Vor einer Woche hat das FBI die Plattform Silk Road ausgehoben, den wohl grössten Drogenumschlagplatz im Internet. Die Ermittler konnten in San Francisco nicht nur den mutmasslichen Betreiber der Seite festnehmen – einen 29-jährigen Physiker –, sie stellten auch grosse Mengen an Geld sicher: Rund 3,5 Millionen Dollar, die Kunden der Plattform treuhänderisch anvertraut hatten, um nach erfolgter Lieferung den jeweiligen Händler zu bezahlen.
Das FBI geht davon aus, dass die Silk-Road-Plattform seit ihrem Start im Februar 2011 vor allem mit Drogengeschäften gut 1,2 Milliarden Dollar umgesetzt hat. Der Betreiber der Seite habe sich seine Dienste gut bezahlen lassen. Seine Kommission soll je nach Geschäft zwischen 8 bis 15 Prozent des Verkaufspreises betragen haben. So sollen insgesamt 80 Millionen Dollar in die Kasse des 29-jährigen geflossen sein.
Ein Novum für die US-Behörden
Wie viel es wirklich ist, kann aber nicht einmal das FBI genau sagen: Das beschlagnahmte Geld stapelte sich nämlich nicht in Bündeln von 100-Dollar-Noten zur Decke, sondern existiert nur als Bitcoins – als virtuelle, Währung. Als solche lässt es sich in einem elektronischen Portemonnaie aufbewahren, mit starken kryptografischen Schlüsseln geschützt. Ohne die Kooperation des mutmasslichen Silk-Road-Betreibers – der bis jetzt abstreitet, etwas mit der Plattform zu tun gehabt zu haben – wird das FBI die Verschlüsselung kaum knacken können.
Doch selbst wenn den Behörden der Zugriff gelingt, ist nicht klar, was nach Prozessende mit den beschlagnahmten Bitcoins geschehen wird. Verantwortliche sprechen davon, dass die Situation ein Novum ist, denn für den Umgang mit digitalen Geldern existieren bei den US-Behörden noch keine Gesetze und Richtlinien.
Bitcoin-Transaktionen kann jeder einsehen
Schon buhlen neue Drogenseiten um die Kundschaft der Silk Road. Auch dort bleibt der Bitcoin die Leitwährung und das FBI wird entsprechende Mittel für anonyme Testkäufe brauchen (die es auch bei der Silk Road gab). Die beschlagnahmten Bitcoins lassen sich dazu aber nicht einsetzen: Weil bekannt ist, unter welcher «Adresse» das FBI seine Bitcoins lagert, kann ein Dealer leicht überprüfen, ob eine Zahlung vom FBI kommt. Aus dem Grund, dass sämtliche Bitcoin-Transaktionen in einem für jedermann einsehbaren Verzeichnis festgehalten werden. Denkbar schlechte Voraussetzungen für verdeckte Ermittlungen also.
Eine Möglichkeit, die beschlagnahmten Bitcoins zu Dollars zu machen, sind Tauschbörsen im Internet. Für die Liquidierung von Bitcoins im Wert von über 80 Millionen Dollar – schätzungsweise 5 Prozent aller Bitcoins im Umlauf – müssten die US-Behörden eine dieser Börsen zum offiziellen Vertragspartner machen. Das wird aber kaum geschehen, weil die nicht regulierten Handelsplattformen der US-Regierung schon länger ein Dorn im Auge sind.
Halten oder Verkaufen?
Bleibt der Weg, die Bitcoins zu versteigern , so wie es das FBI auch mit anderen beschlagnahmten Vermögenswerten wie etwa Luxusautos oder Schmuck tut. Doch auch hier gibt es Probleme, weil der Kurs des Bitcoins stark schwanken kann und nicht sicher ist, in welche Richtung sich die virtuelle Währung überhaupt entwickelt.
Im dümmsten Fall sitzen die Behörden nach Abschluss des Verfahrens nämlich auf einem Haufen wertloser elektronischer Münzen. Genau so gut ist aber möglich, dass die Bitcoins zunehmend an Wert gewinnen, so dass ein zu früher Verkauf ein schlechtes Geschäft wäre.
99,9 Prozent aller Drogengeschäfte ohne Bitcoins
Als bekannt wurde, dass die Silk-Road-Plattform dichtgemacht wurde, brach der Kurs des Bitcoins kurz um gut 15 Prozent ein. Danach erholte er sich rasch und kehrte zum alten Wert zurück. Man kann das als positives Zeichen für die Zukunft der Währung sehen, deren Benutzer an einen Nutzen jenseits von Drogengeschäften und anderer illegaler Machenschaften glauben.
Tatsächlich muss das Image vom Bitcoin als Verbrecherwährung relativiert werden. Mit einem Jahresumsatz von schätzungsweise 500 Millionen Dollar erzielte die Silk Road nur gut 1 Promille der Umsätze des internationalen Drogenhandels. Anders ausgedrückt: 99,9 Prozent aller Drogengeschäfte werden ohne Hilfe der elektronischen Währung abgewickelt, in den meisten Fällen wohl mit Dollarscheinen.