Man denkt, dass das Studio einer solch einflussreichen Familie bestimmt inmitten einer pulsierenden Stadt liegt. Falsch gedacht. Das Studio The Leu Family’s Family Iron liegt in Sainte-Croix VD, total „im Gaggo“. Nach einer Viertelstündigen Autofahrt auf einen Hügel, steht da dann ein altes Haus mit grünen Fensterläden. Der Eingang ist versteckt. Das Studio war früher ein Ski-Shop und wurde von den Leus selber umgebaut.
Das zeigt schon ganz viel, wie die Familie Leu ist. Es sind keine lauten, eingebildeten „Plöffer“, welche gerne angeben mit ihrem Erfolg. Im Gegenteil. Wenn du zur Tür reinkommst, ziehst du deine Schuhe aus und kriegst ein Paar Finken zum Anziehen. Jeder solle sich bei ihnen wie zu Hause fühlen. Und das schaffen sie von der ersten Sekunde an.
Zur Familie Leu zu gehören ist Traum und Alptraum gleichzeitig
Matthieu K. Leu ist der Bruder von Titine, der Frau von Filip Leu, und wurde so in die Familie aufgenommen. Das Tätowieren wird in dieser Familie gelebt. „Ich denke immer ans Tätowieren, ich träume sogar vom Tätowieren“, sagt Matthieu, „zur Familie Leu zu gehören ist eine Ehre. Manchmal ist es auch hart und schwierig, es bedeutet extrem viel Arbeit und Hingabe. Ich arbeite von neun Uhr morgens bis um halb elf abends, immer. Es ist Traum und Alptraum gleichzeitig.“
Felix Leu, welcher vor 13 Jahren gestorben ist, hat Matthieu viel vom Tätowieren beigebracht. Es sei eine harte Ausbildung gewesen, Felix habe ihn aber stark gemacht und ihm gezeigt, dass das Tätowierer-Sein nicht ein lockeres Leben bedeute. „Manchmal war ich am zeichnen, dann kam Felix plötzlich von hinten angeschlichen und rüttelte an meinem Stuhl“, erinnert sich Matthieu, „weil ich auch bei einem Erdbeben ruhig weiterzeichnen lernen sollte“. Ich schaue Matthieu mit grossen Augen an. Die Leute reagieren meist wie ich, meint er. Aber Felix habe das nicht böse gemeint, sondern als Spass.
One family, one spirit
Felix hat Filip als seinen Nachfolger gepusht. Und Filip macht jetzt genau das gleiche mit Matthieu. Was Filip ihm bedeute, möchte ich von ihm wissen. „Filip ist für mich wie der Bruder, den ich nie hatte“, antwortet Matthieu. Grosse Worte. Und auch grosse Gefühle. Gefühle, wie sie sonst wirklich nur innerhalb einer Familie möglich sind.
Ich verabschiede mich, ziehe die geliehenen Finken aus und mache mich auf eine lange Heimfahrt. Ich weiss da noch nicht, dass mich dieses Treffen, diese spezielle positive Atmophäre im Studio, die erzählten Geschichten noch lange beschäftigen werden. Ich glaube du spürst am besten was ich meine, wenn du das Video oben mit Matthieu schaust. Oder dann das Portrait über Filip Leu, welches noch in dieser Staffel von «Inked» erscheint.