Vor gut 30 Jahren legte « Elite » den Grundstein für ein neues Game-Genre: Handel treiben im Weltraum, mit dem Raumschiff von Planet zu Planet fliegen, sich gegen Angreifer wehren und durch geschicktes Geschäftemachen in den Reihen der Weltraum-Händler aufsteigen.
Der Weg dahin sah 1984 noch grob gepixelt aus: Die Raumschiffe in «Elite» wurden mit einfachen Strichen in Vektorgrafik dargestellt und die über 1000 Planeten der Spielewelt waren kaum mehr als weisse Punkte auf dem Bildschirm. Wo der Prozessor des Computers noch zu schwach war, musste die Fantasie des Spielers einspringen.
Mehr Problembehebung denn Abenteuer
Bei «X Rebirth» kommt nun das auf den Bildschirm, was damals bloss im Kopf stattfand: Ein schier unendliches Spielfeld im Weltraum. Riesige Planeten, die in weiter Ferne vorbeiziehen, während sich unser Raumschiff den Weg zum nächsten Handelsposten sucht. Im Game-Trailer (siehe Box rechts) und auf Screenshots sieht das alles einfach nur spektakulär aus.
Umso enttäuschender die Realität. Zwar lässt «X Rebirth» immer noch von den unendlichen Weiten zwischen den Sternen träumen, wo wir vorgegebenen Missionen erfüllen oder uns auf eigene Faust im «Free Play»-Modus ins Abenteuer stürzen. Bloss: Technische Probleme lassen die meisten dieser Abenteuer gar nicht erst stattfinden.
Egosoft-Chef entschuldigt sich
Die Liste der Bugs ist lang und reicht von Bild-Ruckeln über fehlende Dialoge bis zum vollständigen Systemabsturz. Ich selbst habe meine Zeit mit «X Rebirth» mehr damit zugebracht, das Game neu zu starten, als tatsächlich hinter dem Steuer eines Raumschiffes zu sitzen. Und damit bin ich nicht alleine: In den Foren der Gameplattform Steam, wo «X Rebirth» zum Download bereit steht, gibt es tausende von Kommentaren, die von Abstürzen und anderen Problemen berichten.
Es sind so viele Reklamationen, dass schliesslich Bernd Lehahn eine offizielle Entschuldigung postete. Lehahn ist Chef von Egosoft, dem Entwicklerstudio hinter «X Rebirth». Er verspricht, sich umgehend um die schlimmsten Fehler zu kümmern und gibt Tipps, wie sich etwa Probleme wie Bildschirm-Ruckeln beheben lassen.
Tristesse trotz tanzender Hologramme
Es scheint, als hätte sich Egosoft – das Unternehmen zählt nur etwa 20 Mitarbeiter und hat seinen Sitz in der deutschen Stadt Würselen – mit der Wiedergeburt der «X»-Serie zu viel zugemutet. Deren erster Teil erschien schon 1999, seither hat die Reihe eine treue Fanbasis gefunden. Problem nur: Für Neueinsteiger waren die einzelnen Games abschreckend komplex, Steuerung und User Interface gewöhnungsbedürftig.
«X Rebirth» sollte sich darum einem breiteren Publikum öffnen (wohl mit einem künftigen Online-Multiplayer-Modus im Hinterkopf). Statt sich durch unzählige Menüs und Untermenüs zu wühlen, um ein neues Besatzungsmitglied einzustellen, können wir jetzt aus unserem Raumschiff aussteigen, auf Raumstationen umhergehen und dort nach neuen Leuten suchen.
Computer-Kapitäne, aber kein Autopilot
Bloss ist die Umsetzung der neuen Features so schlecht gelungen, dass sich Stamm-Spieler die alte Menüführung zurückwünschen. Dialoge mit Kandidaten für die Schiffscrew und anderen Charakteren sind plump, haben oft nur eine vorgegebene Antwortmöglichkeit, enden an anderen Stellen abrupt. Und der Spass beim Erkunden halbverlassener Raumstationen hält sich in Grenzen, etwa wenn ein Space-Nachtclub nur von tanzenden Hologrammen bevölkert ist.
Viel Kritik des Stammpublikums musste sich Egosoft auch anhören, weil wir bei «X Rebirth» nur noch ein einziges Schiff fliegen können. Zwar lässt sich immer noch eine ansehnliche Flotte zusammenstellen, deren Frachter und Verteidigungsschiffe werden aber von rekrutierten Computer-Kapitänen geflogen. Dafür fehlt nun die Möglichkeit, sein eigenes Schiff durch den Autopiloten fliegen zu lassen, der in vergangenen Versionen von alleine das nächste Handelsziel anflog.
Versprechungen bleiben verlockend
Einige dieser vermeintlichen Fehler sind durchaus gewollt, wie Egosoft-Chef Lehahn zu verstehen gibt. Etwa, dass es keine Zeitbeschleunigung mehr gibt, die das Reisen zwischen den Sternen verkürzt. Das habe damit zu tun, dass es in der neusten «X»-Version schlicht keinen Grund mehr gebe, die Zeit schneller verstreichen zu lassen: Niemand muss mehr 20 Minuten untätig warten, bis ein Handelsschiff eingetroffen sei – was bei den Vorgängern wohl häufiger der Fall war.
Bleibt abzuwarten, wie sich das Spielerlebnis in den kommenden Wochen verändert, wenn dank den versprochenen Patches und Updates die schlimmsten Fehler behoben sind. Jedenfalls scheint es zu früh, «X Rebirth» enttäuscht endgültig den Rücken zuzuwenden. Trotz aller Pannen bleibt das eigentliche Versprechen des Games immer noch verlockend: Die schier unendliche Weite des Weltalls zu durchfliegen und ein selbstbestimmtes Leben zwischen Handel und Abenteuer zu führen.