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Brustkrebs MRI
Legende: Bei rund 30% aller Krebserkrankungen bei Frauen handelt es sich um Brustkrebs. Colourbox

Methadon gegen Krebs Ein neues Krebs-Wundermittel? Die Folgen einer Schlagzeile

Methadon soll Krebszellen zerstören, sagt eine Chemikerin aus Ulm. Sie löste damit einen Ansturm auf Krebsärzte aus, wie es ihn zuvor kaum je gab. Nichts sei bewiesen, so die Antwort der Onkologen. Und jetzt – was bleibt vom Heilversprechen übrig? «Input» forscht nach.

Sendung zum Thema Methadon und Krebs

Die Ausgangslage scheint einfach: Einsame Chemikerin kämpft gegen eine grosse Onkologen-Lobby. Das Sache ist jedoch um einiges komplexer. Denn hier verfolgt jeder und jede ganz eigene Interessen. Welche, lässt sich kaum belegen und den meisten Krebspatientinnen und Krebspatienten ist das wohl auch egal. Sie wollen einfach ein Mittel, das hilft.

Das ist Sache:

Die Ulmer Molekularbiologin Claudia Friesen sagt, Methadon soll die Chemotherapie effizienter machen und so ein längeres Überleben ermöglichen. Die Chemikerin entdeckte vor zehn Jahren zufällig, dass im Labor gezüchtete Leukämie-Zellen zugrunde gingen, wenn sie mit Methadon in Kontakt kamen.

Im April dieses Jahres berichtet das deutsche Fernsehen über dieses angebliche Heilsversprechen und löst damit einen riesigen Hype aus. Und die Nachricht verbreitet sich in Windeseile über die sozialen Medien.

Das sind die Folgen:

In Internetforen tauschen sich Krebspatienten über mögliche Dosierungen aus und versuchen auf illegalem Weg an Methadon heranzukommen. Das ist heikel, denn Methadon ist in gewissen Mengen tödlich.

Zudem werden Onkologen seit April von Anfragen überhäuft. Alle wollen mehr über die Methadon-Sache wissen – auch «Input» forscht nach und erhält überall die gleiche Antwort: «So etwas haben wir noch nie erlebt. Nicht einmal mit Cannabis.»

Für ein Interview waren die angefragten Onkologen jedoch nicht bereit. Man wolle sich nicht die Finger verbrennen, so der Tenor. Solange keine klinische Studie die Erkenntnisse von Claudia Friesen bestätigen würde, sei das Thema zu heikel.

Das ist die Rechtfertigung:

Claudia Friesen musste in der Zwischenzeit ihre Arbeit auf Eis legen, um alle Mails und Telefonate, die sie aus der ganzen Welt erreichen, beantworten zu können. Auch die Anfrage von «Input» nimmt sie entgegen.

Auf die Frage, ob sie es nicht bereue, den Weg über die Medien gewählt zu haben, meint die Chemikerin: «Nein, die Medien sind ja auf mich zugekommen.» Den Vorwurf, dass sie damit kranken Menschen falsche Hoffnungen bereite, weist sie klar von sich. Mittlerweile wurde auch Kritik laut, Friesen sei nicht nur selbstlos, sondern verfolge auch eigene Interessen, da die Universität Ulm das Patent auf die Kombination von Methadon und Chemotherapie besitze.

Und jetzt?

Antworten zum Umgang mit einer solchen Schlagzeile gibt es von Palliativarzt Daniel Büche. Er leitet die Onkologie Abteilung am Kantonsspital St. Gallen. Er findet es spannend, dass da eventuell eine neue Wirkung von Methadon entdeckt wurde. Auch er würde jedoch keinem Patienten Methadon als Krebsmittel verschreiben.

Möglich sei es aber, so Daniel Büche, das Schmerzmittel Morphin durch Methadon zu ersetzen. «Wenn es dann den positiven Effekt hat, dass der Tumor zurückgeht, dann spricht aus meiner Sicht nichts dagegen.»

Nun sei es aber wichtig, dass die Fachwelt nicht einfach abblocke. Der Palliativmediziner appelliert an seine Kollegen von der Onkologie: «Ich hoffe, dass sie den Mut haben, die Erkenntnisse von Frau Dr. Friesen aufzunehmen und etwas Konstruktives daraus zu machen.»

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