Es ist ein Wechselbad der Gefühle, das ich im neuen «Final Fantasy XV» durchlebe. Erst war die Erwartungshaltung hoch, dann langweilten mich die Charaktere, bevor ich zu schätzen lernte, welch fabelhafte Freundschaft meine Begleiter und mich zusammen hält und welche Abenteuer noch auf uns warten.
Kurz gesagt:
Schön, dass...
- die latente Homoerotik der Hauptcharaktere genau unseren Humor trifft.
- das Kampfsystem so fassettenreich daherkommt.
- wir in unzähligen Haupt- und Nebenmissionen allerhand erleben können.
Schade, dass
- der Slogan "für Fans und Neueinsteiger" bei jedem Start nervt.
- die Kameraführung so chaotisch ausfällt (speziell in den Kämpfen).
- die Hauptgeschichte nicht liebevoller erzählt wird.
- es nicht auf den ersten Blick geknistert hat...
Gut gegen Böse: Die finale Fantasie
Die Aufgaben sind klar verteilt: Unser Vater Regis Lucis Caelum CXIII , schaut im Königreich Lucis zum Rechten. In der Zwischenzeit brechen wir, Prinz Noctis mit unseren drei Freunden Gladiolus, Ignis und Prompto zu einen Road Trip nach Accordo auf, um dort unsere Angebetete Lunafreya zu heiraten.
Soweit so vielversprechend, doch schon geht es los mit den Problemen.
Aller Anfang ist schwer
Zuerst zur Geschichte: Unsere heile Final-Fantasy-Welt wird aus den Fugen gehoben. Das böse Königreich von Niflheim greift an, nimmt unseren Thron ein und verkündet schon bald durch die Propagandamaschine, dass sowohl unser Vater als auch unsere Angebetete und wir selbst tot sind. Eine Geschichte die man durchaus auch emotionaler verkaufen hätte dürfen.
Dann ärgere ich mich über das Gameplay. Der versprochene Road Trip gleicht am Anfang keinem aufregenden Abendteuer mit unseren Kumpels, sondern mehr einer Zugfahrt mit einer Boy Band. Das Heldentrupp besteht dieses Mal aus vier Freunden in schwarzen Einheitsoutfits, mit japanischen Frisuren und einem Hang zur Homoerotik.
Auf den langen Autofahrten schweigen wir uns mehrheitlich an, oder sorgen für Fremdschämmomente mit peinlich unreifen Dialogen im langsamsten Auto der Welt.
Und auch grafisch sieht das Spiel, nach den hübschen Cutscenes am Anfang, eher … naja nach einem Playstation 3 Spiel aus.
Gut Ding will Weile haben
Genau das sollte es eigentlich auch sein: 2006 startete Square Enix mit der Entwicklung ihres Spin-Off-Titels mit dem Namen «Final Fantasy Versus XIII». Zehn Jahre haben die Entwickler verschoben, entschuldigt und an ihrem Mythos gebastelt.
Dabei haben sie ein kolossales Rollenspiel auf die Beine gestellt. Heute fischen wir in insgesamt 16 Kapitel mit unserer androgynen Boy Band am Tümpel, rösten unseren Fang später am lauschigen Lagerfeuer, damit wir dann am nächsten Morgen gestärkt in Abenteuer aufbrechen können, um übermächtige Gegner zu erledigen und unser Königreich auf den Fabelwesen Chocobos zu erkunden.
Liebe auf den zweiten Blick
Ja, es hat nicht von Anfang an geknister: Dass mein Helden-Quartett eher einer unreifen und oberflächlichen japanischen Boy Band ähnelt, stört mich zu Beginn. Als etwa das Gejammer im Auto losgeht, warte ich nur noch auf den Satz «sind wir schon daaa?». Da hilft auch nicht, dass Florence and the Machine , eine meiner liebsten Indie-Folk-Bands, drei grosse Songs zum Soundtrack beigesteuert hat.
Doch dann wachsen mir die vier Typen plötzlich ans Herz, mit all ihren Stärken und Schwächen. So können wir als Noctis besonders gut angeln, während Prompto mehr für die Social-Media Bewirtschaftung unserer schrägen Boy Band zuständig ist. Und auch die Grünschnabligkeit der unreifen Rasselbande kommt nicht von ungefähr, wie sich später zeigen wird.
«Final Fantasy für Fans und Neueinsteiger»
Mit diesem Titel, der an Unsexyness kaum noch zu überbieten ist, wirbt das Spiel bei jedem Aufstarten für sich. Dabei beschreibt er das Spiel eigentlich ganz gut.
Die ersten Kapitel dienen den Neueinsteigern, die sich in der finalen Fantasie erst einmal zurechtfinden sollen. So erledigen wir, als Prinz wohlgemerkt, belanglose Botengänge und kämpfen gegen Monster, die uns stets masslos unterlegen sind.
Fans wiederum wissen, dass man für Final Fantasy Spiele einen langen Atem braucht. Auch in der aktuellen Version werden sie am Anfang einfach einmal hingehalten. Erst ab Kapitel 3 ist eine Taktik bei Kämpfen erforderlich und das Spiel gewinnt an Fahrt.
Beziehungsweise an Flug: Denn das langsamste Auto der Welt, das sich übrigens nicht wirklich manuell steuern lässt, bekommt plötzlich Flügel! Und damit nicht genug: Die Chocobos sind zurück.
Seit «Final Fantasy II» tauchen die straussenartigen Vögel immer wieder auf und erweisen uns ihre Dienste. Wir können sie jederzeit rufen und auf ihnen durch unser Königreich reiten. Sie sind ein grosses Highlight am Anfang des 3. Kapitels.
Wie ihr Euch das Recht erspielt, sie zu reiten, seht ihr im Let's Play Video weiter oben.
Ab dem achten Kapitel zieht «Final Fantasy XV» noch einmal kräftig an. Ab hier streichen unsere Helden nicht mehr wirklich durch die offene Welt werden in gescripteten Events durch den Plot geführt. Und auch hier durchleben wir einmal mehr ein Wechselbad der Gefühle zwischen grossen Emotionen, Gänsehautmomenten und eher belanglosen Aufgaben und Dialogen.
Final Fantasy XV kostet ca. 60 Franken und ist für PlayStation 4 und Xbox One erhältlich.