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Spielszene aus dem Game «Luxuria Superbia».
Legende: Streicheleinheiten: Nur der ausdauernde, einfühlsame Liebhaber kann bei «Luxuria Superbia» auf einen Highscore hoffen. Screenshot/SRF

Games Ein besserer Liebhaber werden mit «Luxuria Superbia»

Der Zeigfinger streicht sanft übers den Touchscreen, während der Daumen mit kreisrunden Bewegungen die Bildmitte berührt. In «Luxuria Superbia» kommt man seinen technischen Geräten viel näher als in anderen Games.

Es geht um Blumen. Aber eigentlich geht es um Sex. Denn wenn wir die Tunnelwände von «Luxuria Superbia» entlangfahren, sie sanft mit einem oder mehreren Fingern berühren und liebkosen, dann denken wir dabei kaum an Blumen. Wir denken an weibliche Geschlechtsorgane, an Petting und hoffentlich auch darüber nach, wie sich Sex und Zärtlichkeit auf den Computerbildschirm bringen lassen.

Oder auf den Touchscreen. Denn mit den Fingern im Spiel wird die Beziehung zum Game noch einmal intimer. Und damit auch die Beziehung zum Smartphone oder Tablet, das wir sowieso unablässig anschauen und befingern. Oder vielleicht geht das nur mir so. Ich jedenfalls war froh, dass meine Frau mich nicht hat «Luxuria Superbia» spielen sehen. Wo sie sowieso beklagt, ich verbrächte zu viel Zeit mit meinen Geräten.

Blumen und Sex

Aber zurück zum Game: Wir fahren dort einen langen Tunnel entlang, immer tiefer hinein in die Blume, deren Blätter die Wände des Tunnels bilden. Berühren wir eine der Wände beziehungsweise eine der darauf verstreuten Blüten, verfärbt sich dieser Teil der Blume. Erst nur leicht, bevor die Farbe immer voller wird und schliesslich satt leuchtet. Andere Objekte lassen die Blume ihre Farbe wieder verlieren – was der erfahrene Spieler dazu benutzt, das Ende eines Levels hinauszuzögern.

Ein Gemälde der US-Malerin Georgia O'Keeffe, das eine Blume zeigt.
Legende: Georgia O'Keeffe: «Flower of Life II» (1925) Blumen stehen seit jeher als Symbol für die weibliche Sexualität und das weibliche Geschlechtsteil. WikiPaintings

Während des Spiels spornt uns die Blume mit Einblendern wie «Touch me» oder «That was wonderful» an. Im linken Eck oben dreht derweil ein Zähler seine Runden. Je länger wir die Blume in Farbe halten, desto höher unsere Punktzahl, bevor die Blume schliesslich zu voller Pracht erblüht, zittert und bebt und der Level zu Ende ist. Wie gesagt: Man muss nicht Georgia O'Keeffe heissen, um bei dieser Art von Blumen an Erotik und Sex zu denken.

Explizit, aber nie vulgär

Auriea Harvey und Michael Samyn sind das Ehepaar hinter Tale of Tales, dem Studio von «Luxuria Superbia». Am Anfang ihrer Arbeit soll die Frage nach der Spielmechanik von Sex gestanden haben. Und die Frage, wie sich diese Mechanik stimmig umsetzen lässt, so dass über Erfolg und Misserfolg eines erotischen Zusammentreffens nicht bloss entscheidet, ob wir im richtigen Moment das richtige Knöpfchen drücken (trotz YouTube-Warnung keine Sorge, der Link ist jugendfrei).

Harvey und Samyn sammelten in einem Blog Ideen für ihr Projekt, liessen sich von Kathedralen, Ornamenten und der Natur inspirieren, suchten nach Wegen, es mit der sexuellen Metaphorik nicht zu weit zu treiben und trotzdem nicht beliebig zu werden. Mit der Blume – seit Jahrhunderten ein Symbol für weibliche Sexualität und das weibliche Geschlechtsorgan – haben sie eine schöne Metapher gefunden, explizit genug, ohne je vulgär zu wirken.

Mit Daumen und Zeigefinger sanft den Blütenboden umkreisen

«Luxuria Superbia» bei YouTube

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Wie streichelt man eine schöne Blume zum, ähm... Orgasmus? Der «Luxuria Superbia» Play-Trailer zeigt, wie's geht.

Auch was die Spielmechanik von Sex angeht haben Harvey und Samyn viel richtig gemacht: Bei «Luxuria Superbia» wird nicht der Hastige belohnt, der so schnell als möglich ans Ziel kommen will. Nur wenn wir behutsam vorgehen, uns Zeit lassen und nichts übereilen, winkt der Highscore. Andererseits bringt Passivität alleine auch nicht ans Ziel: Wir müssen unserer Blume schon etwas bieten, wollen wir sie nicht verkümmern lassen.

Was die Blume aber will, das ist gar nicht so einfach zu erraten – genau wie bei einer richtigen Liebhaberin. Unsere Aktionen – etwa wenn wir mit Daumen und Zeigefinger sanft den Blütenboden umkreisen – haben nicht immer eine unmittelbare Auswirkung. So müssen wir uns quasi ins Gegenüber hineinfühlen, die kleinen Zeichen zu lesen versuchen, welche das Game uns gibt, und unsere Handlungen darauf abstimmen. Wie ein menschlicher Partner sagt uns auch die Blume nicht einfach, wann wir wo was drücken müssen, um zum Ziel zu kommen. Phantasie ist gefragt.

Spielen ist Spielen und Sex ist Sex

Phantasie allerdings hätten wir uns auch von Harvey und Samyn mehr gewünscht. Denn so interessant die Umsetzung des Themas, so rasch wird das Blüten-Rubbeln auch langweilig. Die zwölf Levels von «Luxuria Superbia» unterscheiden sich zwar in der Zahl der Blüten-Wände, die gleichzeitig zum Blühen gebracht werden müssen. Aber die Spielmechanik bleibt immer die gleiche: Streicheln, um den Blättern Farbe zu geben. Aber nicht zu viel bitte, um ein vorschnelles Ende hinauszuzögern.

So hat man das eigentliche Spiel nach ein paar Minuten begriffen und beginnt sich bald zu langweilen. Und spätestens hier hört die Analogie zu richtigem Sex auf. Weil der unberechenbarer ist. Weil die Herausforderung beim richtigen Sex nicht darin liegt, zum nächsten Level zu gelangen. Weil man dabei mehr zurückbekommt als bloss ein «That was wonderful». Weil Spielen Spielen ist und Sex ist Sex. Es käme ja auch keiner auf die Idee, ein Spiel übers Essen zu machen und zu behaupten, das sei mindestens so gut wie Essen selbst.

«Luxuria Superbia» gibt es für PC und iOS.

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