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Digital am Sonntag Digital am Sonntag, Nr. 44: Wie ich lernte, 00000000 zu lieben

Am Wochenende hat man Zeit zum Lesen. Deshalb stellen wir hier jeden Freitag die Artikel zu Digital-Themen zusammen, die wir lesenswert finden.

Supersichere Atomraketen

Von Computersicherheit haben wir ja oft ein seltsames, von Fiktion geprägtes Bild. So ist wohl das sicherste, was wir uns vorstellen können, die Abschussvorrichtung einer Atomrakete. Die kennen wir aus unzähligen Thrillern des Kalten Krieges: Generäle, die lange Zahlencodes in ans Handgelenk geketteten Koffern herumtragen; bei Zutritt werden Hände oder Iris gescannt, Stimmen erkannt, man trägt Schlüssel um den Hals; mehrere Personen drehen gleichzeitig im gleichen Raum Schlüssel um oder tippen Codes ein.

Die Realität ist eine andere: Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges waren die «Minuteman»-Raketen mit dem folgenden Passwort gesichert: «00000000».

Das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen. Schlechte Passwörter wie «123456» sind nicht nur die mickrige, aber beliebte Hürde vor unseren Internet-Accounts – sondern sollen auch den unauthorisierten Abschuss einer Rakete mit nuklearem Sprengkopf verhindern.

Daran erinnert Karl Smallwood auf der Website «Today I Found Out». Wenn sich mal die Rückenhaare wieder etwas gelegt haben, wird ein Schulbeispiel sichtbar: Sicherheit gibt es nie, ohne einen Preis zu bezahlen. Und der war den Militärs zu hoch.

Denn die Kennedy-Administration wollte zwar die Raketen absichern, um zentral im Weissen Haus die volle Kontrolle über deren Abschuss zu haben. Und liess daher Sicherungssysteme installieren, inklusive Passwort. Doch das Strategic Air Command hatte ein anderes Ziel: in der Lage sein, die Raketen so schnell wie möglich abzuschiessen. Ein kompliziertes Passwort wäre eine Quelle von Verzögerungen und Fehlern gewesen. So liessen die Generäle, kaum war das Sicherheitssystem installiert, das Passwort bei allen Raketen auf «00000000» setzen.

This ensured that there was no need to wait for Presidential confirmation that would have just wasted valuable Russian nuking time. […H]aving a bunch of nuclear missiles sitting around un-launchable because nobody had the code was seen as a greater risk by the military brass than a few soldiers simply deciding to launch the missiles without proper authorization.

Entwicklungshilfe radikal neu gedacht

Jon Evans präsentiert im Tech-Blog Techcrunch einen radikalen Vorschlag: Er will Entwicklungshilfe (nicht Katastrophenhilfe) radikal verändern. Oder, wie er es formuliert: «Let's Kill The Aid Industry».

Das Argument in Kürze: Entwicklungshilfe ist aufgebläht, bürokratisch und oft wirkungslos – der Apparat verschlingt einen grossen Teil des Geldes, das dann nicht zu den Bedürftigen gelangt. Besser wäre es, direkt an diese Geld zu geben.

Die Rechnung ist einfach: 120 Milliarden Dollar gibt die Welt jährlich aus für Entwicklungshilfe. Schickten wir dieses Geld verlustfrei an die zwei Milliarden Menschen, die weniger als zwei Dollar pro Tag verdienen, würde das sofort einen gewaltigen Unterschied machen.

Kritik an der Entwicklungshilfe ist nicht neu. Was neu ist: Die Alternative – Bargeld direkt schicken – ist nicht mehr utopisch. Denn die Technologie dafür steht bereit: Handys und Mobile Banking. Als Beispiel nennt Evans Mobile-Banking-Systeme wie das kenianische M-Pesa.

In many places the tools are already in place. All you'd really need, technically, is a mobile banking network […] combined with an international payment processor […]. All we really need to do is follow mobile phones as they metastasize around the world into the hands of even the poorest people.

Eine Liste über Listen

Ein «Listicle» ist ein «Article», der aus einer Liste besteht. Ihr kennt die Form: Gerade das Internet hat sie überwuchert. Steven Poole erklärt im Guardian, warum diese Listen-Artikel so beliebt sind, natürlich in Form einer Liste.

Erfunden hat die Form aber nicht etwa das Klick-hungrige Internet; denn verführerisch ist sie, weil sie einfach zu lesen und zu schreiben ist:

The listicle is seductive because it promises upfront to condense any subject into a manageable number of discrete facts […]. Listicles are thus perfect for skimming at bus stops. […] A listicle is much easier to write than a regular article. I just have to think of each bit, and am blessedly free of the obligations to a) arrange them in a convincing sequence and b) deploy all the logical glue that sticks them together.

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