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Sängerin von Skunk Anansie
Legende: Skin von Skunk Anansie: Finger in die Wunde Lionel Flusin

Live am Paléo 2025 Skunk Anansie: Rampensau mit Haltung

Zwischen Nostalgie und Neuanfang: Das Londoner Rock-Quartett feiert sein 30-jähriges Bestehen und eröffnet beim Paléo die grosse Bühne mit viel Intensität.

Paléo, Tag 1, Vorabend, die Festivalkundschaft trifft langsam ein, Schattenplätze sind begehrt. Ein heisses Sommerlüftchen weht über das Gelände.

Und dann brettert es um 18:30 Uhr auf der Hauptbühne los. «Charlie Big Potato» erklingt, eine düstere, kantige und rohe Rocknummer. Bäm. Skunk Anansie sind da. Und wie.

Bereits im ersten Song läuft Frontfrau Skin zur Höchstform auf, singt und schreit sich die Seele aus dem Leib und haut den Mikrofonständer auf den Bühnenboden.

Frontfau Skin von Skunk Anansie
Legende: Naturgewalt und Rampensau: Skin in Nyon SRF/Lionel Flusin

Der Konzerteinstieg von Skunk Anansie beim Paléo Festival ist fulminant. Trotz der frühen Spielzeit ist die Wiese vor der Bühne voll. Das Publikum muss erst noch etwas in die Gänge kommen, das tut es aber rasch.

Denn wenn man einer nicht erklären muss, wie man Leute in Stimmung versetzt, dann Deborah Anne Dyer alias Skin. Die 58-Jährige ist eine charismatische Naturgewalt.

«Clit-Rock»

Das Londoner Quartett Skunk Anansie tat sich 1994 zusammen. Es war das Jahrzehnt des Britpops, doch anstatt sich klanglicher Nostalgie hinzugeben, orientierten sich Skunk Anansie an Hardrock und Punk.

«Clit-Rock» nannte Frontfrau Skin einst den eigenen Musikstil ironisch und spielte damit auf den Umstand an, dass sie als schwarze, queere Frau mit rasiertem Kopf in der Rockszene wie ein Alien gewirkt haben muss.

Die Sängerin von Skunk Anansie
Legende: Alien in der weissen männlichen Rockszene: Skin SRF/Lionel Flusin

Seitdem ist sie zur Ikone der Queer-Community und zum Vorbild für mehrere Generationen geworden. Beim Konzert hält jemand ein Schild in die Höhe: «My mum said, she would be gay for you» (Meine Mutter hat gesagt, sie würde lesbisch werden für dich.)

Stimmgewaltig

Am Paléo Festival feiern Skunk Anansie ihr 30-jähriges Bestehen mit einem Set, das zwischen Nostalgie und Neuanfang pendelte. Mit Klassikern aus den 90ern wie «Hedonism» und der Empowerment-Hymne «Weak» haben sie das Publikum im Sack.

Frontfrau Skin strotzt vor Kraft und Energie, steht kaum einen Moment still, hüpft und tanzt über die ganze Bühne, begibt sich ins Publikum und lässt sich von diesem auf Händen tragen.

Trotz der körperlichen Anstrengung trifft sie jeden Ton. Es gibt wenig Sängerinnen, deren Stimme derart wandelbar ist. Skin lotet vom zartem Flüstern bis explosivem Schreien jede Facette aus.

Nicht kategorisierbar

Mit ihren ersten drei Alben feierten Skunk Anansie in den 90er-Jahren in Europa grosse Erfolge. 2001 kam die Trennung, die Bandmitglieder wollten sich damals auf ihre Solo-Projekte konzentrieren. 2009 folgte die Reunion und vier weitere Alben.

Die klassischen 90er-Jahre-Crossover-Riffs wirken mittlerweile etwas aus der Zeit gefallen. Highlight des Konzertes ist nicht die Vergangenheit, sondern «Animal», ein Song des neuen Albums «The Painful Truth» (2025). Darauf erklingen vermehrt Synthesizer und elektronische Beats.

Pfeifen auf Genre-Kisten

Skunk Anansie haben sich nie in eine Genre-Schublade stecken lassen und genau das macht den Charme dieser Band aus.

Sängerin Skin von Skunk Anansie
Legende: Paleeeeeo! SRF/Lionel Flusin

Gleichzeitig zeigt Skunk Anansie beim Paléo Festival, dass sie auch nach 30 Bandjahren nicht altersmilde geworden ist, sondern immer noch gerne mit gesellschaftskritischen Texten den Finger in die Wunde legt. So endet der Konzertabend mit «Little Baby Swastika», also mit einem Song, der kritisiert, dass bereits Kinder mit Rassismus, Hass und Vorurteile konfrontiert werden.

Gisela Feuz

SRF-Musikredaktorin

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Gisela Feuz hat schon in der Wiege gerne geheadbangt. Heute arbeitet sie als Musik- und Gesellschaftsredaktorin für SRF 3 und SRF2 Kultur und mag laute und brachiale, aber auch leise und vertrackte Musik.

Das Quartett, allen voran Sängerin Skin, trat mit einer Intensität auf, die unter die Haut ging. Und das trotz der frühen Spielzeit. Chapeau.

Radio SRF 3, 23.7.2025, 00:00 Uhr

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