Was sich an immer neuen Anbietern beobachten lässt, bestätigen auch Branchenkenner: Die Schweiz erlebt seit einiger Zeit einen Gelateria-Boom, der auch dieses Jahr weitergeht. Handgemachtes, lokal verankertes Glace ist so gefragt wie nie.
«Unsere Gelaterias laufen jedes Jahr besser», sagt Florian Stähli, CEO und Mitgründer von «Kalte Lust». Seine Firma betreibt Gelaterias in Olten und Zürich und beliefert mittlerweile fast in der ganzen Schweiz Restaurants oder Läden.
Extrem spürbar ist der Boom im Moment im Eventbereich.
Auch die Nachfrage im Detailhandel und in der Gastronomie wächst stetig. «Extrem spürbar ist der Boom im Moment im Eventbereich. Nach den letzten zwei Corona-Jahren gibt es nun sehr viele Veranstaltungen, denen ein spezielles Glace-Angebot wichtig ist.»
Auch Ernährungsforscher Dominik Flammer beobachtet einen ungebrochenen Gelati-Boom. Ihn überrascht die grosse Zahl an Sorten, die dadurch entstanden ist: «Die Vielfalt ist grandios. Es gibt vor allem Produkte mit lokalen Zutaten, etwa Glace mit Felsenbirne aus der Stadt.»
Flammer erkennt im Boom das Bedürfnis, einen Gegentrend zur Globalisierung zu setzen. Die Menschen wünschen sich lokale Produkte. Ähnlich, wie dies auch in anderen Bereichen zu beobachten ist, etwa beim Bier.
Der lange Weg zur Gelato-Liebe
Die italienische Glacekultur ist also angekommen in der Schweiz. Doch weshalb hat sie uns so lange kalt gelassen? Immerhin hat die Schweiz schon vor Jahrzehnten eine grosse Einwanderungsbewegung aus Italien erlebt. Und Nachbarländer wie Deutschland kennen die sogenannte Eisdiele schon lange.
Die italienischen Arbeitskräfte konnten sich in der Schweiz nicht selbstständig machen.
Experte Dominik Flammer verweist auf eine historische Untersuchung der Universität Zürich zur italienischen Küche in der Schweiz. Der Hauptgrund ist demnach recht einfach, führt Flammer aus: «In Deutschland und anderen Ländern des europäischen Wirtschaftsraums durften sich die italienischen Arbeitskräfte selbstständig machen. Sie durften also auch eigene Eisdielen oder Restaurants eröffnen.»
In der Schweiz erhielten die Italienerinnen und Italiener nach dem zweiten Weltkrieg nur begrenzte Arbeitsbewilligungen. Restaurants oder Gelaterias konnten sie also nur dann betreiben, wenn sie mit einer Schweizerin oder mit einem Schweizer verheiratet waren.

Glace-Produzent Florian Stähli hat noch weitere Erklärungen für die verspätete Liebe der Schweizerinnen und Schweizer zum Gelato: Die kurzen Sommer haben das Geschäft der Gelaterias eher unattraktiv gemacht. Und weiter: «Anders als gewisse nordische Länder kennen wir in der Schweiz eine sehr reiche Dessertkultur.» Diese ist laut Stähli auch massgeblich aus Frankreich mitgeprägt. So ist Glace in der Schweiz nur ein Dessert unter vielen.
Nahendes Ende des Booms
Im Jahr 2022 gehören Gelaterias zum gewohnten Bild auch in Schweizer Städten. Lange Warteschlangen inklusive. Der Boom hat seinen Höhepunkt nun aber bald erreicht, meint Ernährungsforscher Dominik Flammer: «Vielleicht entstehen in naher Zukunft noch neue Gelaterias. Andere werden jedoch eingehen.»
Diesen Ausblick teilt Gelato-Hersteller Florian Stähli. Er schätzt, dass der Konsum in naher Zukunft stagniert. Bleiben werde jedoch die grosse Vielfalt: «Im Vergleich mit früheren Jahren wird es mehr Anbieter geben, die lokale Produkte nutzen.» So erhalte die Konsumentin in Zukunft in unterschiedlichen Orten unterschiedliche Glaces – und nicht nur die Klassiker der industriellen Produzenten.
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