«Es war wie Liebe auf den ersten Blick: Der ist cool, mit dem will ich Zeit verbingen», erinnert sich Domi Wetzel (27) zurück. «Es ist wie in einer Ehe, in guten wie in schlechten Zeiten», meint Claude Gabriel (24).
Die beiden Freunde sind sich nah wie Brüder und leben zusammen in einer WG in Wolfhausen im Zürcher Oberland.
Was Männerfreundschaften zusammenhält
Ich besuche Domi und Claude, um mehr über Männerfreundschaften herauszufinden.
Mein Interesse dafür ist kürzlich in einer lauen Sommernacht erwacht: Eine laute Diskussion auf dem Balkon. Die Frauen in der Runde fragen sich, wie Männer es schaffen, eine Nacht lang gemeinsam um die Häuser zu ziehen, aber am nächsten Morgen trotzdem nicht sagen können, wie es dem anderen genau geht. Die Männer geben ebenso laut zurück, dass man halt nicht immer alles ausdiskutieren müsse, und das sei auch gut so.
Wir fühlen uns seelisch verbunden. Das drücken wir mit Umarmungen aus.
Solche Diskussionen höre ich nicht zum ersten Mal – und frage mich, ob es zwischen Männer- und Frauenfreundschaften tatsächlich grosse Unterschiede gibt.
Seite an Seite durchs Leben
Einer, der weiss, wie Männerfreundschaften funktionieren, ist Steve Stiehler, Dozent an der Fachhochschule St. Gallen. Stiehler sagt, dass Männerfreundschaften sich durch gemeinsame Aktivität auszeichnen.
Die Forschung spricht bei Männerfreundschaften deshalb von Side-by-Side Beziehungen, während Frauenfreundschaften als Face-to-Face Beziehungen gelten. Demnach verabreden sich Männer eher zum Sport oder Musikmachen, während Frauen sich zum Reden treffen.
Auch auf Claude und Domi trifft das zu: Unihockey spielen, Joggen, Musik machen, Reisen – die beiden haben viele gemeinsame Hobbies.
Reden allein muss nicht Ausdruck sein von guter Freundschaft.
Das bedeutet nicht, dass sich Männer nicht zum Käffele verabreden und zwei Freundinnen nicht schweigend auf eine Bergtour gehen. Aber wo ein Klischee ist, steckt oft auch etwas Wahres dahinter.
Emotionen werden nicht direkt angesprochen
«Reden allein muss nicht ein Ausdruck sein von guter Freundschaft. Etwa gemeinsam Töff fahren, sich in eine Kurve legen – das schafft Verbindung, auch wenn man nicht miteinander redet», sagt Stiehler.
Männer sprechen Gefühle oft indirekt an, erklärt Stiehler weiter: «Wenn dann der eine den anderen beim Töfffahren fragt, was los sei, er fahre nicht wie sonst, ist das eine Eröffnung.» Eine indirekte Einladung, über sich zu sprechen. Oder eben auch nicht, wenn ihm nicht danach ist.
Freundschaften werden an weiblichen Massstäben gemessen
Freundschaften würden heute an weiblichen Massstäben gemessen, sagt Stiehler. Auf den ersten Blick wirkten Männerfreundschaften nicht so intim, darum würden sie als Freundschaftsform zweiter Klasse dargestellt – zu Unrecht, findet Stiehler. Gemeinsam etwas zu tun – etwa am Töff zu schrauben und auf Tour zu gehen, könne auch Nähe und Intimität schaffen.
Jungen lernen, ihre Probleme mit sich selbst auszumachen
Frauen haben kein Käffele-und-über-Gefühle-reden-Gen, genauso wie Männer kein Töff-fahren-und-schweigen-Gen haben. Die Gründe für allfällige Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfreundschaften finden wir in der Erziehung.
Zwar leben wir in Zeiten, in denen starre Rollenbilder (langsam) aufbrechen. Dennoch: «In der Regel werden Jungen zu Jungen und Mädchen zu Mädchen erzogen», sagt Stiehler. «Jungen lernen, ihre Probleme mit sich selbst auszumachen, statt mit anderen darüber zu reden. Man hat es nicht gelernt, was nicht heisst, dass man es später im Leben nicht lernen kann», erklärt Stiehler weiter.
«Viele Jungs und Männer haben die gefühlsmässige Reflexion in der Beziehung zu jemand anderem gar nicht erlernt – entsprechend ist das nicht Gegenstand von sehr engen oder intimen Beziehungen.»
Männer konzentrieren sich durch das Miteienander aufeinander.
Viva la Bromance: Gemeinsam wie Brüder durchs Leben
Dass Männerfreundschaften auch ganz anders funktionieren können, zeigen Domi und Claude.
Auch wenn die beiden viel gemeinsam unternehmen, sind ihnen ihre Gespräche wichtig:« Wir reden über alles. Geht es dem einen schlecht, leuchtet der andere mit der Taschenlampe ins Dunkle, um einen Ausweg zu finden», erklärt Domi.
Ihre Freundschaft wirkt innig: Sie umarmen sich oder hauen sich brüderlich auf den Rücken. Für sie ist es normal, sich zu berühren. «Das ist normal und gehört dazu», sagt Claude und Domi ergänz: «Wir fühlen uns seelisch verbunden. Das drücken wir mit Umarmungen aus.»