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Virtual Reality Oculus Quest: endlich kabelfrei

Die neue VR-Brille von Oculus will VR massentauglich machen. Das könnte gelingen – doch es gibt Stolpersteine.

Das hat uns gefallen:

  • Keine umständliche Installation, Games sind in Minutenschnelle spielbar
  • Keine zusätzliche Hardware nötig
  • Spielen ist überall möglich, nicht nur in der Nähe des Computers
  • Inside-Out Tracking funktioniert zuverlässig
  • Spielfelder sind schnell und einfach eingerichtet
  • Gute Batterielaufzeit

Das hat uns nicht gefallen:

  • OLED-Bildschirm lässt zu wünschen übrig, «Fliegengitter» ist sichtbar
  • Brille ist recht schwer und nach längerem Spielen unbequem
  • Auswahl an Games ist im Vergleich zur Oculus Rift deutlich kleiner
  • Selbst das billigere Modell ist mit 480 Franken noch sehr teuer

Virtual-Reality-Brillen sind bis heute nicht im Massenmarkt angekommen. Selbst unter Gamern – der wohl wichtigste Zielgruppe – konnten sich die Geräte nicht durchsetzen. Zu leistungsschwach sind die einfacheren Modelle, zu teuer die der Oberklasse. Vieles, was die Virtual Reality verspricht, ist bislang ein uneingelöstes Versprechen geblieben.

Eine Oculus-Quest-Brille steht zwischen zwei Oculus-Quest-Controllern.
Legende: Auf den ersten Blick sieht die Oculus Quest ihrer grossen Schwester, der Oculus Rift, zum verwechseln ähnlich. Auch die Controller unterscheiden sich äusserlich kaum von ihren Vorgängern. Reuters

Kommt dazu, dass der Aufbau eines High-End-Virtual-Reality-Systems kompliziert ist: Brillen wie die HTC Vive, Oculus Rift oder Playstation VR müssen mit vielen Kabeln an den Computer angeschlossen werden – immer verbunden mit dem Risiko, dass der PC die Brille oder die dazugehörenden Controller nicht erkennt.

Anschliessend müssen Sensoren im Raum aufgestellt werden – in der Hoffnung, dass sie wiederum Brille und Controller erkennen. Soll die Installation nicht dauerhaft eingerichtet bleiben (und Wohnraum besetzten), muss sie nach jedem virtuellen Ausflug abgebaut und später wieder aufgebaut werden.

Zwar gab es schon vor der Oculus Quest Geräte, die ganz kabellos funktionierten. Doch dort mussten Abstriche beim Raum-Erlebnis gemacht werden: Sie erfassten höchstens die Bewegung unseres Kopfes, nicht aber die des ganzen Körpers und der Hände im Raum. Beides ein wichtiger Faktor für die grösstmögliche Immersion in die virtuelle Realität.

Ein PC ist nicht mehr nötig

Die Oculus Quest schafft es nun zum ersten Mal, beides zu vereinen: Sie ist vollkommen kabellos, sieht aber trotzdem, wie wir im Raum umhergehen und die Controller bewegen. Vier in die Brille eingebaute Kameras machen das möglich, sie vermessen ständig den Raum und unsere Position – «Inside-Out Tracking» nennt Oculus dieses System.

In unserem Test funktionierte das mindestens so zuverlässig als bei Brillen mit externen Sensoren. Einzig wenn eine Hand ausserhalb des Kamerabereichs wandert, kann der Kontakt zum Controller kurz verloren gehen. Doch solche Probleme halten sich dank Gyroskop am Controller und Vorhersage-Algorithmen in engen Grenzen.

Insgesamt sind die Vorteile der kabellosen Einrichtung nicht zu unterschätzen: Die Brille ist viel einfacher und schneller eingerichtet als vergleichbare Geräte – vom Auspacken bis zum ersten Spielen vergehen weniger als 10 Minuten.

Wir stolpern auch nicht mehr ständig über Kabel und sind nicht gezwungen, in unmittelbarer Nähe des PCs zu spielen. Leute, bei denen der Computer in einem kleinen Kämmerchen steht, wird das besonders freuen.

Das Setup der Quest geschieht über das Smartphone. Danach können wir Games per WLAN direkt auf die Brille laden. Nur zum Aufladen müssen wir noch ein (USB-C-)Kabel anschliessen. Oculus beziffert die Laufzeit der Batterie beim Spielen auf etwa zwei Stunden. Das scheint eher konservativ geschätzt, bei unseren Tests hielt sie jeweils fast eine Stunde länger durch. Wer vergessen hat, seine Brille nach dem Gamen wieder aufzuladen, kann auch spielen, während sie am Stromkabel hängt.

Sogar das Einrichten macht Spass

Dank Inside-Out Tracking ist das Einrichten der Spielzone kinderleicht – und macht sogar Spass: Die Begrenzungslinien zeichnen wir einfach mit den Controllern auf den Boden. Das Spielfeld sollte mindestens 2 mal 2 Meter gross sein, das Maximum liegt bei etwa 10 mal 10 Metern. Insgesamt kann die Quest fünf verschiedene Spielfelder speichern und beim Start automatisch erkennen.

Ist die Spielzone festgelegt, sehen wir ein Gittermuster eingeblendet, sobald wir den Rand berühren. Strecken wir den Kopf durch die Begrenzung, wechselt die Brille blitzschnell zum Bild der Kamera und zeigt uns die Aussenwelt – sehr praktisch, um Stolperer oder Schienbein-Prellungen zu vermeiden.

Optisch gleicht die Quest der Oculus Rift, ist aber 100 Gramm schwerer – 100 Gramm, die wir schon nach kurzer Spielzeit deutlich gespürt haben. Und gesehen: Nach dem Gamen hinterliessen die Druckstellen rote Linien auf unserem Gesicht. Sonderlich bequem ist das Headset also nicht, dafür immerhin so eingerichtet, dass Weitsichtige auch mit Brille auf der Nase spielen können.

Im Gegensatz zur Oculus Rift hören wir den Ton der Quest nicht über einen Kopfhörer, sondern aus kleinen Lautsprechern. Wer will, kann eigene Kopfhörer anschliessen, um seine Umwelt nicht mit Spielgeräuschen zu stören. Die Lautsprecher haben den Vorteil, dass sie uns weniger von der Aussenwelt abkapseln.

Grafik lässt zu Wünschen übrig

Die Quest hat nicht nur Vorteile: Im Vergleich zu Premium-Modellen wie der Oculus Rift oder HTC Vive müssen wir bei der Leistung der Brille Abstriche machen. Statt von einem leistungsstarken PC wird sie lediglich von einem Snapdragon 835 angetrieben – ein Chip von 2017, der auch in Samsungs Galaxy-S8-Smartphone verbaut ist.

Marc Zuckerberg steht anlässlich einer Präsentation der Oculus Quest auf einer Bühne.
Legende: Marc Zuckerberg – zu dessen Facebook-Gruppe auch die VR-Firma Oculus gehört – bei einer Präsentation der Oculus Quest. Zum Start stehen etwas über 50 Games für die Virtual-Reality-Brille parat. imago images

Der OLED-Bildschirm hat mit 1440 mal 1600 Pixeln pro Auge zwar eine bessere Auflösung als das erste Modell der Oculus Rift (1080 mal 1200 Pixel). Von einem realistischen Bild ist er aber noch weit entfernt. So ist das «Fliegengitter» immer noch gut zu erkennen, das die einzelnen Pixel voneinander trennt.

Dass die Quest hinter den mit dem PC verbundenen Modellen zurücksteht, wird nicht zuletzt an der Auswahl der Games deutlich: Mit «Beat Saber», «Superhot VR», «The Climb» oder «Robo Recall» stehen zwar einige attraktive Titel zur Verfügung, zum Teil kommen sie aber in grafisch abgespeckten Versionen daher.

Etwas mehr als 50 Games können im Oculus-Store heruntergeladen werden. Rechenintensive Titel mit höheren Ansprüchen an die Grafik sucht man darunter vergebens. Das wird wohl auch in Zukunft so bleiben.

Warten auf die zweite VR-Generation?

Das alles wird kaum reichen, anspruchsvolle Gamer von der Oculus Quest zu überzeugen. Doch in der breiten Masse lassen sich damit wohl schon neue Käufer finden. Denn dort ist Virtual Reality wie eingangs erwähnt noch nicht angekommen.

Oculus geht mit der Quest also einen ähnlichen Weg wie Nintendo mit der Switch-Konsole: Kein hochgezüchtetes Gerät für Hardcore-Gamer, sondern ein einfach zu bedienendes VR-System mit einer breiten Auswahl von unterhaltsamen Titeln.

Die Virtual-Reality-Brille für ein Massenpublikum also, das trotz unterlegener Grafik und langsamerem Prozessor gerne zur Quest grreift, weil dem Spielspass dort viel weniger im Weg steht als bei einem Gerät, das erst mühsam mit Computer und Sensoren verbunden werden muss. Die Quest könnte also durchaus das Potenzial haben, Virtual Reality massentauglich zu machen.

Der Preis wiederum setzt hinter diese Hoffnung ein grosses Fragezeichen: Selbst das billigere Modell mit 64 GB Speicherplatz (allein 10 GB davon werden für die Oculus-Systemsoftware gebraucht) ist mit rund 480 Franken weit von einem Impulskauf entfernt.

Oculus gibt an, mit der Quest und der Rift S (der Weiterentwicklung der kabelgebundenen Rift, die zeitgleich mit der Quest auf den Markt kam) die erste Generation seiner VR-Brillen abgeschlossen zu haben. Viele werden deshalb lieber warten, was die zweite Generation bringt, statt jetzt schon viel Geld für ein Gerät auszugeben, das in absehbarer Zeit überholt sein könnte.

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