Seit Mittwoch Abend ist der Neuling in der Schweizer Medienlandschaft online. Im Gegensatz zu allen anderen News-Seiten hierzulande kann Watson dabei nicht auf eine bereits etablierte Marke setzen, sondern muss das Wortspiel mit dem Gehilfen von Sherlock Holmes erst bekannt machen.
Die neue News-Seite macht mit grossflächigen Kacheln und bildlastiger Gestaltung sofort klar, dass es sich hier nicht um eine «Zeitung im Internet» handelt – sondern um ein reinrassiges Online-Medium, klar ausgerichtet auf die Nutzung unterwegs per Smartphone.
Multimedial erzählte Geschichten
Formal versucht Watson umzusetzen, was im Moment als «State of the Art» für Web-Beiträge gilt: Die Texte sind mehrheitlich kurz, beginnen alle mit einem riesigen Bild und sind multimedial aufbereitet. Man findet eingebettete Videos oder Twitter-Nachrichten von Prominenten. Oder animierte GIFs , die in Endlosschlaufe beispielsweise den besten Moment eines Tennis-Matches zeigen oder die hochtrabenden Mottos des World Economic Forum illustrieren. Auch die aktuell modischen «Listicles» – Artikel in Form einer Liste – fehlen nicht.
Dazu ist das Teilen über soziale Netzwerke bei Watson immer nur einen Fingerdruck weit weg; mittels Kommentaren und Abstimmungen wird man versuchen, Interaktion und Leserbindung zu erzielen.
Chefredaktor Hansi Voigt beschreibt die Figur «Lina» als Repräsentation der Zielgruppe von Watson. Lina sei eine junge Frau um die 25, urban, mobil, gut vernetzt, vielleicht auch tätowiert. Entsprechend stark fokussiert die Seite auf mobile Nutzung.
Artikel und Kurzfutter, lose gruppiert
Die Seite ist sehr flach strukturiert und verlässt die bei Zeitungs-Websites übliche Gliederung in Ressorts. Stattdessen setzt man auf Tags, die Themen recht frei gruppieren.
Watson liefert nicht nur Nachrichten im engeren Sinn, sondern auch Fundstücke aus dem Internet, Kurzfutter für zwischendurch. Das muss kein direkter Widerspruch zum vielbeschworenend «Qualitätsjournalismus» sein: Internationale Vorbilder wie Buzzfeed oder Huffington Post machen vor, dass man diese Kategorien durchaus mischen kann, ohne das Publikum allzu sehr zu verwirren.
Gratis, mit Werbung
Watson ist gratis und finanziert sich über Werbung. Chefredkator Hansi Voigt, der von «20 Minuten Online» kommt, bringt hier Erfahrung mit. Und auch viel Personal: In dem Team mit etwas mehr als 50 Stellen (etwas über 40 davon arbeiten redaktionell) sind nicht wenige ehemalige Tamedia-Mitarbeiter. Dazu gibt es eine Kooperation mit «Spiegel Online», von dem Watson Beiträge übernehmen kann.
Watson hat etwa 20 Millionen Franken zur Verfügung, für die nächste drei, vier Jahre. AZ Medien ist einer der Investoren. Weil Watson keine Zeitung auf Papier drucken und verteilen muss, dürften die Kosten deutlich tiefer sein als bei den direkten Konkurrenten.
Dennoch lastet auf Watson ein hoher Druck: Nicht nur, weil die Schweizer Medienbranche gespannt auf das Team um Voigt schaut. Sondern auch, weil es genug harte Konkurrenz gibt. «20 Minuten Online» oder das neu lancierte Angebot von «Blick am Abend Online» sprechen ein ähnliches Publikum an. Zudem wird sich mit der bevorstehenden Lancierung einer deutschsprachigen Version von Buzzfeed ein ausländisches Produkt an dieselbe Zielgruppe richten. Entsprechend kurz ist das Zeitfenster für einen Erfolg von Watson.