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Bild 1 von 17. V.l.n.r.: Clément «Swissmoney» Chappot, Vinzenz Kögler (Präsident Swiss E-Sports Federation SESF), Dennis «Koala with a Hat» Berg, Rowien Bolkensteyn (Vizepräsident SESF), Michael «Bioholic» Metzger, Daryl «shacol0l» Brandi, Remo «Sakrod» Bollhalder, Marco Juen (Kassier SESF). Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 2 von 17. Austragungsort der IESF WM 2013: Sala Polivalenta, Bukarest, Rumänien. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 3 von 17. Hier verbringen die Spieler die nächsten drei Tage. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 4 von 17. Die erste Stunde am Freitag nutzt das Team, ihre eigens mitgebrachten Tastaturen, Mäuse und Headsets zu installieren. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 5 von 17. Die Halle wird für das Publikum vorbereitet – die Spiele werden auf Grossleinwand übertragen. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 6 von 17. Und von «Castern» fachmännisch kommentiert. Allerdings auf Rumänisch. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 7 von 17. Dazu können die Fans auch hinter die Kulissen schleichen und den Athleten direkt über die Schulter schauen – der Platz am Spielfeldrand. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 8 von 17. Trägt einer diese Jacke, ist ihm Respekt gewiss: Die Teams aus Südkorea dominieren nach wie vor die Szene. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 9 von 17. Won Suk Oh, Generalsekretär der International E-Sports Federation (IESF), bemüht sich, der Veranstaltung einen feierlichen Rahmen zu geben. Und verzettelt sich in langfädigen Danksagungen. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 10 von 17. Die Delegationen laufen ein. Es sind alle Mitgliedsländer der IESF, auch wenn längst nicht alle tatsächlich Teams im Turnier haben. Und die Fahnenträger sind irgendwelche zusammengewürfelten Freiwilligen. Skandal! Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 11 von 17. Captain des Schweizer «League of Legends»-Teams: Dennis Berg, «Koala with a Hat». Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 12 von 17. Remo Bollhalder, «Sakrod». Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 13 von 17. Michael Metzger, «Bioholic», mit Jahrgang 1994 der jüngste im Team. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 14 von 17. Daryl Brandi, «shacol0l». Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 15 von 17. Clément Chappot, «Swissmoney». Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 16 von 17. «Swissmoney» konzentriert im entscheidenden Spiel der Gruppenphase gegen Russland. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 17 von 17. Das Team erholt sich von der Niederlage in der Player's Lounge. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
Wir landen in der topfebenen Walachei im fahlen Herbstlicht. Die kleine Schweizer Delegation wird per Bus am Flughafen abgeholt. Gleich ein Problem: Die Schranke am Parkplatz geht nicht hoch, weil der Bus zu lang ist. Ein schnittiger Parkwächter mit grau melierten, kurzen Haaren, gewissermassen ein rumänischer George Clooney, löst das Problem. Nicht sonderlich pressiert, dafür umso charmanter.
Auf der Fahrt ins Zentrum von Bukarest passieren wir neben eng verschachtelten lottrigen Wohnblöcken und verfallenen alten Villen die üblichen europäischen Hotelketten, hastig hochgezogene Banken und einen Ferrari-Showroom. Doch was nicht neu ist, hat seit Jahrzehnten keine Fassadenauffrischung mehr gekriegt.
Nach dem Arcul de Triumf, einer Kopie des Pariser Originals, ein Boulevard gesäumt von Botschaften. Rechts die Amerikaner, links auf der anderen Strassenseite die Russen. Praktisch! Da mussten sie nur schnell über die Strasse, um sich gegenseitig auszuspionieren. Wir passieren die Banca Transilvania. Ich kann mir einen stillen Dracula-Witz nicht verkneifen.
Die Schweizer Delegation
Hinter mir sitzen die fünf Spieler der Schweizer Delegation. Sie sind zwischen 19 und 21 und verbergen allfällige Emotionen oder Nervosität hinter einer coolen Fassade. Es begleitet sie eine kleine Delegation der Swiss E-Sports Federation (SESF): Präsident, Vize und Kassier.
Das Schweizer Team überbrückt den Röstigraben. Was bei anderen Nationalmannschaften normal ist, ist im E-Sport eher ungewöhnlich. Denn normalerweise spielt man Online-Spiele auf Servern der Sprachregion, um in einer gemeinsamen Sprache kommunizieren zu können. Deutschschweizer spielen darum in erster Linie mit Deutschen und Österreichern; Romands mit Franzosen.
Captain Koala
Dennis «Koala with a Hat» Berg, Clément «Swissmoney» Chappot und Daryl «shacol0l» Brandi sind auch abseits der Weltmeisterschaft ein Team; Remo «Sakrod» Bollhalder und Michael «Bioholic» Metzger ergänzen sie nun. Man spricht Englisch. Team-Captain Dennis Berg sagt mir, das sei kein Problem, er habe auch schon in einem englischen Team gespielt. Dass man als Gruppe nicht eingespielt ist und sich nicht auf Automatismen verlassen kann, könnte sich als der grössere Nachteil herausstellen.
Die Weltmeisterschaft im E-Sport findet erstmals ausserhalb Südkoreas statt. Computerspiele wurden zur Sport-Disziplin in den späten 90er-Jahren in den USA und Deutschland. Doch die Professionalisierung des Sports trieb kein Land so voran wie Südkorea. Heute gibt es weltweit Profi-Spieler mit Sponsoren; Ligen und Turniere schütten Preisgelder aus. Die Profiliga von «League of Legends» beispielsweise zahlt jährlich über zwei Millionen Dollar aus.
Sponsoren, Preisgelder
Nach koreanischem Vorbild gibt es auch in Europa mittlerweile E-Sport-Teams, die gemeinsam wohnen, trainieren und von Sponsoren- und Preisgeldern nicht nur leben können, sondern auch einen Staff bezahlen: Trainer oder Medienleute, die Nachrichten und Videos ihres Teams verbreiten.
Diesen Grad von Professionalität sehe ich in Bukarest allerdings nicht. Die Nationalmannschaften sind eher adhoc zusammengestellt und bestehen aus Amateuren. Nur das Team der Südkoreaner beeindruckt mit Sponsoren-bedruckten Trainingsanzügen und Helfern, welche die Spieler umsorgen. Auch Journalisten treffe ich kaum. Ein rumänisches Kamerateam ist da. Die Moderatorin wirkt etwas gelangweilt.
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Bild 1 von 7. In die Männerdomäne E-Sports dringen auch Frauen vor: An der IESF-WM gibt es Frauenturniere in Starcraft und Tekken. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 2 von 7. Serbien beobachtet Südafrika gegen Finland. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 3 von 7. Dann spielt Serbiens «GreenLeo» gegen «BETI» aus Bulgarien, und zwar Tekken Tag Tournament 2. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 4 von 7. Die flinken Finger der Koreanerin «Canis». Die Diva stakst mit Entourage und auf sehr hohen Absätzen durch die Hallen. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 5 von 7. Yolandi «Ananke» Williams, Mutter aus Südafrika, nimmt am Starcraft-Turnier teil, ist aber im Viertelfinal gegen «Aphrodite» aus Korea chancenlos. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 6 von 7. Nicht so Virginie «Akane» Le aus Frankreich, die erst im Final gestoppt wird. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
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Bild 7 von 7. Von ihr: Die Schwedin Madeleine «MaddeLisk» Leander gewinnt das Starcraft-Frauenturnier ohne eine einzige Niederlage. Als wohl erste E-Sportlerin muss sie sich nach dem Final einem Doping-Test unterziehen. Bildquelle: Guido Berger/SRF.
Männer und Frauen im Turnier
Gespielt werden vier «Disziplinen»: Die Männer spielen «League of Legends» und ein Schiessspiel, das man nur in Asien kennt. Die Frauen spielen «Starcraft» und «Tekken». Weil es hierzulande kaum Frauen gibt, die auf diesem Niveau kompetitiv wären, schickt die Schweiz nur ein «League of Legends»-Team nach Bukarest.
Die Schweiz erhält in den Gruppenspielen Portugal, Russland und Rumänien zugelost. Captain Berg analysiert mit seinem Team die Gegner und setzt ein selbstbewusstes Ziel: Einzug ins Viertelfinal mit Gruppensieg. Portugal und Rumänien müssten klar zu schlagen sein; das Spiel gegen Russland werde die Gruppe entscheiden.
Am Freitag treffen sich die Athleten in der Sala Polivalenta im südlichen Zentrum Bukarests. Der Hauptsaal ist bestuhlt, mit Blick auf eine Grossleinwand. Dort werden einzelne Partien für das Publikum gezeigt und von zwei rumänischen «Castern» fachmännisch kommentiert.
Die Athleten sitzen in einem abgetrennten Raum, an zwei langen Tischreihen. Die PCs werden gestellt; die Athleten bringen aber fast alle ihre eigenen Tastaturen, Mäuse und Headsets mit. Diese einzurichten und die entsprechenden Treiber zu installieren, ist denn auch das erste, was das Team am Freitagmorgen tut. Dennis Berg vergleicht das mit einem Tennis-Racket – da sei ein Profi ja auch ein ganz Bestimmtes gewohnt und könne nicht ohne weiteres auf ein anderes umsteigen.
Die Disziplin: «League of Legends»
In «League of Legends» stehen sich zwei Teams gegenüber, auf einem Spielfeld, das wie ein verwunschener Märchenwald aussieht. Jeder Spieler steuert einen «Champion», ein Fabelwesen mit magischen Kräften. Ziel ist, die Basis des gegnerischen Teams zu zerstören. Eine Partie kann 15 Minuten oder eine Stunde dauern; meist ist sie nach einer halbe Stunde vorbei.
Man punktet, indem man gegnerische Champions besiegt. Dazu hat jedes Team vom Computer gesteuerte «Vasallen» oder Verteidigungstürme. Wenn Champions diese zerstören, können sie ihre Fähigkeiten verbessern, werden also im Verlauf der Partie stärker. Die Wahl der Helden und der Aufbau der Fähigkeiten sind taktisch zentral. Ebenso braucht ein Team gute Koordination, um das ganze Schlachtfeld im Auge zu haben und eine gute Balance aus Angriff und Verteidigung zu finden. Wie im Fussball: Hinten keins kriegen, vorn eins machen.
Die Gruppenphase
Die erste Partie gegen Portugal verfolge ich gewissermassen am Spielfeldrand und schaue den Spielern über die Schulter. Es wird ein Arbeitssieg: Es sieht lange knapp aus, besonders nachdem die Portugiesen vorlegen und so Selbstvertrauen aufbauen. Doch die Schweizer setzen taktisch auf Helden, die erst gegen Ende der Partie ihre volle Stärke entfalten. Das geht auf: Kurz vor Schluss drehen sie das Spiel und fahren den Sieg sicher ein. Das Team zeigt kaum Emotionen: Es gibt ein kurzes «Guet gsi» vom Captain, dann steht das Team auf und geht zu den enttäuschten Portugiesen zum fairen Shakehands.
Auch im Spiel ist es auffallend ruhig: Die Spieler sind konzentriert, die Absprachen per Headset knapp. Ich höre in erster Linie ununterbrochenes, schnelles Klicken der Mäuse, mit denen die Spieler ihre Figuren ständig in Bewegung halten.
Im zweiten Spiel trifft die Schweiz auf Rumänien. Ich erwarte lautstarke Unterstützung des Heimpublikums und gehe deshalb in den grossen Saal, um das Spiel auf der Grossleinwand zu verfolgen. Rumänien macht den ersten Punkt, das Publikum klatscht und johlt ausgelassen. Doch schon bald ersticken die Schweizer die einheimische Freude im Keim: Sie dominieren die Rumänen und siegen schnell und deutlich.
Weil auch Russland beide Partien gewonnen hat, ist das dritte Spiel das um den Gruppensieg. Das ist den Veranstaltern egal: Sie zeigen auf der grossen Leinwand lieber das Spiel mit einheimischer Beteiligung. Ich gehe wieder zu den Spielern. Die Schweiz startet gut – eine am Vorabend geplante Sondertaktik gegen die Russen zahlt sich aus.
Doch dann unterlaufen den Schweizern eine Reihe kleiner Fehler, die den Russen erlauben, zurück in die Partie zu finden. Es gelingt nicht, den Sack zuzumachen, und die Russen gewinnen langsam Oberhand. Die Zeit läuft nun für sie. Das Spiel zieht sich hin und nach über fünfzig Minuten müssen die Schweizer einsehen, dass das nichts mehr wird. Sie geben auf.
Damit ist zwar die Gruppenphase überstanden, aber der Gruppensieg verspielt. Und so treffen die Schweizer im Viertelfinal auf Korea, Turnierfavorit.
Das Viertelfinal
Entsprechend klar fällt das Resultat am Samstag aus. Im ersten Spiel der Best-of-Three-Serie sind die Schweizer klar unterlegen. Im zweiten können sie sich zwar besser auf die Koreaner einstellen und liegen zunächst vorn. Doch dann unterlaufen ihnen mehrere Fehler; sie geben das Spiel aus der Hand. Die Schweiz scheidet mit 0:2 aus.
Nach dem Turnier zeigt sich Captain Dennis Berg dennoch zufrieden mit der Schweizer Leistung. Er weist auch auf fehlendes Losglück hin: In anderen Konstellationen wäre es möglich gewesen, nicht so früh auf die Koreaner zu treffen. «Wäre möglich gewesen» – eine Lieblingswendung von Sportlern, ob E- oder nicht.