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Openair St. Gallen 2018 Openair St. Gallen 2018: Höhepunkt, Tiefpunkt und Knackpunkt

Welche Band wagte es, Pink Floyd zu covern? Welche Schweizer hätten mit Depeche Mode die Auftrittszeit tauschen können? Wer landete ohne Instrumente und Equipment im Sittertobel und liess sich nichts anmerken? Das war das Openair St. Gallen 2018. Punkt für Punkt.

Höhepunkt: Sigrid

Es gibt Leute, die sprechen von einem Hype. Ich spreche von einem Versprechen für die Zukunft. Was die 22-jährige Norwegerin an Musikalität ausstrahlt und wie sie 2018 der Popmusik ihren ganz persönlichen Stempel aufdrückt, ist beeindruckend. In St. Gallen kreuzte sie mit Band – aber ohne Instrumente und Equipment auf. Unfreiwillig. Das Gepäck der Band landete versehentlich irgendwo in Afrika. Unendlich cool, spielte sie ihre Show auf ausgeliehenem Material und liess sich dabei keine Sekunde aus der Ruhe bringen. Grossartig!

Tiefpunkt: Feine Sahne Fischfilet

Naja. Punk darf man so einiges nennen. Was Feine Sahne Fisch Filet in St. Gallen auf die Bühne brachten, war jedoch näher am Bierzelt angesiedelt als mir lieb ist. Musikalisch meist im nirgendwo, was okay wäre, wenn sie es durch die Attitüde hätten wettmachen können. Konnten sie aber nicht. Andere sehen das anders, was auch okay ist.

Superpunkt: Faber

Danke, Faber, dass du dein Ding so kompromisslos durchziehst. Du hättest damit auch scheitern können. Das weisst du genau. Bist du aber nicht. Du bist der lebende Beweis dafür, dass man auch 2018 Kunst und Kommerz unter einen Hut kriegt. Für mich ist Faber ein Leuchtturm der Schweizer Musikszene. Er weiss, dass man immer nur so gut ist wie das letzte Konzert, das man gespielt hat. Und so spielte er auch in St. Gallen: Als hätte er danach nie mehr die Möglichkeit, eine Bühne zu betreten. RESPEKT!

Kernpunkt: Depeche Mode

Depeche Mode kamen, sahen und lieferten ab. Der unbestrittene Headliner erfüllte die hohen Erwartungen und wurde dafür vom Publikum gefeiert. Wer die New-Wave-Legenden und ihre Live-Auftritte kennt, erlebte nichts Unerwartetes. Die Show ist routiniert. Der Schweiss immer noch echt.

Streitpunkt: Nine Inch Nails

Was hab ich mich auf Nine Inch Nails gefreut. Lange habe ich Trent Reznors Truppe nicht mehr gesehen. Und was passiert dann? Die NIN spielen anfangs von einem mässig bis kaum interessierten Publikum auf der Sitterbühne. Die Band war super. Der Zeitpunkt auch. Aber irgendwas stimmte da nicht. Wenn ich am Freitagabend an einem Nine-Inch-Nails-Konzert mühelos in die erste Reihe schlendern kann, dann ist die potenzielle Magie des Auftritts einer Rocklegende arg bedroht.

Treffpunkt: Sofi Tukker

Kann eine Band, die dafür gemacht ist, die Nacht zum Tag zu machen, nachmittags einen Festival-Tag eröffnen? Beim New Yorker Duo Sofi Tukker lautet die Antwort JA! Mit viel Bass und Spass animierte es das Publikum vor der Sitterbühne, die ersten Grashalme platt zu tanzen.

Orientierungspunkt: Crimer

Das Heimspiel des St. Gallers Crimer war solid. Er lieferte ab und wurde den Erwartungen mit Sicherheit gerecht. Ich frage mich trotzdem, was Crimer als Musiker sonst zu bieten hätte. Mit seinem 80ies-Sound baute er sich eine grosse Fangemeinde auf. Die Frage bleibt aber, wie Crimer klingen würde, würde er sich vom nostalgischen Ansatz des Musikmachens emanzipieren.

Knackpunkt: Portugal. The Man

Pink Floyd und T-Rex covern muss nicht sein. Auch nicht, wenn Portugal. The Man es tun. In solchen Momenten liess einen die Band aus Alaska kalt. Leider war auch die gesangliche Leistung suboptimal für das Wohlbefinden. Es auf den Punkt zu bringen, klingt anders. Erreicht haben Portugal. The Man ihre Fans am Openair St. Gallen trotzdem, was vor allem mit ihrer Spielfreude und ihrem Charisma zu tun hat.

Wendepunkt: Editors

Der Auftritt der Editors demonstrierte das Entwicklungspotenzial in Sachen Stimmung während einer Show: So wurde aus einer lauwarmen und beiläufig stattfindenden Vortragsübung ein Konzert mit Schweiss und Herzblut.

Elfmeterpunkt: Bonez MC & RAF Camora

Bonez MC & RAF Camora waren vor einem Jahr das ganz grosse Ding. Dass die Welle noch stark genug ist, um locker durch den Festivalsommer 2018 zu surfen, zeigten sie an ihrem gut besuchten Vorabendauftritt auf der Sitterbühne.

Glanzpunkt: Pedestrians

Das SRF 3 Best Talent (Dez. 2016) überzeugte am Openair St. Gallen auf der Hauptbühne. Die Band aus Baden brachte das Sittertobel in der gleissenden Nachmittagssonne zum Tanzen. Tolle Band. Gute Songs. Top-Stimme. So geht das.

Farbpunkt: Shame

Die britische Post-Punk-Band Shame war der einzige Act am Openair St. Gallen, der etwas Unberechenbares ausstrahlte. Diese Band weiss nicht zu hundert Prozent, was sie tut und daher weiss man auch nicht zu hundert Prozent, was passiert. Solche Bands sind in der Festival-Welt zur Zeit spärlich gesät, dürfen aber auf gar keinen Fall von der Bildfläche verschwinden.

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Anziehungspunkt: Hecht

Depeche Mode hatten am Samstagabend nicht mehr Leute vor der Bühne als Hecht am Sonntagnachmittag. Was gibt es da noch zu sagen? Diese Band feierte mit ihren Fans die Party des Openair St. Gallen. Es wird höchste Zeit Hecht als Headliner am Samstagabend zu buchen. Prost!

Pluspunkt: Lo & Leduc

Lo & Leduc kamen ohne Band und mit dem momentan grössten Ohrwurm «079» nach St. Gallen. Toll, die beiden wieder einmal so zu erleben. Mag sein, dass der eine oder andere ein paar Hits vermisst hat (Lo & Leduc spielen auf der Update-Tour nur Update-Songs) – das Publikum hatten sie aber trotzdem im Sack.

Autor: Gregi Sigrist

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Gregi Sigrist ist Musikjournalist der Fachredaktion Musik Pop/Rock von Schweizer Radio und Fernsehen. Im Musik-Blog schaut er auf, unter und hinter aktuelle Musikthemen und ihre Nebengeräusche.

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