Man muss kein Fan der «South Park»-Fernsehserie sein, um an «South Park: The Stick of Truth» seine Freude zu haben. Man muss aber Furz-Witze und Tabubrüche mögen, sonst hält man dieses Game kaum aus. Zur Einstimmung kurz eine unvollständige Aufzählung der Protagonisten: Nazi-Zombies, ausserirdische inklusive Anal-Sonden, Meth-Junkies, Landstreicher, nochmal Nazi-Zombies, aber diesmal als niedliche, kleine, abgetriebene Föten.
Wir spielen einen Jungen. (Und ja: man kann «The Stick of Truth» nur als Jungen-Figur spielen.) Er kommt neu nach South Park und gerät dort schnell in ein Live Action Rollenspiel von epischem Ausmass. Es kämpfen Elfen gegen das Kingdom of Kupa Keep (KKK), deren Obermagier und Chef Eric Cartman ist. In anderen Worten: Cartman ist der Grand Wizard des KKK, und natürlich geniesst er das.
Atombombe im Hintern
Wir geraten also in ein Spiel-im-Spiel, das wie ein klassisches Rollenspiel funktioniert, mit Charakter-Klassen wie Krieger, Zauberer, Dieb und Jude. Die letzte Klasse findet man wohl in keinem anderen Rollenspiel, aber sie passt zum notorischen Antisemitismus des Eric Cartman .
Es folgen verschiedene Aufgaben, die wir mit wechselnden Begleitern zu bestehen haben, von denen immer nur einer zur Verfügung steht. Aufgaben, die uns bis nach Kanada führen, wo der Premierminister von Montreal französischsprachige Abtreibungsdokumente für uns übersetzen muss. Einmal hilft auch Zwergenstaub uns klein zu machen, damit wir im Hintern eines Mannes nach der Atombombe suchen können, die von der Regierung dort platziert wurde.
Alles wie in echt hier
Wer jetzt noch Mühe hat, «The Stick of Truth» richtig einzuschätzen, dem mag vielleicht dieser Vergleich helfen: Auf einer Skala von 1-10, wobei 1 ein flauschiges kleines Häschen ist und 10 der Ebola-Virus, liegt «The Stick of Truth» ungefähr bei einer 9,5. Man merkt also deutlich, dass die «South Park»-Erfinder Matt Stone und Trey Parker von Beginn an in die Entwicklung des Games involviert waren.
Nicht nur, was den Humor angeht: Stone und Parker sprechen wie in der TV-Vorlage auch viele der Stimmen und stellten sicher, dass die Welt von «The Stick of Truth» genau so ausschaut wie die des grossen Vorbilds. Das fällt bei einer Trickfilm-Vorlage natürlich leicht, darum muss auch der begeisterte Tenor vieler Game-Reviews nicht erstaunen, dass hier alles «wie echt» aussieht.
Immer schön aufmerksam bleiben
Wir können also das South Park erkunden, das wir aus dem Fernsehen kennen, Häuser und Gebäude besuchen, die uns alle bekannt vorkommen und dabei mit unzähligen Bewohnern oder Gegenständen interagieren. Allerdings: Das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir an der eigentlichen Handlung der Geschichte kaum etwas ändern können. Die ist vorgegeben – dabei aber so gut geschrieben, dass es nicht negativ auffällt.
Auch sonst macht «The Stick of Truth» als Game viel richtig. Zum Beispiel was das klassische, rundenbasierte Kampfsystem angeht, das an Final Fantasy erinnert. Bei anderen Rollenspielen steht da rasch Routine vor Aufregung. Bei «The Stick of Truth» müssen wir aber aufmerksam bleiben, denn wenn wir bei einem Angriff oder einer Verteidigung im richtigen Moment die richtigen Knöpfe drücken, richten wir mehr Schaden an. Oder erleiden selbst weniger Schaden.
Furzen bis einer kotzt
Kommt dazu, dass diese Angriffe liebevoll animiert sind. Simple Gemüter (sprich: der Autor dieser Zeilen) können sich auch noch nach Stunden Spielzeit über den Tritt in die Weichteile freuen, mit der eine Art Schere-Stein-Papier-Angriff seinen Abschluss findet. Und wem das zu brav ist, findet vielleicht an einem der vielen Furz-basierten Angriffe Gefallen, die Gegner im besten Fall zum Kotzen bringen.
Allerdings ist das Kampfsystem ein wenig zu einfach ausgefallen: Weil wir die Möglichkeit haben, uns gleichzeitig zu heilen und einen Angriff durchzuführen, fällt das schwierige Abwägen zwischen Angriff und Heilung weg, das Kämpfe in anderen Rollenspielen spannend macht. Und weil wir vor allem gegen Ende des Games über sehr starke Angriffe verfügen, lassen sich viele Gegner – auch in grösseren Gruppen – recht einfach besiegen.
Mehr Freunde, mehr Probleme
Nun ist «South Park» im Fernsehen längst mehr als nur ein sicherer Hafen für Fäkalhumor und Tabubrüche aller Art. Die Serie schafft es immer wieder, blitzschnell auf ernste gesellschaftliche Ereignisse wie etwa Schulmassaker zu regieren oder die Auswüchse der Celebrity-Kultur gnadenlos zu karikieren. Und dabei liefert die Serie oft die pointierteren Analysen als klassische News-Medien.
Denselben Grad an Aktualität kann man von einem Game nicht erwarten, das schon 2009 seinen Anfang nahm. Stattdessen nimmt sich «The Stick of Truth» latent aktueller Themen an wie etwa Facebook (Zugegeben: ein ebenso leichtes wie absehbares Ziel). Mit steigender Zahl von Facebook-Freunden erhält unser Charakter im Game neue Fähigkeiten, etwa im Angriff. Allerdings: Mit der Zahl der Freunde steigt auch die der Spam-Posts in der Facebook-Timeline und plötzlich erhalten wir Freundschaftsanfragen von Leuten, mit denen wir lieber nicht befreundet wären. Ziemlich realitätsnah also.
Games lieben und darum kritisieren
Haupt-Ziel des Spotts sind aber Games selbst, beziehungsweise die Game-Kultur an sich, die bei nüchterner Betrachtung viele alberne und zuweilen kindische Facetten offenbart. Zum Beispiel die einseitige Fokussierung auf männliche Gamer und Figuren: «The Stick of Truth» kommentiert das lässig damit, dass wir den Kampf gegen die Elfen eben nur als Junge aufnehmen können – und es die Möglichkeit, eine weibliche Figur zu erstellen, gar nicht erst gibt.
Aber solche Kritik geschieht nie mit erhobenem Zeigefinger von oben herab, sondern aus der Mitte des Kritisierten selbst. Man merkt «The Stick of Truth» zu jeder Zeit an, dass seine Macher Games nicht nur ernst nehmen und verstehen, sondern dass sie selber Games lieben und deshalb auch auf die Schippe nehmen (müssen). Und was gibt es ehrenhafteres, als von Leuten wie Matt Stone und Trey Parker durch den Kakao gezogen zu werden?
«South Park: The Stick of Truth» gibt es für PC, Playstation 3 und Xbox 360. Das Game ist ab 18 Jahren freigegeben.