Es war die grosse Show von Craig Federighi an der diesjährigen Eröffnungspräsentation ( hier nachschauen ) der «World Wide Developers Conference» (WWDC) von Apple in San Francisco. Der «Senior Vice President of Software Engineering» hatte mit Abstand die meiste Zeit auf der Bühne.
Comedy-Craig
Federighi war locker, trug wie Chef Tim Cook ein Hemd mit offenem Kragen und streute breit grinsend immer wieder einstudierte Witzchen ein, die im Publikum allerdings eher auf die Nase fielen. Auch sein grau leuchtender, beeindruckend schwungvoller Scheitel war ihm als Ziel einer Comedy-Einlage nicht zu schade.
Ihr wahres Gesicht zeigte die Keynote allerdings erst im letzten Teil, als die gewohnt blitzblanken («super duper easy!», «that is a gorgeous trash can!») Produktevorstellungen durch waren.
Craig Federighi fragte die Entwickler im Publikum, ob sie sich die Programmiersprache «Objective C» ohne das C darin vorstellen könnten. Ein erwartungsvolles Raunen ging durch die Reihen. Als Federighi seine rhetorische Pause ausgekostet hatte und verkündete, genau das getan zu haben und eine neue Programmiersprache namens Swift zu lancieren, waren die Ohs und Ahs lauter als bei allem in den eineinhalb Stunden zuvor.
Auf der Bühne coden
Um diesen Fokus auf die Entwickler zu unterstreichen, holte Federighi Chris Lattner auf die Bühne, der Apples Abteilung für Entwickler-Werkzeuge leitet. Lattner schrieb live Swift-Code, um die Fähigkeiten der neuen Programmiersprache zu demonstrieren. Ich kann mich nicht erinnern, wann an einer WWDC-Keynote das letzte Mal Code auf der Bühne zu sehen war.
Swift erinnert nach diesem ersten Einblick an einfachere Skriptsprachen. Das wird die Eintrittsschwelle gerade für neue Entwickler weiter senken und damit Apples Ökosystem vergrössern.
Fassade polieren: OS X Yosemite und iOS 8
Aus der Sicht der Konsumenten polierte Apple vor allem die Fassade ihrer Betriebssysteme, das Desktop-Betriebssystem «OS X Yosemite» und iOS 8. Beide erscheinen im Herbst.
Mit vielen kleinen, fast selbstverständlich erscheinenden Verbesserungen will Apple den eigenen Anspruch und Hauptverkaufsargument erfüllen, Plattformen, Geräte und Dienste besser miteinander zu verschränken als die Konkurrenz. Das ist viel Arbeit im Hintergrund, die nach aussen wenig sichtbar oder spektakulär ist.
Doch wichtiger als diese Fassadenpolitur sind Neuerungen unter der Haube. Tim Cook verkündete zu Beginn der Keynote stolz, dass 9 Millionen registrierte Entwickler Software für Apple-Geräte schreiben. Und für diese Entwickler gab es, was sie seit langem fordern.
App Store: Dringend notwendige Sichtbarkeit
Apple will die Suche und Navigation im App Store anpassen. Das ist dringend notwendig: Bei 1,2 Millionen Apps ist das Angebot schlicht nicht mehr zu überblicken. Die Entscheidung um Top oder Flop ist Sichtbarkeit: Finden potenzielle Kunden eine App überhaupt? Hier will Apple nachbessern mit «top trending searches» oder «related searches», einem «editor's choice», oder der Möglichkeit, mehrere Apps gebündelt und verbilligt anzubieten.
«Extensibility»: Apps sprechen mit Apps
Ebenfalls lange gewünscht wurde die neue Möglichkeit, Apps mit anderen Apps sprechen zu lassen. Bisher wird das vom Sicherheits-Modell von iOS verhindert, das Apps voreinander abschirmt. Neu wird unter dem Stichwort «Extensibility» ein beschränkter, streng kontrollierter Zugriff möglich. In der Praxis eröffnet das vieles, beispielsweise könnten die Filter einer Foto-App dann auch in anderen Apps angewendet werden.
Apple hat dazu ausserdem mehrere neue Programmier-Schnittstellen vorgestellt. Gleich drei davon zielen auf Bereiche, die im Moment einen Boom erleben: Gesundheit, Heimautomation und Bezahlsysteme.
«Healthkit»: Gesundheitsdaten zentral verwalten
Mit «Healthkit» und der zugehörigen App «Health» bietet Apple ab iOS 8 die Möglichkeit, Gesundheitsdaten wie Gewicht, Puls, oder Blutdruck zentral in einer App zu verwalten. Armbänder und andere Sensoren, die Körperdaten erfassen, erleben einen Boom, das stetige Vermessen des eigenen Körpers ist einer der wichtigsten aktuellen Trends. Apple will nun die Daten von Geräten unterschiedlicher Hersteller an einem Ort zentral verbinden.
Es ist plausibel, dass auch die schon seit längerem erwartete Smart Watch von Apple solche Körperdaten erfassen und in «Health» ablegen wird. Eine Präsentation dieser Uhr zusammen mit der Vorstellung von «Healthkit» wäre durchaus denkbar gewesen. Doch dafür ist Apple anscheinend noch nicht bereit.
«Homekit»: Claim abgesteckt bei der Heimautomation
Auch in den Bereich der Heimautomation wagt sich Apple vor. Konkurrent Google hat mit dem Kauf der Thermostat- und Rauchmelder-Firma Nest bereits einen Claim abgesteckt. Nun bietet Apple mit der Programmierschnittstelle «Homekit» eine Möglichkeit für Entwickler, Apps für Geräte wie Türschlösser, Lichtschalter, Thermostate oder Kameras zu schreiben, die alle zentral verwaltet werden können.
«Touch ID» für Bezahlsysteme
Und schliesslich öffnet Apple über die Schnittstelle «Touch ID API» den Zugriff auf den Fingerabdruck-Sensor im iPhone 5s. Das wird Entwicklern ermöglichen, die Identifikation per Fingerabdruck in verschiedenen Bezahlsystemen einzubauen. Und könnte Apple einen Vorteil verschaffen, wenn es darum geht, ob und wie wir in Zukunft mit dem Smartphone bezahlen.
In der Keynote wurden diese Schnittstellen ohne viel Aufheben präsentiert. Doch sie positionieren Apple in gleich drei der wichtigsten aktuellen Technologie-Wettrennen. Weil Apple bis heute 800 Millionen iOS-Geräte verkauft hat und 90% der Kunden diese Geräte innert weniger Monate auf das neueste System aktualisieren, kann Apple eine zentrale Stellung einnehmen, um welche die Konkurrenz sie beneiden muss.