Die Liste der Games zum Zweiten Weltkrieg: Lang . Die Liste der Games zum Ersten Weltkrieg: Nicht so lang . Das hat – so zynisch es klingen mag – auch mit der Art dieser Kriege zu tun, mit ihrer (pop)kulturellen Wahrnehmung. Der Zweite Weltkrieg wird uns in Film und Fernsehen als heroischer Kampf von Gut gegen Böse gezeigt: als grosse Schlachten zu Land, zu Wasser und in der Luft; als Bühne für Helden und Schurken.
Von seinem Vorgänger, dem Erste Weltkrieg, scheint dagegen kaum mehr als kollektives Massensterben im Gedächtnis geblieben, die Langeweile der Schützengräben gepaart mit Giftgasangriffen und anderen Kriegsgräueln. Und wer Célines « Reise ans Ende der Nacht » gelesen hat, weiss, dass dieser Krieg höchsten Platz für Anti-Helden bot.
Ein Franzose, ein Deutscher, ein Amerikaner und eine Belgierin
Nicht eben der Stoff also, aus dem Games gemacht sind – jedenfalls nicht klassische Kriegsspiele, die uns in die Haut des furchtlosen Kämpfers schlüpfen lassen, der den Stahlgewittern des Krieges trotzt. Aber «Valiant Hearts» will kein solches Spiel sein, wir schiessen uns hier nicht durch die gegnerischen Reihen à la «Call of Duty», sondern erleben den Krieg aus der Perspektive von vier Figuren, die aus unterschiedlichen Gründen in die Kriegswirren gezogen werden.
Da ist Karl, ein junger Deutscher, der vor dem Krieg in Frankreich sein Glück fand und nun plötzlich für den Kaiser in die Schlacht ziehen muss. Da ist der gutmütige Bauer Emile, der Vater von Karls Frau, der seinem Schwiegersohn plötzlich auf der Feindesseite gegenübersteht. Da ist der Amerikaner Freddie, der als Fremdenlegionär den Tod seiner Frau rächen will, die bei einem deutschen Bombenangriff starb. Und da ist Anna, eine junge Belgierin, die als Sanitäterin die Verwundeten beider Seiten pflegt.
Kein Heldenpathos
Was wir hier spielen ist eine Mischung aus Geschicklichkeits-Spiel, Puzzle-Game und Geschichtslektion. Mit unseren Figuren nehmen wir zwar am Kampfgeschehen teil, aber wir schiessen und töten nicht, wir versuchen bloss zu überleben. Und folgen dabei von Beginn an dem tatsächlichen Kriegsverlauf: Unser erster Einsatz ist in der Schlacht bei Longwy Ende August 1914, wo Emile als französischer Fahnenträger verwundet wird und in Gefangenschaft gerät – ausgerechnet im Lager, in dem sein deutscher Schwiegersohn Karl stationiert ist.
In seiner fiktiven Geschichte nimmt es das Game mit historischen Fakten nicht immer ganz genau . Dafür erzählen Texttafeln mit Fotos mehr über die Hintergründe des Ersten Weltkriegs und zeigen Informationen etwa über das Leben in den Schützengräben oder den Alltag an der Heimatfront. Wir können auch in Tagebucheinträgen unserer Figuren blättern, die von ihren Erfahrungen an der Front erzählen. Das ist typisch für «Valiant Hearts», das nicht die grossen Feldherren in den Mittelpunkt stellt, sondern das Schicksal der «einfachen Menschen» – der «tapferen Herzen», von denen der Game-Titel spricht.
Und so grausam wie der Krieg hier gezeigt wird – etwa bei der Zweiten Flandernschlacht im Frühling 1915, als das deutsche Heer zum ersten Mal Giftgas einsetze – so schön sehen die Bilder dazu aus. Ubisoft Monpellier, die das Spiel entwickelt haben, setzen dazu auf die 2-D-Engine, die zuletzt bei den «Rayman»-Games zum Einsatz kam. Das Ergebnis sieht aus wie ein handgezeichneter interaktiver Comic, der die traurige Story optimal in Szene setzt.
Der Deutsche im Zeppelin
Ohne zu sehr in Kitsch und Pathos abzudriften, schafft «Valiant Hearts» dabei eine anrührende Stimmung, die von der getragenen Klaviermusik des Soundtracks noch akzentuiert wird. Schade deshalb, dass das eigentliche Spielgeschehen nicht immer so gelungen ist. Die Spielszenen gehören nämlich zu den schwächsten Momenten in «Valiant Hearts».
Zwar freut es, nicht einfach einen 08/15-Shooter spielen zu müssen. Doch die Puzzle- und Geschicklichkeits-Sequenzen, in die unsere Figuren geschickt werden, passen oft nicht zur Melancholie des restlichen Games. Etwa wenn Emile in der zerbombten Kathedrale von Reims gegen einen deutschen Offizier kämpfen muss, der ihn aus einem Zeppelin heraus mit Handgranaten bewirft und mit seinem kaiserlichen Backenbart mehr Comic-Figur ist als nötig.
Und viele der Puzzle-Elemente sind ziemlich langweilig geraten, lassen sich eher mit ständiger Wiederholung und Ausdauer denn dank cleveren Ideen lösen. Vor allem die Aufgaben der Sanitäterin Anna bestehen aus kaum mehr als repetitivem Tastendrücken und einfachen Erledigungen.
Chapeau, Ubisoft
Trotz schwächeren Momenten bleibt «Valiant Hearts» über seine gut acht Stunden Spielzeit ein Game, das uns etwas fühlen lässt, das bei anderen Kriegsspielen kaum je im Mittelpunkt steht: Mitleid mit den Spielfiguren ebenso wie mit dem Gegner, Trauer und Verzweiflung. Nicht selten liest man denn auch von Spielern, die bei den letzten Szenen des Spiels bittere Tränen vergossen .
Ubisoft wurde in letzter Zeit nicht zu Unrecht für die stereotypen Frauen-Rollen seiner Games gescholten. Auch eine Figur wie Anna in «Valiant Hearts» tut dem Klischee keinen Abbruch – als Sanitäterin soll sie wohl ihrer «biologischen Bestimmung» als Helferin nachkommen... Trotzdem muss man Ubisoft Montpellier loben, ein Game zum Ersten Weltkrieg gemacht zu haben, das nicht auf die immer gleiche Egoshooter-Mechanik setzt, sondern mit einer gefühlvollen Geschichte in Comic-Ästhetik etwas Neues wagt.
Valiant Hearts gibt es für Windows PC, Playstation 3 und Playstation 4, Xbox 360 und Xbox One. Das Spiel ist freigegeben ab 12 Jahren.