Die Empörung ist noch nicht verflogen über das Experiment, das Facebook-Forscher diesen Juni veröffentlicht haben. Facebook hatte während einer Woche den News-Feed eines kleinen Teils seiner Nutzerinnen und Nutzer manipuliert. Der einen Hälfte der Versuchspersonen wurden gewisse Meldungen mit positiven Wörtern vorenthalten, der anderen solche mit negativen Wörtern.
Und siehe da: Weniger positive Meldungen von Freunden im News-Feed führten dazu, dass auch die Versuchspersonen selbst weniger positive Meldungen verfassten, dafür mehr negative. Genau andersherum verhielt sich die zweite Hälfte der Versuchspersonen. Der emotionale Gehalt von Facebook-Meldungen ist also offenbar ansteckend, schlossen die Studien-Autoren.
Manipulation ist gang und gäbe
Zu Protesten führte nun die Tatsache, dass die Nutzerinnen und Nutzer nicht explizit darüber informiert wurden, dass an ihrem News-Feed herumgeschraubt worden war. Thomas Hofmann, Professor für Datenanalyse an der ETH Zürich, zeigt Verständnis für das Unbehagen, im Internet ungefragt zum Versuchskaninchen zu werden. Andererseits, sagte er, der den Google-Standort Zürich aufgebaut hat, würden solche Experimente natürlich auf den meisten Internetseiten auf der ganzen Welt durchgeführt, etwa um zu testen, wie man Suchresultate verbessern oder passendere Werbung schalten könnte.
Die Macht der AGB
Mit den Nutzungsbedingungen oder allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) haben die Nutzerinnen und Nutzer ihre Einwilligung solche Experimente nämlich pauschal gegeben. Das sei ein grundsätzliches Problem im Internet, sagt der Staatsrechts-Professor Markus Schefer von der Universität Basel. Die meisten von uns seien sich überhaupt nicht bewusst, zu welchen Klauseln sie da ja gesagt hätten.
Das ist auch nicht so erstaunlich, denn Wissenschaftler haben vor einigen Jahren berechnet: Um alle Nutzungsbedingungen zu lesen, zu denen ein durchschnittlicher Internet-Benutzer ja sagt, bräuchte er ungefähr 200 Stunden pro Jahr. Und die wendet natürlich niemand auf. Der Staatsrechtler Markus Schefer sagt denn auch: «Unsere Einwilligung ist heute in vielen Bereichen rein fiktiv».
Anonyme Daten: eindeutig identifizierbar
Nicht besser steht es um den zweiten forschungsethischen Pfeiler, die Anonymisierung unserer Daten. Denn auch wenn einzelne Forschende sorgsam mit unseren Nutzerdaten umgehen und sie fachgerecht anonymisieren, sei es mit unserer Anonymität vorbei, sobald diese anonymisierten Daten anderen zugänglich gemacht werden,sagte der Daten-Analytiker Thomas Hofmann von der ETH Zürich. «Das Problem ist, dass durch die Verknüpfung von verschiedenen Datenquellen Muster entstehen, die eine eindeutige Signatur eines Menschen darstellen.»
Immerhin haben einige Internet-Firmen selbst erkannt, dass fehlende Einwilligung und Anonymisierung für sie Image-schädigend sein könnten. Deshalb haben sie angekündigt, nun klarere ethische Standards für die Forschung definieren zu wollen. Andere setzen die Hoffnung eher in gesetzliche Schranken. Doch die sind zurzeit noch in weiter Ferne.