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Digital Smart Grid: Das Stromnetz, das den besten Preis kennt

Als der Bundesrat vor bald zwei Jahren den Ausstieg aus der Atomenergie beschloss, war dies ein historisches Ereignis – mit Auswirkungen auf das künftige Schweizer Stromnetz, vom Hochspannungsnetz bis zur Versorgung zu Hause.

Swissgrid

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Das Hirn des Schweizer Hochspannungsnetzes: Die Netzleitstelle Swissgrid Control.
Legende: Swissgrid

2007 hat die Schweiz die Stromproduktion sowie Handel und Vertrieb von der Übertragung des Stromes getrennt. Als nationale Netzgesellschaft wurde Swissgrid für den Betrieb, die Sicherheit, den Unterhalt und den Ausbau des 6700 Kilometer langen Übertragungsnetzes gegründet. Seit Anfang 2013 ist Swissgrid auch Eigentümerin des Netzes.

Wenn die Energiewende eintritt, wird viel mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammen als heute. Dabei liefern Solarpanels auf Hausdächern bereits heute in warmen Sommermonaten und um die Mittagszeit mehr Strom, als zu diesen Zeiten gebraucht wird – und Windkraft-Parks sind abhängig von der aktuellen Windstärke.

Das führt dazu, dass Kapazitätsschwankungen im europäischen und Schweizer Stromnetz zunehmen werden. Um sie in den Griff zu bekommen, berechnet und prognostiziert Swissgrid täglich den Stromverbrauch und die Stromproduktion: Der Verbrauch und die verfügbare Menge sollen idealerweise jederzeit übereinstimmen.

Aufwändiger Ausgleich im Stromnetz

In der Realität sind jedoch Abweichungen an der Tagesordnung. Es kann zum Beispiel unerwartet zum Ausfall eines Kraftwerks oder eines grossen Stromverbrauchers kommen. Dann setzt Swissgrid so genannte Regel-Leistung ein. Das ist Strom, der kurzfristig einen Versorgungsengpass im Netz ausgleicht – eine Art Versicherung für Swissgrid, um Netzschwankungen auszugleichen.

Der heutige Normal-und Niedertarif ist bereits ein Instrument, das dafür sorgt, dass stromhungrige Geräte wie Wasserboiler oder Tumbler vermehrt in der Nacht eingesetzt werden – dann also, wenn mehr als genug Strom vorhanden ist.

Ein dynamischer Stromtarif

Mit steigendem Anteil aus erneuerbaren Energie wie Windkraft werden sich die Perioden, in denen viel oder weniger Strom produziert wird, aber nicht mehr so regelmässig auf den Tag verteilen lassen. Der Idealfall sähe deshalb anders aus: Alle Boiler und Tumber in den Haushalten könnten beispielsweise Wind davon bekommen, dass an der Nordsee gerade eine steife Brise bläst – und sofort Strom verbrauchen, und nicht erst in der Nacht. Genau das ist die Idee des «Smart Grid»: des intelligenten Stromnetzes zu Hause.

Ein Stromzähler in diesem Netz, der sogenannte Smart Meter, kennt zu jeder Zeit den aktuellen Strompreis und weiss auch, wie sich dieser Preis in den nächsten Stunden in etwa entwickeln wird. Diese Information sendet der Smart Meter an eine zentrale Steuereinheit. Von dort gelangt das Preissignal über Funk oder die elektrischen Leitungen im Haus an die verschiedenen Stromverbraucher.

Zum Beispiel an die Waschmaschine. Sie würde vom Besitzer nur den Befehl erhalten, dass die Wäsche bis spätestens 18 Uhr in zwei Tagen gewaschen sein muss. Wann sie den Waschgang exakt startet, würde sie selbst «entscheiden» – dann nämlich, wenn der Strom am günstigsten ist oder der Kunde sogar Geld erhält, wenn er Strom verbraucht und so das Netz entlastet. Szenarien in diese Richtung sind keine Utopie – sie könnten durchaus eintreten.

Wertvolle Regel-Energie

Solche Verfahren würden sich auch für Swissgrid lohnen: Heute muss die Netzgesellschaft eine bestimmte Menge Regel-Energie im Strom-Markt für jeden Tag neu reservieren   – und die Stromerzeuger verlangen für diesen Regel-Strom mehr, weil sie ihn auch selbst zu Spitzenzeiten verkaufen könnten. Je genauer sich also Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung bringen lassen, desto günstiger wäre es für Swissgrid.

SRF 3-Input: Das Stromnetz

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Hochspannunsleitungen bei Laufenburg
Legende: RETO WIDMER/SRF

Die Hintergrundsendung Input auf SRF 3 schaut sich die Entstehung des Stromnetzes an – vom ersten Mast, den unsere Grossväter aufstellten bis zum heutigen länderübergreifenden Grid – und erklärt das Netz der Zukunft, die auch darin liegt, vermehrt auf die Anfänge zurückzugreifen.

Weitere Infos und Sendezeit .

Neue Akteure auf dem Markt

Bereits heute bewerben Hersteller erste Haushaltsgeräte mit der Bezeichnung «Smart Grid Ready». Doch so, wie ein «HD ready» Fernseher nichts nützte, als es noch keine HD-Programme gab, bringt auch eine Smart Grid-Waschmaschine nichts, wenn es noch keine dynamischen Strompreise gibt.

Zumal bei der Vernetzung der Geräte noch nicht enschieden ist, welche technische Standards gelten werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Stromproduzenten das Thema Smart Grid bis heute stiefmütterlich behandelten. Sie sind in erster Linie daran interessiert, ihren Strom zu verkaufen.

Ein virtuelles Kraftwerk

Doch neue Akteure im Strommarkt wie Swisscom, die vor kurzem die Firma Swisscom Energy Solutions SES gegründet hat, werden die Umsetzung des Smart Grids beschleunigen. Mit einem virtuellen Kraftwerk will der Konzern neue Einnahmen in Millionenhöhe generieren: Die Tochterfirma könnte künftig beispielsweise Wärmepumpen oder andere grosse Geräte in Haushalten über das Telefonnetz steuern – und so den Stromverbrauch zu Spitzenzeiten drosseln.

Was durch die aktive Verschiebung der Nachfrage an Energie eingespart wird, könnte Swisscom dann an Swissgrid verkaufen – als Regel-Strom, der eingespart wurde. Als erster Schritt in diese Richtung dürfte auch die Lancierung des Systems Quing zu verstehen sein, mit dem sich Haushaltsgeräte via App und Web steuern lassen.

Der gläserne Strom-Konsument

Wenn jedes Gerät mit einer zentralen Steuerung kommuniziert, diese den Stromverbrauch jedes Geräts kennt und die Informationen an einen Stromlieferanten weiterleiten könnte, wäre allerdings die Privatsphäre tangiert – und gefährdet. Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte hat zum Umgang mit Smart Meters und den Daten der Kunden und Netzbetreiber bereits Empfehlungen  publiziert. Konkrete Standards fehlen aber weitgehend.

Doch sie würden dringend gebraucht, denn das Smart Grid könnte dank der politisch forcierten Energiewende schneller Realität werden als noch vor ein paar Jahren prognostiziert. Und auch wenn die clevere Steckdosenleiste, die den Besitzer zum Strom sparen animiert (siehe Video oben), am iHomeLab der Hochschule Luzern  noch im Entwicklungsstadium ist – lange wird es nicht mehr dauern, bis solche Produkte in den Baumarkt-Regalen liegen.

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