Ich sage: Nemo wird ein richtig grosser Popstar! Und wer jetzt sagt, dass er das schon sei – dem sage ich: Nein. Wir haben erst eine kleine Scheibe von Nemos Potenzial gesehen. In ein paar Jahren wird der Bieler seine Hits von heute an seinen Konzerten höchstens noch in einem Nostalgie-Medley spielen. So wie die Fantastischen Vier Songs wie «Die da» an ihren Shows nur noch anspielen oder einflechten.
Wie wird der neue Nemo?
«Du wirst als Rapper keine lange Karriere machen», sagte ich zu Nemo vor zwei Jahren auf dem Berner Gurten und fügte an: «Aber als erfolgreicher und kompletter Pop-Musiker.» Daran muss ich oft denken, wenn ich Nemos Karriere beobachte. Der Bieler baut fleissig an seiner musikalischen Identität. Die Band wuchs, die Songs werden konkreter, die Stimme sicherer, der Ausdruck stärker. Songs wie «5i uf de Uhr» oder «Girl us mire City» deuten an, wohin die Reise geht: Zum perfekten Popsong mit einem Nemo, der singt. Mit viel Soul und Groove. Mit grosser Kraft und ohne Angst vor Luft in den Songs. Und mit beeindruckendem Mut zu fragilen Passagen. Wer sowas mit 20 hinkriegt, ist mit 25 ein ganz Grosser.
Von wegen herziger, kleiner Nemo
Herr Mettler ist ein Schlitzohr. Das ist unbestritten. Wer aber denkt, dass hier einfach ein bisschen jugendlicher Charme gepaart mit viel Talent zu einem kleinen Phänomen herangewachsen ist, hat sich geschnitten. Nemo suchte die Bühne und die Öffentlichkeit schon sehr früh und zielstrebig. Drei Jahre vor seinem legendären Auftritt beim Virus Bounce Cypher , der seine Karriere ins Rollen brachte, spielte Nemo im Musical «Ich war noch niemals in New York» mit. Da war Nemo 13. Und das waren nicht seine ersten Schritte auf der Bühne.
Was hat Nemo, was andere nicht haben?
Abgesehen von der Energie und dem Ehrgeiz, seinen Marathon im Sprint zu laufen, hat Nemo eine Vision. Er ist lernwillig, fleissig, neugierig und selbstkritisch. Durch seine Mentoren (Dodo, Lo & Leduc usw.) erweitert Nemo seine Welt – verliert dabei aber nicht seinen Weg. Eigentlich ist er ein Streber. Aber ein guter. Einer, der nicht über Leichen geht. Und einer, der bei seinen Höhenflügen die Bodenhaftung nicht verliert und dadurch tatsächlich die Chance hat, eines Tages sein ganzes Potenzial auszuschöpfen.
Ausserdem hat Nemo ein paar gottgegebene bzw. vererbte Eigenschaften, die ihm entgegenkommen. Dazu gehört sein Charaktergesicht, seine Fähigkeit Platz einzunehmen, ohne sich dabei wichtig zu fühlen und sein durchaus attraktiver Sprachfehler.
Wenn ein Sprachfehler die Marke stärkt
In Songs wie «Du», «Ke Bock» oder «Usserirdisch» ist Nemos kleine Marotte besonders gut hörbar. Nemo lispelt da und dort und von einem «sch» bleibt hin und wieder nur das «s» übrig.
Ist sich Nemo bewusst, dass ihn das einzigartig macht und ein starkes Markenzeichen ist? Im SRF 3-Interview am Heitere Openair reagiert Nemo so:
Das wird mir jetzt gerade bewusst. Bei einem Song von The Weeknd geht es mir genauso, wie wohl den Leuten bei ein paar von meinen Songs, wenn gewisse Wörter komisch ausgesprochen werden.
Für mich ist klar: Die falsch klingende Aussprache stärkt den Charakter des Künstlers. Sowas macht attraktiv, einzigartig und unverkennbar. Ähnlich wie Madonnas Muttermal.
Büne Huber macht sich Gedanken
Nemo vertraut nicht einfach auf sein Talent und seine Persönlichkeit. Er arbeitet unglaublich hart und trotz seiner einjährigen Pause wirkt es, als sei der Musiker rastlos. «In der heutigen Marktsituation müssen Künstler immer im Rennen sein, um präsent zu bleiben» sagt Patent-Ochsner-Kopf Büne Huber. «Man darf nicht vergessen, was das bedeutet. Künstler verbrennen schnell. Haben schnell nichts mehr zu sagen. Für die Kunst ist diese Situation nicht förderlich. Kunst braucht Ruhe und andere Perspektiven. Kunst ist keine Fliessbandarbeit.»
Ich spüre keinen Druck. Ich habe einfach immer Songs veröffentlicht, wenn sie da waren.
Bei Nemo mache ich mir keine Sorgen, dass er ausbrennt. Auch nicht, dass er schnell nichts mehr zu sagen hat. Viel eher glaube ich, dass wir von Nemo erst die Aufwärmphase seiner Karriere gesehen haben. Da kommen noch grosse Sachen. Songs, die zu Schweizer Kulturgut werden, in Gesangsbüchern landen und als magische Momente von kommenden Festivals in Erinnerung bleiben werden.