2011 arbeitete der damals 18-jährige Palmer Luckey in einem Virtual-Reality-Therapieprogramm für Kriegsveteranen mit posttraumatischen Störungen. Die Soldaten sollten mithilfe von Therapeuten, Virtual-Reality-Brillen und einer modifizierten Version des Kriegsspiels «Full Spectrum Warrior» ihre Kriegserlebnisse aufarbeiten können. Doch die Brillen waren klobig und unbequem. Ein Set kostete gut 1500 Dollar und die Bildqualität war in etwa so, als würde man sich eine weit entfernte Szene durch ein Fernglas anschauen.
Natürlich gab es schon damals qualitativ bessere Geräte – aber die kosteten über 10'000 Dollar das Stück. Luckey erkannte, dass sich mit einfachen Mitteln Brillen bauen liessen, die es mit den Hochpreis-Produkten aufnehmen konnten. Denn als Nebenprodukte der Entwicklung moderner Smartphones waren Displays, Sensoren und Prozessoren nicht nur besser geworden, sondern auch viel billiger – ideales Material für eine Virtual-Reality-Brille, die sich auch Privatanwender leisten können.
Man sieht noch einzelne Pixel
Zwei Jahre später ist Luckey Chef seiner eigenen Firma, Oculus VR, und arbeitet zusammen mit gut 50 Mitarbeitern an der endgültigen Version der Oculus-Rift-Brille, die 2014 in die Läden kommen soll. Bisher existiert erst eine Entwickler-Version der Brille. Sie ist nicht zuletzt dank einer Kickstarter-Kampagne entstanden, die statt der erhofften 250'000 Dollar gleich 2,5 Millionen einbrachte.
Das fertige Produkt soll mit einem Preis von etwa 300 Dollar gleich teuer werden wie die Entwickler-Version, aber einige Verbesserungen mit sich bringen: Eine höhere Auflösung etwa, bei der einzelne Pixel nicht mehr so deutlich erkennbar sind. Oder eine verbesserte «Latency» – also ein schnelleres Reagieren auf die Kopfbewegungen des Trägers, denn ist die Verzögerung dort zu lang, wird dem Brillenträger rasch flau im Magen.
Körperliche Reaktionen
Oculus Rift: So reagiert YouTube
Bisher existieren erst eine Handvoll Games und Demo-Programme für die Oculus Rift. Einige davon lassen aber ahnen, was die Brille möglich macht: Ein 360-Grad-Blickfeld, eine Art endloser Monitor, der dem Benutzer das Gefühl gibt, wirklich in der virtuellen Welt zu stehen. Egal ob er nach oben, unten, links oder rechts schaut oder sich um die eigene Achse dreht, das Bild vor Augen hört nie auf und regiert auf jede Kopfbewegung.
Nach einigen Augenblicken kann der Eindruck so echt sein, dass im Spiel Erlebtes zu körperlichen Reaktionen führt. Etwa wenn die virtuelle Achterbahn nach unten rast und gleichzeitig das Herz in die Hose (siehe unser Video). Oder wenn ein auf der virtuellen Guillotine Geköpfter tatsächlich zusammenzuckt, wenn das Fallbeil den imaginären Nacken trifft (noch mehr Reaktions-Videos im Kasten rechts).
Horror ohne Entkommen
Janina Woods, Sebastian Tobler und Dragica Kahlina entwickeln als Team WoToKah das Game « Black Island » für PC und die Oculus Rift. Der Spieler versucht nur mit einem Feuerzeug und Notizbuch um Gepäck auf einer unheimlichen Insel zu überleben. «Wir haben uns überlegt: Bei welchem Spiel will man am liebsten vom Monitor wegschauen? – bei einem Horror-Spiel. Und wir haben uns gefragt: Bei welchem Gerät kann man nicht vom Monitor wegschauen? - und das ist die Oculus Rift», beantwortet Janina Woods die Frage, warum sie ausgerechnet dieses Gerät gewählt haben.
Bei der Oculus Rift kann man nicht vom Bildschirm wegschauen. Selbst wenn man will.
Beim Entwickeln müssen sie Rücksicht nehmen auf die Besonderheiten der Brille, die für manchen schnell zum Brechmittel werden kann. Das hat damit zu tun, dass der Spieler sich in der virtuellen Welt zwar bewegt, in der echten Welt aber bloss auf der Couch sitzt. Schnelle Bewegungen sind tabu, der Blick des Spieler muss langsam geführt werden, um Kotzattacken zu verhindern.
Hardware braucht Software
«Black Island» soll am 31. Oktober – buhuuu, Halloween – erscheinen. Andere Game-Entwickler haben ebenfalls Spiele für die Oculus Rift angekündigt. Darunter grosse Namen wie die First-Person-Shooter «Half-Life 2» und «Doom 4» oder der Indie-Liebling «Minecraft».
Darüber freut sich auch Palmer Luckey. Der Virtual-Reality-Enthusiast sagt selbst, die Oculus Rift sei nur so gut, wie die Software, die darauf laufe. Darum will er die Brille erst verkaufen, wenn auch eine genug grosse Anzahl guter Games dafür auf dem Markt ist.
Virtuelle Welt, echte Blasen
Die Oculus Rift wurde zwar speziell für Gamer entwickelt, ihre Einsatzmöglichkeiten gehen aber weit über das Spielen hinaus. Das für die Brille adaptierte Google Street View etwa ist in der Benutzung zwar noch sehr eingeschränkt, zeigt aber, wohin die Reise gehen kann.
Und die virtuelle Stadtbesichtigung könnte bald zu echten Blasen an den Füssen führen: Das Kickstarter-Projekt von Omni suchte jüngst nach Geldgebern für die Produktion eines Laufbandes, mit dem man sich mühelos und natürlich in virtuellen Welten bewegen soll. Statt den gewünschten 150'000 Dollar kamen über eine Million zusammen. Die virtuelle Realität scheint also doch noch Realität zu werden - bye bye, Meatspace !