Gleich zu Beginn von «Doom» habe ich einen Ellen-Ripley -Moment: Raumstation, Waffen, Monster, und ich. Hell, yeah! Und das ist in etwa schon die Geschichte: Eine Raumstation auf dem Mars, Dämoneninvasion, ein Tor zur Hölle, wir versus die Höllenhorden. Mehr gibt es nicht zur Geschichte zu sagen.
Ganz wie anno 1993
Damit ist «Doom» von 2016 ganz der geistige Nachfolger des Klassikers von 1993 – auf das Wesentliche reduziert: rennen, springen, schiessen. Und vor allem viel, viel «Gore», also extreme, überdrehte Gewalt. Explodierende Höllenritterhirne, ein Stiefel, der genüsslich Teufelgesichter zertritt, Gedärme, die durch die Gegend fliegen. Tarantino oder japanische Splatterfilme lassen grüssen. Auch das Waffenarsenal lehnt sich stark an das ursprüngliche Game an: Pistole, Schrotflinte, Sturmgewehr und neben weiteren Waffen – natürlich – die Kettensäge!
Auch mehr als 20 Jahre später spielen wir den anonymen und stummen « Doomguy », der, eingehüllt in eine schwere Rüstung, mit der Welt gerne per Faustschlag interagiert. Das Game beginnt in medias res: Wir erwachen in der Raumstation, erhalten Rüstung, Pistole, und los geht’s. In der ersten Hälfte des Games bewegen wir uns auf der Raumstation, durch enge Korridore und Räume. Hier führt uns «Doom» ein in den Kampf gegen kleinere Höllenhorden und einzelne Gegner.
In der zweiten Hälfte ändert sich das: Die Hölle ist auf dem Mars. Doomguy bewegt sich durch eine apokalyptische Landschaft, die Monster werden immer zahlreicher und grösser. Nun verändert sich auch unsere Spieltaktik: Statt durch enge Korridore zu laufen, schiessen und hüpfen wir durch weite Areale, immer die Monster im Nacken oder vor der Flinte. Kein Firlefanz, kein Herumschleichen, kein Ducken hinter Hindernissen, sondern immer feste (und blutig) drauf. So, wie klassische Schiessspiele sein sollten.
Willkommen im 2016
Aber «Doom» ist auch ganz im Jahr 2016 verortet. Das wohl wichtigste Element im ganzen Game ist eine Karte der Anlagen, die sich in alle Richtungen drehen und wenden lässt. Darauf erkennen wir Geheimnisse und zusätzliche Ausrüstung. Das war zwar bereits in «Doom» von 1993 in Ansätzen vorhanden, wurde nun aber stark ausgebaut wurde.
Mit Geduld und Spürsinn können wir zahlreiche Geheimnisse finden. Diese verbessern Doomguys Rüstungseigenschaften, statten unsere bestehenden Waffen mit neuen Elementen aus, verbessern seine Rüstung, Gesundheit oder Munition. Mittels kleiner Minigames innerhalb des Spiels, so genannter «Rune Trials», können wir das Spielerlebnis weiter frisieren.
Bei den vielen Geheimnissen tritt auch der Humor der Entwickler von id Software in den Vordergrund: Wir können kleine Plastikfigürchen sammeln oder gar alte Doom-Levels der 90er-Jahre nachspielen. Der Schock ist gewaltig, wenn wir von einer grafischen überwältigenden Marsoberfläche in der Pixelwelt der frühen 90er-Jahre landen. Das Beste und Erfrischendste am gesamten Spielerlebnis sind aber die «Glory Kills».
Oh, Glory!
Ist ein Monster dem Tod nahe, beginnt es golden zu blinken. Dann können wir ihm im Nahkampf mit einer Spezialtaste den Todesstoss verpassen. Der Vorteil daran: Das Monster lässt mehr Heilung für uns fallen. Die «Glory Kills» sind deshalb entscheidend für den Rhythmus der Kämpfe: Sterben wir fast, müssen wir uns in den Nahkampf werfen, damit wir über den Tod eines anderen wieder an Leben gewinnen. Die «Glory Kills» können also in einer misslichen Situation die entscheidende Wende herbeiführen.
Dieser Mechanismus wirkt dabei ausbalanciert. Wir können ihn genügend oft, aber nie zu häufig ausführen und es ist immer Wagnis, sich in die Monstermasse zu werfen, um ersehnte Heilung zu ergattern.
Auch sonst überzeugte mich «Doom» mit seinem ausbalancierten Spielrhythmus. Wir plätten zunächst Horden von Höllenviechern, unterlegt von hämmernder Industrialmusik. Danach folgt eine Sequenz, in der wir in Ruhe die Gegend nach den Geheimnissen absuchen. In einer Stille, in der uns jedes Kratzen aufschrecken lässt. Danach folgt die nächste Horde, die wir ebenso im Rausch um die Ecke bringen. Für mich haben die schnellen Kämpfe und stillen Momente genau die richtige Länge, peitschen das Adrenalin hoch und geben mir dann wieder genug Zeit zu verschnaufen.
«Doom» von 1993 schrieb Geschichte
Auch die Spielwelt hat sich seit 1993 markant geändert: Die Hölle ist ein schöner Ort. Der Rote Planet ist in Rot- und Orangetöne getaucht, Staub wirbelt durch die Luft, der Himmel leuchtet in Flammen. Blut glitzert überall und die Monster decken das gesamte Rotspektrum ab. Gerne blieb ich einfach stehen, um die höllisch schönen Landschaften zu betrachten.
Vielleicht lässt sich daran in Ansätzen nachfühlen, wie sehr «Doom» im Jahr 1993 die Spielerinnen und Spieler überwältigte. Das Game führte damals eine ganze Reihe neuer Elemente ein, die heutzutage Genre- und Game-Standards sind. Eine Auswahl:
- Begründer des Schiessspiel-Genres
- Erstes «richtiges» Game, in dem sich die Welt aus der Ich-Perspektive erkunden lässt
- Frei verfügbarer Game-Code, der die Subkultur des «Game-Modding» begründete: Fans bauen ihre eigenen Levels
- Das Standard-Waffenarsenal: Pistole, Schrotflinte, Schienengewehr, Raketenwerfer, Plasmagewehr, Kettensäge
- Multiplayer-Spiel, insbesondere der «Deathmatch», in dem sich gegnerische Teams eliminieren müssen
«Doom» stand aber auch im Zentrum der Debatte um die so genannten «Killerspiele». Die hat sich mittlerweile gelegt . Das «Doom» von 2016 bringt heute niemanden mehr in Rage. Was einer gewissen Ironie nicht entbehrt, denn das Pixelblut im alten «Doom» von 1993 wirkt schon fast handzahm.
Eine Dekade warten
Seit dem ersten «Doom» ist aber auch viel Zeit vergangen: Die Serie sah bis 2004 drei Teile und viele Doom-Ableger, Romane und sogar einen Kinofilm. Zahlreiche Games folgten, welche die Anmutung und die Spielmechanik aufgriffen: «Duke Nukem 3D» (1996), «Quake» (1996) oder «Half-Life» (1998). Da zu Beginn die neue Spielweise noch keinen Namen hatte, nannte man sie «Doom-Klone» – bis sich schliesslich «Ego-Shooter» oder «First-Person-Shooter» als Genrebegriff durchsetzte.
Der Nachfolger von «Doom 3» liess aber auf sich warten. Schon 2007 liebäugelte das Gamestudio id Software mit einem «Doom 4». Doch dann wurde id Software vom Medienkonzern ZeniMax übernommen, bis 2013 hatten auch alle drei Gründer von id Software das Unternehmen verlassen. Das neue «Doom», wie es danach nur noch hiess, wurde komplett überarbeitet, um dann, nach 12 Jahren Wartezeit, zu erscheinen.
«Doom» 2016: Mainstream, aber beste Unterhaltung
Entsetzten die Blutpixel von «Doom» im Jahr 1993 die Spielerinnen und Spieler, ist auch das neue «Doom» von 2016 nichts für schwache Gemüter. Wer aber mehr von «Doom» erwartet, als ein klassisches, auf das Jahr 2016 aufdatierte und sehr hübsches Schiessspiel, der wird enttäuscht. Nach einer Weile mögen die ewigen Monsterwellen und die unwichtige Geschichte langweilen.
Ich hatte trotzdem meinen Spass, schliesslich will das Game auch nicht mehr – Dämonen plätten, Welt erkunden, noch mehr Dämonen plätten. Nach all den Story-lastigen und komplexen Games mit riesigen Welten, die es zu besuchen gilt, wirkt «Doom» fast schon befreiend simpel. Ich, eine Waffe, und die Dämonen.
Und wenn andere Games beim Regler auf 10 schon maximal laut sind, dann dreht «Doom» alles auf 11: Grafik, Gore, Waffen, Soundtrack. Schiessen, schiessen, schiessen, hüpfen, rennen, schiessen, Faust ins Dämonengesicht: «Doom» liefert nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und das sorgt für grosses Vergnügen. Hell, yeah!
«Doom» läuft auf Windows, Playstation 4 und Xbox One. Es ist ab 18 Jahren.