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Games «Barcraft»: Geht ein Starcraft in eine Bar

In einer Bar eine Sport-Übertragung schauen – was bei Fussball selbstverständlich ist, geht auch mit dem Game «Starcraft».

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Barcraft Nr. 10 in Zürich (SRF 3)
06:36 min
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 36 Sekunden.

Es nieselt an diesem kalten Samstagabend in Zürich, man möchte sich nicht draussen aufhalten. Doch man kann sich nicht immer auf dem Sofa verkriechen; ein Sportfan geht deshalb in eine Bar, um etwas unter die Leute zu kommen und eine spannende Live-Übertragung zu schauen.

Die Bar ist an diesem Abend ein Internet-Café im Zürcher Langstrassenquartier. Und auf den Bildschirmen flimmert weder Formel 1 noch Tennis oder Fussball. Sondern «Starcraft». Das Ereignis nennt sich «Barcraft», eine Idee aus den USA, die in Zürich an diesem Wochenende zum zehnten Mal stattfand.

Den Besten zuschauen

Gezeigt wird der Live-Stream der «Dreamhack Open» aus Stockholm. Die Dreamhack ist eine der grössten LAN-Parties (siehe Artikel dazu) der Welt; die Open-Turniere vom gleichen Veranstalter sind eine jährliche Turnierserie, die nach Stationen in Bukarest und Sofia ihren Abschluss im grossen Finale im Winter in Schweden findet. In Stockholm sind insgesamt 25'000 Franken Preisgelder zu holen, die Gewinner qualifizieren sich ausserdem für das Finalturnier. Es nehmen deshalb die besten «Starcraft»-Spieler der Welt teil.

Südkorea ist als das Herkunftsland der meisten professionellen «Starcraft»-Spieler übermächtig vertreten mit HerO, Jaedong oder Leenock, die alle die Viertelfinals erreichen. Doch auch die Schweden haben mit NaNiwa einen Lokalmatador im Rennen. Als der einzige «Foreigner» (so werden in der «Starcraft»-Szene alle Nicht-Koreaner genannt), der das Halbfinal erreicht, ist er sich der Unterstützung des Publikums in Stockholm sicher.

Auch in der Bar in Zürich drückt eine hörbare Mehrheit dem Underdog aus Schweden die Daumen. An der Theke verdrängen die «Starcraft»-Fans die üblichen Langstrasse-Stammkunden. Die meisten hier spielen selber und sind gekommen, um die Besten des Fachs zu bewundern: hohes Tempo, taktische Raffinesse, überraschende Wendungen.

Hochgeschwindigkeits-Schach

«Starcraft» ist ein Echtzeit-Strategiespiel. Die Spieler bauen Mineralien ab, stellen damit verschiedene Einheiten her und greifen mit diesen den Gegner an. Die eigene Basis verteidigen und gleichzeitig den Gegner angreifen, auf seine Strategie reagieren, die Finten durchschauen, gleichzeitig die Karte auskundschaften und merken, wenn sich etwas fies von hinten anschleicht – gute «Starcraft»-Spieler haben ihre Augen immer überall. Einen Anhaltspunkt für die verlangten Multitasking-Fähigkeiten gibt ihr «APM» («Actions per Minute»): Professionelle Spieler erreichen Werte über 300 – wenn die besten über sich hinauswachsen, können sie gar 1000 (!) APM erreichen.

Entsprechend anspruchsvoll ist es für die Zuschauer, dem Geschehen auf dem Bildschirm zu folgen. Eine Begegnung dauert ungefähr eine Stunde; es wird Best-of-Three gespielt (im Final Best-of-Five); eine einzelne Runde kann schon nach fünf Minuten entschieden sein oder sich über eine halbe Stunde hinziehen, je nach Strategie der Spieler. Wenn einer nach einem Fehlschlag erkennen muss, dass er keine Chance mehr hat, bricht er ab und gratuliert seinem Gegner mit «GG» («good game») – Spiele werden also meist recht abrupt abgebrochen.

Profisport

Die Übertragung wird von zwei ehemaligen Profispielern kommentiert (sog. «Caster»); die beiden unterhalten nicht nur, sondern liefern laufend messerscharfe Analysen des Spielverlaufs. Ohne sie wären wohl nicht nur Neulinge aufgeschmissen. Überhaupt ist die Qualität der Produktion beeindruckend. Eine Match-Regie achtet darauf, dass wir Zuschauer immer die entscheidende Stelle des Schlachtfeldes im Blick haben; die Spieler werden in schalldicht abgeriegelten Kabinen in Szene gesetzt; Reporter und Moderatoren unterhalten das Publikum im Saal und vor den Bildschirmen zwischen den Begegnungen. Und das zahlt sich aus: Den Stream auf dreamhack.tv schauten über 100'000 Personen.

Das fachkundige Publikum in der Bar nimmt die übliche Dominanz der Südkoreaner (sechs von acht Viertelfinalisten) mit eher stiller Bewunderung zur Kenntnis. Doch bei den Matches des Schweden NaNiwa kommt in der Bar Stimmung auf. Er erreicht den Final gegen den gerade erst 18jährigen Shootingstar Leenock. Als der mit 2:1 in Führung geht, sieht NaNiwa gebrochen aus, den Tränen nahe. Dass er darauf noch einmal herankommt und zum 2:2 ausgleichen kann, wird in der Bar bejubelt. In einer von Vorsicht geprägten Entscheidungsrunde lässt ihm dann Leenock allerdings keine Chance mehr und gewinnt das Turnier.

Im Gegensatz zum Fussball wächst hierzulande niemand mit «Starcraft» auf. Entsprechend hoch ist die Schwelle, überhaupt zu verstehen, was auf dem Bildschirm abgeht. Doch die «Barcraft»-Teilnehmer sind gesprächig und erklären mir bereitwillig, was die Anzeigen bedeuten und wer gerade welche Strategie ausprobiert. Das ist das Ziel der «Barcraft»-Idee: Nicht nur einen Treffpunkt für die Szene zu sein, sondern auch den Sport in die Breite zu tragen. In Korea ist das gelungen; in der Schweiz ist man zumindest an diesem Abend in Zürich noch ein gutes Stück davon entfernt.

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