Kinderbilder teilen - Kinderfotos im Netz: Was gibt es zu beachten?
Bilder von Kindern in allen Lebenslagen finden sich im Netz – mit verschmiertem Gesicht oder nackt in der Badewanne. Meist geteilt von den Eltern. Kinderschutz-Organisationen warnen vor den Folgen.
Autor: Vera Büchi / Video: Milena Burch und Lars Epting
Über 80 Prozent der Kinder in Industrieländern haben vor dem zweiten Geburtstag einen digitalen Fussabdruck. Das zeigte eine Untersuchung 2010. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef schätzt, dass ein 12-jähriges Kind heute durchschnittlich 1'300 Fotos von sich selbst in den sozialen Medien findet.
Für das Phänomen, dass Eltern ihre Kinder in den sozialen Medien darstellen, gibt es den Begriff «Sharenting». Er setzt sich aus den englischen Wörtern «share» (teilen) und «parenting» (Kindererziehung) zusammen.
Wenn Eltern Bilder posten: Das sagen die Jugendlichen
Das Familienleben öffentlich machen
Manchmal landen Kinderfotos über Familien-, Papa- oder Mama-Blogs im Netz. Oder, wenn Eltern ihre Kinder zu Influencern machen. Doch auch abseits dieser Spezialfälle posten Eltern Bilder ihrer Kinder.
Viele Eltern kennen heute gar keinen anderen Weg als Facebook oder Instagram.
In vielen Familien sei das Posten von Kinderfotos selbstverständlich, meint Christian Bochsler, Mediator und Mediencoach. Er berät Jugendliche sowie ihre Eltern im Umgang mit sozialen Medien: «Viele Eltern kennen heute gar keinen anderen Weg als Facebook oder Instagram, um schöne Familienmomente mit Bekannten zu teilen.» Die Risiken würden meist nicht bedacht.
Warnung von Kinderschutz-Organisationen
Unicef warnte in einem Bericht 2017 ausdrücklich vor den Gefahren durch Sharenting. Auch die Stiftung Kinderschutz Schweiz hat bereits Kampagnen durchgeführt, um auf die diversen Risiken aufmerksam zu machen.
Die rechtliche Lage
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Hinsichtlich Kinderfotos im Netz sind zwei rechtliche Bestimmungen relevant:
Recht auf Privatsphäre:
Artikel 16 der UN-Kinderrechtskonvention garantiert Kindern schon ab Geburt, dass ihre Privatsphäre geschützt wird.
Recht am eigenen Bild:
Das Recht daran, ob ein Bild geknipst oder weiterverbreitet wird, gehört einem Kind schon ab Geburt.
Die Eltern als Erziehungsberechtigte übernehmen in den ersten Jahren die Ausübung dieser Rechte, erklärt Juristin Rita Jedelhauser. Sie hat sich intensiv mit Sharenting und dessen gesetzlichen Rahmen auseinandergesetzt: «Beim Festhalten von Erinnerungen für die Familie ist das Fotografieren der Kinder wenig problematisch. Schwierig wird es, wenn ein Bild den Familienkreis verlässt.» Hier sind Eltern nicht mehr nur Schützende, sondern auch Verletzende der Rechte der Kinder.
Ab einem gewissen Alter sollten Eltern ihre Kinder einbeziehen. Gesetzlich geregelt ist dieses Alter nicht. Untersuchungen lassen aber darauf schliessen, dass eine Mitsprache
spätestens im Kindergartenalter
wichtig wird. Jedelhauser sagt: «Ab dann haben Kinder eine neue soziale Sphäre. Und wissen selbst sehr genau, ob ihnen ein Bild von sich gefällt.»
Bleibt die Frage: Können Kinder ihre Eltern im Erwachsenenalter verklagen, wenn sie ihre Rechte verletzt sehen? Entsprechende Fälle aus der Schweiz sind Jedelhauser nicht bekannt. Sie rechnet damit, dass das Thema in den nächsten Jahren im Ausland aufkommen wird: «Ich könnte mir gut vorstellen, dass junge Erwachsene gegenüber Unternehmen wie Google das Recht auf Vergessen oder das Recht auf eine eigene Persönlichkeit im Netz einklagen.»
Zu diesen Risiken gehört, dass die Bilder dem Ansehen der Kinder schaden können bspw. bei der späteren Jobsuche. Sie können in falsche Hände geraten, bspw. von Pädophilen missbraucht werden. Denn grundsätzlich gilt: Ist das Foto im Netz, geht auch die Kontrolle über seine Verbreitung und Verwendung verloren. Und dann können die Bilder, speziell von peinlichen Situationen, Mobbing befeuern.
Eltern sollten sich fragen: Würde ich dieses Bild meines Kindes als Plakat am Zürcher Hauptbahnhof aufhängen?
Checkliste für Eltern
Kinderschutz Schweiz hält eine Checkliste mit Fragen bereit, welche Eltern vor dem Posten eines Bildes durchspielen sollten:
Habe ich das Recht oder Einverständnis, das Bild zu verwenden?
Wenn Nein, sollte das Bild nicht geteilt werden. Bei kleineren Kindern müssen die Eltern abwägen, welches der richtige Entscheid im Sinne des Kindeswohls ist.
Ist das Kind auf dem Bild erkennbar?
Wenn Ja, sollte das Bild nicht geteilt werden.
Bringe ich das Kind durch das Bild in Gefahr?
(bspw. durch sichtbare persönliche Daten wie Wohnort)
Wenn Ja, sollte das Bild nicht geteilt werden.
Stelle ich das Kind mit dem Bild bloss?
(bspw. in einer peinlichen Situation) Wenn Ja, sollte das Bild nicht geteilt werden.
Zeige ich das Kind in einer intimen Situation, unbekleidet oder in verfänglicher Pose?
(bspw. auf dem Klo, in Unterhose, etc.)
Wenn Ja, sollte das Bild nicht geteilt werden.
Würde ich dasselbe Bild von mir selbst in den sozialen Medien sehen wollen?
Wenn Nein, sollte das Bild nicht geteilt werden.
Mit Emojis unkenntlich machen?
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Einige Eltern machen ihre Kinder mit Bildbearbeitung auf Bildern im Netz unkenntlich: Sie legen Sticker, Emojis & Co. über Gesicht oder andere Stellen.
Immer wieder hört oder liest man, diese liessen sich mit bestimmten Apps leicht entfernen. Laut der Faktencheck-Website Mimikama ist das allerdings falsch: Verdeckte, aus einem Bild entfernte Inhalte lassen sich über die Apps (zumindest noch) nicht wiederherstellen.
Zuletzt nennt die Stiftung eine weitere Frage, welche sich Eltern vor dem Teilen von Kinderbildern gut überlegen sollten: Bringt es meinem Kind etwas, wenn ich dieses Bild teile? Oder geht es letztlich um mein eigenes Bedürfnis?
Oftmals helfe auch der Vergleich mit der analogen Welt, ergänzt die auf Kindesschutz spezialisierte Juristin Rita Jedelhauser: «Eltern sollten sich fragen: Würde ich dieses Bild meines Kindes als Plakat am Zürcher Hauptbahnhof aufhängen? Und zwar für alle sichtbar, und nicht nur für ein paar Tage, sondern für immer.»
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