschrauben oder ein externes Mikrophon anzuschliessen Wer Action filmen will, sollte also vorher genau seine Bedürfnisse abklären.

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