Ich bin ein Kubus. Ein besonders hübscher: Jesse trägt Latzhosen, eine Spange im Haar und hat einen breiten Mund. Und Jesse hat ein treues Schweinchen als Begleiter: Reuben. Mit ihren beiden Freunden, der smarten Olivia und dem grossen, einfältigen Axel, nimmt sie an einem Fantreffen teil, der EnderCon. Doch die Ereignisse überschlagen sich, und bald muss Jesse mit ihren Freunden nichts anderes als gleich die ganze Welt retten.
Horrortrip statt Abenteuer
Das ist die Ausgangslage von «Minecraft: Story Mode». Und es hätte so toll sein können. Denn auch die Ausgangslage war denkbar interessant, die sich aus den beiden Spielprinzipien – Minecraft und die Telltale-Spiele – ergab: ein Game, in dem meine Kreativität eigene Geschichten schreibt, und Games, die mich mit spannenden Geschichten packen. Doch in den zwei Stunden, die die erste Episode dauert, habe ich mich vor allem genervt und gelangweilt.
Es beginnt mit der Grafik: Klar, Minecraft ist eine Welt, die aus grossen Kuben besteht, pixelig, viereckig und höchst charmant. Doch wenn Jesse mit ihren Freunden spricht, macht das keinen Spass. In den eckigen Mündern gähnen schwarze Löcher, trotz der eigentlich vorzüglichen Sprecherinnen und Sprecher entsteht keine Nähe zu den Figuren. Sie sind aber auch sehr schablonenhaft gezeichnet.
Dann die Musik: Dauernd säuselt etwas Substanzloses im Hintergrund. Das erinnert mich mehr an eine Liftfahrt oder an die Lobby einer Bank. Und da soll ich mich als Abenteuerin fühlen, die die Welt retten soll – noch dazu mit einem Schweinchen? Aber Grafik und Musik wären noch zu verschmerzen, wenn mich die Handlung packen würde. Tut sie aber nicht.
Handlung: Hollywood-Einheitsbrei
Die Handlung ist ein typischer Hollywood-Disney-Pixar-Familienabend-Mix. Nur ja nicht anecken. Alle zufriedenstellen. Ein bisschen «Fünf Freunde», eine Prise «Herr der Ringe», eine Handvoll Superhelden-Klischees. Und das soll von Telltale sein? Dem Gamestudio, das mich in «Walking Dead» (2012) in eine zombieverseuchte Welt warf, in der meine Figur mit einem kleinen Mädchen ums Überleben kämpfte? Eine Geschichte, die am Schluss gestandene Youtube-Persönlichkeiten in Tränen ausbrechen liess?
Telltale-Games zeichnen sich dadurch aus, dass ich komplexe Entscheidungen treffen muss, die die Handlung beeinflussen. Selbst das überträgt sich nicht auf «Minecraft: Story Mode». In «Walking Dead» musste ich mich beispielsweise entscheiden: Essen für mich, dafür hungern alle anderen Freunde? Meinen Zombie-verseuchten Arm absägen lassen oder eventuell selbst zum Zombie werden?
Keks für dich oder mich?
Entscheidungen müssen ja nicht immer so einschneidend sein. Aber «Minecraft: Story Mode» scheint seinen jugendlichen Spielerinnen und Spielern keine schwierigen Entscheidungen zuzutrauen – das Game ist ab 12 Jahren. Die Dialogoptionen sind im Stil «Gebe ich meinen Keks einem Gruppenmitglied oder nicht?» Und es bleibt auf diesem Niveau.
Selbst von der Minecraft-Welt bleibt nicht viel übrig, ausser dem typischen Würfel-Look, zahlreichen Anspielungen und etwas Werkzeug herstellen. Der Drang, seine Kreativität auszuleben und Dinge zu erschaffen, ist nicht möglich. Um zu bauen, drücke ich die Taste «Q», und die Figuren bauen vorgegebene Konstrukte. Mehr gibt’s nicht.
Leider nein!
Alles in allem hinterlässt «Minecraft: Story Mode» einen lieblosen Eindruck. Als wäre es rasch zusammengestückelt geworden. Vielleicht will das Game auch zu viel, versucht den Spagat zwischen zwei zu unterschiedlichen Welten.
Es will die Telltale-Fans mit einer guten Geschichte versorgen, die Minecraft-Fans mit der Würfelwelt bezaubern, gleichzeitig familienfreundlich sein und irgendwie alle ansprechen. Vielleicht erfreut es tatsächlich die Minecraft-Fans. Aber was Telltale letztlich mit «Minecraft: Story Mode» angestellt hat, ist ein lauer Kompromiss, der mich nicht überzeugt.
«Minecraft: Story Mode» ist ab 12 Jahren und läuft auf der Xbox, der Playstation 3 und 4, auf PC, auf Android- und iOS-Geräten.