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Openair Frauenfeld 2018 Openair Frauenfeld: Höhepunkt, Tiefpunkt und PUNKt

Eminem war der unbestrittene Kernpunkt des diesjährigen Openair Frauenfeld. Auf der Suche nach Auftritten voller Herz und Seele landen wir aber bei andern Namen. So sorgten z.B. Sido und Kool Savas für einen unvergesslichen Festivalmoment.

Kernpunkt: Eminem

Eminem erfüllte die hohen Erwartungen zweifelsohne. Nicht zuletzt, weil er Eminem ist. Was Eminems Auftritt streckenweise fehlte, war die Seele. Schuld daran mag die aufwändige Produktion sein, der sich Eminem unterzuordnen hat. Am besten war der James Brown des Hip-Hops in der letzten Viertelstunde, als er Frauenfeld mit Songs wie «My Name Is», «Real Slim Shady», «Without Me», «Not Afraid» und «Lose Yourself» (seine) Rap-Geschichte um die Ohren donnerte.

Höhepunkt: Sido & Kool Savas

Als hätte sich Frauenfeld nach drei Tagen Trap- und Auto Tune-Lawinen nach ein bisschen Oldschool-Rap und Pop gesehnt, wurden Sido und Kool Savas von den Festivalgängern frenetisch empfangen. Deutsch-Rap von gestern, so gut wie Omas Hackbraten.

Tiefpunkt: French Montana

Sorry, French Montana. Nirvana und House Of Pain ab Konserve einzuspielen, ist schon schwierig. Als du dann sogar den Griff in die Eurodance-Schublade gewagt hast, um dein Publikum bei Laune zu halten, war’s für mich vorbei. Sowas kannst du als Hochzeits-DJ machen. Aber sicher nicht auf der Hauptbühne des Openair Frauenfeld. Wieso du dafür trotzdem mit Liebe überschüttet wurdest, bleibt mir ein Rätsel.

PUNKt: S.O.S

Die Rap-Truppe S.O.S kam als Ersatz für den Berliner Capital Bra, der seinen Auftritt absagen musste. Bei strömendem Regen und mit kübelweise Punk-Attitüde überzeugten die Berner vom ersten bis zum letzten Ton.

Anziehungspunkt: Rin

Der Pop-Gedanke wiegt schwer in der Definition von Rins Rap. Seine eingängigen Lyrics gepaart mit äusserst melodiösen Tracks und viel Charisma, begeisterte Frauenfeld bis in die letzten Winkel des Geländes.

Glanzpunkt: Ghali

Der italienisch Rapper mit tunesischen Wurzeln überzeugte nicht nur durch seinen Style. Er war auch einer der wenigen, der demonstrierte, wie man trotz konsequentem Auto-Tune-Einsatz Dynamik zulassen kann. Ebenfalls erfrischend: Trap geht auch ohne abgelutschte Motherfucker-Schreierei. DANKE, Ghali!

Knackpunkt: N.E.R.D

Pharrell Williams schreibt Welthits vor dem Frühstück. Auftreten sollte er mit seiner Band N.E.R.D eigentlich nach Sonnenuntergang. Mit dem Auftritt kurz nach 18 Uhr waren die Voraussetzungen nicht optimal für eine dermassen grosse Nummer. Mit Band, Tanz-Truppe und Druck begeisterte die Band das Frauenfelder Publikum streckenweise. Das ekstatische Potenzial einer N.E.R.D-Show wurde letztendlich aber nicht ausgeschöpft.

Minuspunkt: Belly

Die lauwarme Hip Hop-Show hat einen Namen: Belly. Altbacken und einfallslos spulte er seine Tracks runter und stiess damit auf äusserst verhaltene Begeisterung. Solche Performances gehören unter die Dusche und nicht auf eine Festivalbühne.

Superpunkt: Ski Mask The Slump God

Mit Energie, Sympathie und einem breiten Grinsen feierte der Mann aus Florida mit und im durchdrehenden Publikum eine schweisstriefende Rap-Party. 100 Punkte!

Pluspunkt: Danitsa

Die Genferin Danitsa, unser SRF 3 Best Talent (März 2018), eröffnete den letzten Tag des Openair Frauenfeld. Mit ihrer bestechenden Stimme und viel Charisma lieferte sie ab und kam an. Sicher cruiste sie durch ihr Set. Ganz durchgedrückt war das Gaspedal aber noch lange nicht.

Ausgangspunkt: Effe

Effe eröffnete das Openair Frauenfeld mit grossem Spassfaktor und Gastauftritten u.a. von Mimiks oder Chekaa. Ein Gute-Laune-Auftritt mit melodiösen Tracks zum Auftakt von drei Tagen Rap-Fieber.

Programmpunkt: Physical Shock

Anders als andere Acts konzentrierten sich Physical Shock nicht in erster Linie auf die Animation des Publikums. Sie steckten ihre Energie in ihre Tracks und Lines. An der Leistung auf der Bühne gibt’s überhaupt nichts auszusetzen. Der Auftritt war cool, professionell und abgeklärt.

Halber Punkt: Migos

Das Hip Hop-Trio aus Atlanta knallte eine abgeklärte Show auf die Bühne und wurde vom Publikum vom ersten bis zum letzten Ton getragen und gefeiert. Unvergessliche Festival-Momente lieferten am Openair Frauenfeld allerdings andere Acts.

Zusatzpunkt: Coely

Wie alle, die am Openair Frauenfeld mit Live-Band auftreten, kämpfte auch Coely damit, die Massen zu erreichen. Frauenfeld will Trap und Druck und Auto-Tune. Was die Belgierin musikalisch zu bieten hatte, war jedoch voller Seele und Herz.

Streitpunkt: Yung Hurn

Er sprang ein für Action Bronson und machte klar, dass er sich als polarisierendes Element der Szene weiterhin pudelwohl fühlt. Seine Anhänger, das sind viele, feierten den verpeilten Wiener bedingungslos. Andere nutzten den Moment, um sich zu verpflegen oder Energie für das nächste Konzert zu tanken. Bei seinem Überhit «Ok cool» musste man aber auch am Schnitzelbrotstand ein bisschen mitsingen.

Treffpunkt: Lil Uzi Vert

Wenn wir einen Rapper mit Rock-Attitüde suchen, dann finden wir den Amerikaner Lil Uzi Vert. Am Freitagabend feierte er mit seinen Jüngern eine Trap-Messe, die sich gewaschen hatte. Sein SM-Leder-Outfit mag gewisse Leute leicht verstört haben, an der Qualität seiner Performance zweifelte aber kaum jemand im dichtgedrängten Publikum.

Siedepunkt: Joey Badass

Der New Yorker Joey Badass brachte das Openair Frauenfeld zum Kochen. Er demonstrierte wie Boom-Bap-Rap daherkommen muss, um 2018 anzukommen. Einziger Negativ-Punkt: Badass verliess die Bühne 20 Minuten früher als geplant. Frauenfeld hätte ihn noch länger gefeiert.

Orientierungspunkt: Knackeboul

Knackeboul macht wieder Rap. Und es steht ihm gut. Mit seinem neuen Album «Asimetrie» im Gepäck, reiste er ans Openair Frauenfeld und fand ein Publikum. Explodiert ist während dieser Show die Stimmung nicht. Abgeliefert hat Knackeboul aber souverän.

Doppelpunkt: Denzel Curry

Würde Denzel Curry aus Florida nicht rappen, wäre er ein Rocker. Der 23-jährige steht richtiggehend unter Strom, wenn er eine Bühne betritt. Und so elektrisierte er auch das Publikum am Openair Frauenfeld, welches ihm die Energie mit Moshpits à gogo auf die Bühne zurückschmetterte.

Autor: Gregi Sigrist

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Gregi Sigrist ist Musikjournalist der Fachredaktion Musik Pop/Rock von Schweizer Radio und Fernsehen. Im Musik-Blog schaut er auf, unter und hinter aktuelle Musikthemen und ihre Nebengeräusche.

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