Schlaf ein paar Jahre in diesem Raumschiff, alles total sicher, haben sie gesagt. Erforsche diesen aufregenden neuen Planeten voller Leben, haben sie gesagt. Ihr seid ein tolles Team, haben sie gesagt.
Ihr könnt euch denken, wie es dann tatsächlich losging.
Klar: Raumschiff stürzt ab. Kollegen alle verschwunden. Planet eine einzige Wüste. Sauerstoff knapp.
So beginnt «Lifeless Planet» und deshalb rennen wir mit unserem kleinen namenlosen Astronauten einer Fussspur nach, keuchen, an den Rändern unseres Sichtfeldes wird es schon schwarz, als wir gerade noch knapp einen Notfallsauerstoffbehälter erreichen.
Einsamkeit statt Adrenalin
Das klingt jetzt, als ginge es in «Lifeless Planet» um das nackte Überleben. Dem ist nicht so. Wir sind fast nie wirklich in Gefahr. Es gibt keine Kämpfe gegen ausserirdische Monster, unser Astronaut ist unbewaffnet. Auch der Sauerstoff wird fast nie knapp. Also weder Druck durch Gegner, noch durch ein Zeitlimit. Und wenn wir über eine Klippe stürzen, setzt uns das Spiel einfach ein bisschen zurück und bestraft uns nicht weiter.
Nein, hier geht es nicht um Adrenalin, nicht um das Gefühl der Bedrohung. Stattdessen um stille Einsamkeit. Um Trauer. Und um Neugier.
Denn schon kurz nach dem ersten Schreck und einer Passage mit Springen und Klettern stossen wir auf eine verlassene Siedlung mit Holzhäusern, einer sowjetischen Flagge und zurückgelassenen Notizen und Tonbändern.
Wir sollen wohl die klassischen Game-Fragen beantworten: Wer sind wir? Wo sind wir? Wo sind alle anderen? Was ist hier geschehen? Wie kommen wir nach Hause?
Darum gehe es, so tut jedenfalls die Geschichte. Doch eigentlich stellt sich uns Spielern nur diese eine Frage: Was finde ich, wenn ich da lang gehe?
Von A nach B wandern
«Lifeless Planet» setzt voll und ganz auf diese eine Kernfähigkeit von Games: Nicht Mechanik, nicht Wettbewerb, nicht Geschichte – sondern Entdecken. Es transportiert uns in eine stimmige Welt, die wir durchwandern und erkunden. Die Neugier zieht uns weiter.
So ist die erzählte Geschichte eine wenig überraschende Parabel. Und die Mechanik beschränkt sich auf simple Schalter-Rätsel und Hüpf-Passagen.
Mehr braucht das Spiel nicht. Denn es gelingt, eine wunderbare Einsamkeit zu verbreiten. Gezielt gesetzte Musik, äusserst sparsame Geräusche, von verschwundenen Kolonisten zurückgelassene Tonbänder in schönem Russisch und immer wieder atemberaubende Ausblicke verankern uns in dieser Welt.
Subtil geführt
Und obwohl wir eigentlich einem streng linearen Pfad entlang wandern, haben wir dennoch den Eindruck, selbständig zu entdecken. Denn das Spiel zwingt uns nicht mit künstlichen Barrieren in eine bestimmte Richtung. Stattdessen gibt es uns sehr geschickt platzierte visuelle Hinweise, wo es lang geht: Spuren im Sand, eine etwas heller beleuchtete Stelle in der Ferne, eine leichte Einbuchtung am Horizont, eine vorbei huschende Figur. «Lifeless Planet» nimmt uns also bei der Hand, aber so subtil, dass wir es kaum spüren.
«Lifeless Planet» ist das Erstlingswerk eines einzelnen Entwicklers, David Board. Der mangelnden Erfahrung ist geschuldet, dass die Steuerung oft etwas ungelenk ist, dass einzelne Elemente des Spiels wie Überbleibsel einer fallengelassenen Idee wirken. Und dass das Spiel vergleichsweise kurz ist: Ich habe mir Zeit gelassen und war dennoch nach fünf Stunden durch.
Doch das schmälert das Spiel keineswegs. Es verfolgt eine klare Vision. Es macht aus eingeschränkten Möglichkeiten eine Tugend. Deshalb ist «Lifeless Planet» ein unverwechselbares Erlebnis.
«Lifeless Planet» ist für PC und Mac, zum Download hier. Es ist ab 12. Das Haikiew ist hier.