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Games Review: «Splatoon»

Wenn Nintendo ein Schiessspiel herausgibt, dann darf sicher kein Blut spritzen – «Splatoon» versprüht deshalb Tinte in rauen Mengen. Nintendo gibt dem Genre eine völlig neue Wendung. Das sorgt zwar für Kurzweil, motiviert aber nicht für ausgedehnte Spielstunden.

«Hey you. Yeah, you! Wanna be the freshest squid on the block?», begrüsst mich «Splatoon» zu Beginn. Denn: Ich bin ein Tintenfisch. Ein cooler Tintenfisch. Ein Tintenfischmädchen mit Turnschuhen und Baseball-Kappe. Meine Tintenfischtentakel hängen wie Schlappohren von meinem Kopf herunter; sie flattern, wenn ich renne. Natürlich habe ich auch zwei Arme, und in meinen Händen halte ich etwas, das aussieht wie eine Wasserpistole.

Ein Tintenfischmädchen steht staunend vor den Toren von Inkopolis.
Legende: Willkommen in Inkopolis! Youtube/Ghostrobo

Die Pistole verschiesst jedoch kein Wasser und auch keine Kugeln, sondern bunte Tinte, schliesslich bin ich ja ein Tintenfisch und lebe in der Stadt Inkopolis. Sprühe ich nun mit meiner neongrünen Tinte den Boden voll, kann ich mich mit einem Satz in meine wahre Form, einen Tintenfisch verwandeln, und rasend schnell durch meine Tinte schwimmen. Klingt durchgeknallt? Ist es auch – und die Ausgangslage von «Splatoon».

Üben im Singleplayer

Um mich mit der Bedienung des Games anzufreunden, starte ich von Inkopolis zuerst in das Singleplayer-Spiel, das mir folgende Geschichte präsentiert: In «Octovalley» regieren die bösen Octarians, Tentakel-Köpfe mit grossen Augen und Mündern, die etwas an überdrehte Harlekine erinnern. Die Octarians haben die wichtigste Energiequelle von Inkopolis gestohlen, den Grossen Zapfish, und diesen muss ich nun wiederfinden und retten.

Octarians stehen auf Schwämmen und sehen dabei aus wie Harlekine auf LSD.
Legende: Octarians, die auf Schwämmen stehen. Ein ganz normaler Tag in Octovalley. Youtube/Ghostrobo

Was folgt, ist die Kombination eines Hüpf- und Schiessspiels: Indem mein Tintenfischmädchen in japanische Teekannen springt (tatsächlich!), gelangt es in verschiedene Levels. Dort gilt es, von Plattform zu Plattform zu springen, Schwämme mit meiner Tinte aufzublasen, um weiter zu kommen, oder Wände vollzumalen, um dort dann in Tintenfischform hochzuschwimmen.

Meiner Hüpferei stellen sich die Octarians entgegen, die mich mit andersfarbiger Tinte beschiessen. Laufe ich durch deren gegnerische Tinte oder werde ich getroffen, verlangsame ich mich oder nehme so viel Schaden, dass ich den Level wiederholen muss.

Schnell habe ich die Steuerung erlernt, das Spielprinzip aber ziemlich rasch zur Genüge gesehen: Springen, Tinte verschiessen und das alles in sehr, sehr bunt. Bald einmal flaut die Begeisterung über die farbenfrohe Welt in Octovalley etwas ab; immerhin habe ich die Gewissheit, meine Tintenpistole im Griff zu haben. Also ab in den Multiplayer, die wahre Stärke von «Splatoon»!

Bunt, bunter, Turf Wars

Tintenfischmädchen malt alles Limettengrün an.
Legende: Malen, malen, malen! Und flatternde Tentakel. Youtube/GameXplain

Eigentlich ist «Splatoon» ein typisches Schiessspiel. In den «Turf Wars», den Revierkämpfen, bringt Nintendos Netzwerk weltweit acht Online-Spielerinnen und -Spieler zu zwei Vierer-Teams zusammen, das gegeneinander antritt. Alle Teammitglieder sind ausgerüstet mit verschiedenen Mal-Waffen: Pistolen, Scharfschützengewehren, Schrotflinten und klar kommen da noch Pinsel und Malroller als Waffen hinzu.

Wie im Singleplayer verschiessen diese Waffen keine Kugeln, sondern Tinte. Und wie echte Waffen haben all diese Malwerkzeuge verschiedene Eigenschaften, die unterschiedliche Spieltaktiken verlangen. Der Malroller ist langsam, malt aber grosse Flächen voll. Das Scharfschützengewehr kann weit schiessen, trifft aber nur kleine Flächen.

Schiessen, was das Zeug hält – auf den Boden

Aber «Splatoon» aber doch kein gewöhnliches Schiessspiel. Denn das Ziel ist nicht, möglichst viele Teamgegner zu treffen. Wer sich also klassische Schiessspiele gewohnt ist und das Prinzip eins zu eins auf «Splatoon» überträgt, wird schnell verlieren. Zwar ist es möglich, Gegner mit Farbe abzuschiessen. Diese stehen dann nach ein paar Sekunden wieder an der Teambasis auf. Doch wer nur aufs Schiessen fokussiert ist, vergisst, was eigentlich zu tun ist: Mehr Tinte zu versprühen als der Gegner. Denn mein Tintenfischmädchen ist eine kompetitive Malerin.

Eine Katze, die einem verstorbenen deutschen Dikator ähnlich sieht, erklärt den Sieg für das limettengrüne Team.
Legende: Limettengrün hat gewonnen - und nicht zu knapp. Auf zur nächsten Runde! Youtube/GameXplain

Innerhalb von drei Minuten müssen ich und mein Team den Boden einer Anlage möglichst vollgemalt haben, beispielsweise eine Einkaufsstrasse oder eine Hafenanlage. Das gegnerische Team versucht dasselbe. Beim Startschuss rennen alle acht Spielerinnen und Spieler wie irre los, um die Anlage in der Teamfarbe vollzuklatschen.

Eine wunderbare Sisyphus-Arbeit: Kaum habe ich eifrig eine grosse Fläche vollgeschossen, taucht ein Gegner auf, um mein Limettengrün mit Marienblau zu überpinseln. Nach Ablauf der drei Minuten entscheidet eine dicke Katze, welches der Teams am meisten Farbe verteilt hat.

Fast wie Handmalfarben auf freiem Fuss

Und Tinte versprühen innerhalb all dieses Chaos macht sehr, sehr viel Spass! Ein bisschen komme ich mir vor wie eine Vierjährige, der unendlich viel Handmalfarbe frei zur Verfügung steht. Ich kann auch verschiedene Strategien wählen: Alleine Ecken mit dem Roller vollmalen oder von einem erhöhten Standpunkt meinen Teamkollegen den Rücken freihalten und Gegner kurzzeitig ausser Gefecht setzen.

Unter einer limettengrün-pinker Oberfläche versteckt sich ein Inkling.
Legende: Der Tintenstand ist niedrig - ich tauche also unter, um meinen Vorrat wieder aufzufüllen. Youtube/GameXplain

Die Tinte ist jedoch nicht unendlich verfügbar: Ist meine Pistole leer geschossen (oder mein Roller leer gemalt), muss ich durch die Tinte meiner Team-Farbe schwimmen, um den Tintentank wieder aufzufüllen. Dabei verwandle ich mich wieder in einen Tintenfisch und bleibe in der Tinte von den Gegnern ungesehen.

Deshalb hat «Splatoon» auch die Eigenschaft eines Schleichspiels: Ich kann also Tinte in die Nähe eines Gegners schiessen, in Tintenfischform untertauchen, mich ungesehen anschleichen und diesen dann für ein paar Sekunden ausser Gefecht setzen, damit der Gegner nicht weiter Farbe schiessen kann.

Nintendo ist es also gelungen, das eigentlich blutige Spielgenre der Schiessspiele so umzuwandeln, dass statt Blut nur sehr, sehr viel bunte Farbe spritzt – und primär nicht auf die Mitspieler. Gleichzeitig merkt man, dass das Genre der Schiessspiele nicht typisch für Nintendo ist: Ich hätte mir beispielsweise sehr gewünscht, innerhalb eines Matches meine Waffe wechseln zu können.

Stumme Stimmen, wundervolle Ruhe

Eine weitere Entscheidung von Nintendo mag seltsam anmuten: Es gibt keinen Audiochat innerhalb der Multiplayer-Games. Es ist also nicht möglich, sich mit den Teamkollegen, die einem das System zugewiesen hat, über Taktiken und Strategien abzusprechen. Falls ich mit Freunden im selben Team gegen andere Leute aus dem Nintendo-Netzwerk spielen möchte, müssen wir uns über Skype oder übers Telefon koordinieren, damit wir überhaupt beide im selben Spiel landen.

Zum Alltag als Online-Spielerin

Mich persönlich hat die Entscheidung Nintendos keineswegs gestört: Der fehlende Audiochat eliminiert die klassischen Ärgernisse, die sich einer erkennbaren Frauenstimme in Online-Multiplayer-Games stellt (s. Linkbox rechts).

Gleichzeitig sinkt die Einstiegshürde, weil Spielerinnen und Spieler ohne grosse Erfahrung nicht befürchten müssen, aufgrund eines schlechten Spiels von Teamkollegen zusammengestaucht zu werden. Zudem weiss ich trotz des fehlenden Audiochats immer, wo sich meine Teamkollegen befinden: Eine kleine Übersichtskarte zeigt mir die Anlage von oben und wo gerade meine Kolleginnen und Kollegen herumrennen.

Das Problem mit den Karten

Ein Tintenfischmädchen führt einen Malroller spazieren, der blaue Farbe überall hinmalt.
Legende: Der Malroller: Langsam, aber effizient. Youtube/GameXplain

Soweit, so überzeugend. Ein tolles Spielprinzip in einer bunten Welt, in der man sich rasch zurecht findet und das gemeinsame Spielen Spass macht. Nur: Die bunte Welt von "Splatoon" erschöpfte sich bald für mich, trotz der eigentlich innovativen Idee Nintendos kam nach ein paar Stunden Spiel nur lauwarme Freude auf. Ein grosses Manko sind die Maps, also die Anzahl der spielbaren Anlagen. Derzeit gibt es acht Maps, von denen immer nur zwei effektiv spielbar sind. Nach ein paar Stunden rotieren die Maps und zwei andere aus dem Pool sind spielbar. Dabei kann ich nicht entscheiden, welche der beiden Maps ich spiele – sie wird mir von Nintendo zugewiesen.

Das führt dazu, dass ich immer wieder durch dieselbe Anlage hüpfe und male – mit dem Effekt, dass ich zwar immer effizienter male, mich aber bald einmal langweile. Das mag auch ein Grund sein, weshalb das Game mich letztlich nicht so mitreisst: Nintendo diktiert mir, was ich im Multiplayer zu spielen habe und grenzt mich damit eher ein, als dass es mir Entscheidungsfreiheit lässt.

Kurze Unterhaltung für Zwischendurch

Zur Entwicklung von «Splatoon»

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«Splatoon» ist das erste Game von Nintendo seit 14 Jahren, das eine komplett neue Welt präsentiert und auf keiner bestehenden Franchise basiert (etwa «Super Mario»). Entwickelt haben es die jüngsten Mitglieder der innovativen Nintendo-Abteilung «Software Develpment Group No. 2», die bereits «Animal Crossing» und «Wii Sports» entwickelt haben.

Vielleicht bin ich auch die falsche Zielgruppe. Kinder stören sich kaum daran, wenn sie immer wieder dieselbe Gute-Nacht-Geschichte hören. Parallel dazu dürfte sie auch nicht stören, immer wieder dieselbe Map zu spielen – «Splatoon» ist schliesslich ab sieben Jahren. Auch sind die Drei-Minuten-Runden ideal für Personen mit einer kurzen Aufmerksamkeitsspanne oder wenig Zeit: Nach kurzer Action ist das Game schon vorbei.

Nintendo ist zwar daran, nach dem offiziellen Erscheinungsdatum mehr Maps zur Verfügung zu stellen. Trotzdem bleibt abzuwarten, ob das Game die Spielerinnen und Spieler genügend lange an sich binden kann. Denn sind nicht mehr genug Leute online, stirbt auch der grösste Teil des Multiplayers aus – der Kern von «Splatoon».

Bisher sieht es aber nicht danach aus: Seit dem Verkaufsstart Ende Mai lief der Verkauf von "Splatoon" für Nintendo sehr gut - die Firma spricht von rund einer Million verkauften Exemplare des Games.

«Splatoon» ist ab 7 Jahren und läuft auf der Wii U.

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