Ganz ehrlich: Ich habe lang daran rumstudiert, warum ich diese Serie so mochte. Denn eigentlich ist «Patrick Melrose» ziemlich schwer zu verdauen. Alles, was in der Serie passiert, ist tragisch.
Drogensucht
Protagonist Patrick Melrose ist schwer drogensüchtig. Er nimmt alles, was ihm in die Finger kommt: Valium, Kokain, Heroin. Und sein Frühstückswhiskey steht schon auf dem Nachttisch bereit. Ein einigermassen normales Leben führt Patrick Melrose nur, weil er dank schwerreichem Elternhaus finanziell gut dasteht. So landet er nicht in der Gosse.
Vergewaltigungen
À propos Elternhaus: Besonders schlimm sind in der Serie die Rückblenden in seine Kindheit. Eine kaputtere Familie als die von Patrick Melrose habe ich noch nie gesehen. Der Vater ein bösartiger, brutaler Mann. Er schlägt seinen Sohn und vergewaltigt ihn regelmässig. Die Mutter eine egozentrische, selbstmitleidige Frau. Statt sich um ihren Sohn zu kümmern, dröhnt sie sich mit Schmerzmitteln und Alkohol zu.
Diese Familiengeschichte ist umso bedrückender, wenn man weiss, dass die Serie auf halb-biografischen Romanen von Edward St Aubyn beruht. Der Autor wurde selbst als Kind misshandelt und war schon als Teenager drogensüchtig.
Das ist alles wirklich grauenhaft mitanzusehen. Und trotzdem liebe ich diese Serie heiss. Warum nur?
Es könnte der «Klatschheftli-Effekt» sein. Ein Einblick in die kaputte Welt der Superreichen. Als armer Schlucker sieht man gern, dass auch Millionen von Dollars nicht glücklich machen. Hier dockt die Serie an einer gewissen niederen Neugier des Menschen an.
Hauptgrund, warum mich die Serie reinnahm, ist aber der tolle Protagonist. Patrick Melrose. Brilliant gespielt von «Sherlock»-Star Benedict Cumberbatch. Ihm fühle ich mich nah. Seine Probleme sind zwar sicher eine Nummer grösser als meine. Aber was ich von mir selbst auch kenne: Patrick versucht immer wieder, sich zusammenreissen und ein besseres Leben zu führen. Natürlich vergeblich.
Menschlicher Junkie
Und Patricks Versuch, mit seiner Familiengeschichte irgendwie klar zu kommen, dürfte viele Serienzuschauer an ihr eigenes Leben erinnern. Patrick Melrose ist eine hochmenschliche Serienfigur in einer sehr unmenschlichen Serienwelt. Und genau so fühle ich mich häufig auch – im richtigen Leben.
SRF zwei zeigt «Patrick Melrose» ab Montag 9. September täglich nach 22.50 Uhr. Jede Episode ist nach TV-Ausstrahlung 30 Tage lang auf PlaySRF verfügbar. Ab 14.9. ist somit die ganze Serie online.