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Ex-Häftling Iloh Emenike zuhause bei seiner Schwester in Nigeria, auf seinem Arm sein Neffe.
Legende: Ex-Häftling Iloh Emenike zuhause bei seiner Schwester in Nigeria, auf seinem Arm sein Neffe. ZVG

SRF 3 zeigt Flagge Tom Gisler ruft Ex-Häftling an, als dieser gerade entführt wird

SRF 3-Moderator Tom Gisler hat zum ersten Mal in seinem Leben ein Gefängnis betreten. Im April traf er zwei ausländische Häftlinge zum Gespräch. Einer der beiden ist unterdessen wieder auf freiem Fuss. Als Tom erneut mit diesem in Kontakt tritt, entwickelt sich eine neue Kriminalgeschichte.

Plötzlich bin ich mittendrin in diesem Krimi, wo das Leben eines Menschen auf dem Spiel steht. Eine Entführung im fernen Afrika. Dass auch ich darin ich eine Rolle spiele, erfahre ich allerdings erst als sie glimpflich zu Ende gegangen ist. Iloh Emenike ist unversehrt geblieben und kann mir also auch berichten, was sich zugetragen hat. Aber schön der Reihe nach.

Eigentlich ist ja Iloh Emenike der Verbrecher. Sonst hätte er in der Schweiz nicht acht Jahre hinter Gittern gesessen. Noch immer will er mir nicht verraten, für welches Delikt er verurteilt worden war. Nur so viel: Er findet das Urteil nach wie vor zu hart.

SRF 3 zeigt Flagge

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Die Highlights der Themenwoche vom April 2016 gibt es hier .

Ein freundlicher Mann

Ich traf Iloh Emenike im April diesen Jahres in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg. Ein freundlicher Mann aus Nigeria, der sich in der für ihn fremden deutschen Sprache auffallend gewählt ausdrückte. Wir sprachen über das Konfliktpotenzial, wenn verschiedene Nationalitäten im Gefängnis zusammentreffen und er erklärte mir, dass er ein vorbildlicher Häftling sein will, um frühzeitig aus der Haft entlassen zu werden, was dann drei Monate später auch geschah. Iloh Emenike konnte im Juli das Gefängnis verlassen, wurde aber auf direktem Weg in sein Heimatland Nigeria ausgeschafft.

Ein halbes Jahr nach unserem Treffen, nehme ich per E-Mail Kontakt mit ihm auf. Ich will wissen, wie es ihm ergangen ist, ob er sich in Nigeria gut wiedereingegliedert hat und wie er im Rückblick sein Leben in der Schweiz bewertet. Er freut sich über meine Mail und wir vereinbaren einen Termin für ein telefonisches Gespräch. Am besagten Tag erreiche ihn an aber nicht. Ich meine zwar, am anderen Ende der Leitung jemanden zu hören, aber die Verbindung bricht ab. Alle weiteren Versuche, Iloh Emenike an diesem Tag auf dessen Handy zu erreichen, laufen ins Leere.

Am folgenden Tag meldet er sich per E-Mail:

Ich war einfach nicht in der Lage Ihre anrüfe entgegen zunehmen. Ich würde Gestern Mittag entführt und war bis heute Abend ein geisser. Ich bin wirklich sehr froh mit dem Leben davon zu kommen. Es tut mir unendlich Leid dass ich nicht zugegen war.
Tom Gisler im Gespräch mit Iloh Emenike im Gefängnis Lenzburg.
Legende: April 2016: Tom Gisler im Gespräch mit Iloh Emenike im Gefängnis Lenzburg. SRF 3/Claudia Herzog

Ich rufe ihn wieder an. Diesmal erreiche ich ihn. Er halte sich nicht in Nigeria auf, sondern lebe zurzeit in Liberia, erzählt mir Iloh Emenike. Wie bereits in Nigeria, habe er jetzt auch in Liberia einen Laden für Autoersatzteile eröffnet. Liberia sei ein armes, wirtschaftlich unterentwickeltes Land, wo er sich gute Geschäfte verspreche. Allerdings würden immer wieder «wohlhabende» Nigerianer entführt, um Lösegeld zu erpressen.

Dies sei nun auch ihm widerfahren. Gerade in dem Moment als ihn fremde Männer unter einem Vorwand aus seinem Laden gelockt und in ein Auto gezerrt hätten, hätte ich angerufen. Er habe den Anruf entgegengenommen und um Hilfe gerufen, aber seine mit Messer bewaffneten Geiselnehmer hätten ihm das Handy aus den Händen gerissen. Weil sich die Männer zerstritten, sei ihm viele Stunden später glücklicherweise die Flucht gelungen.

Die Vergangenheit hinter sich lassen

Iloh Emenike

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Der Nigerianer hat zehn Jahre seines bisherigen Lebens in der Schweiz verbracht. Davon ein grosser Teil im Gefängnis Lenzburg. Tom Gisler hat den 30-Jährigen während der Themenwoche «SRF 3 zeigt Flagge» dort besucht.

Wir telefonieren etwa eine halbe Stunde. Er schildert mir die abenteuerliche Entführungsgeschichte in allen Details. Er erzählt mir auch, wie er von seiner Familie ausgelacht worden sei, als er mit «total aus der Mode geratenen Kleidern» in Nigeria gelandet war und dass er noch immer im Kontakt stehe mit ehemaligen Mitgefangenen in Lenzburg. In die Schweiz zurückkehren dürfe er im Moment nicht und er strebe dies auch gar nicht an. Er wolle diesen unrühmlichen Teil seiner Vergangenheit hinter sich lassen.

Es war die Liebe, die Iloh Emenike in die Schweiz geführt hatte. Sie brachte ihm kein Glück. Nun lebt er in Liberia. Wieder ist er Ausländer. Und einfach scheint es auch diesmal nicht zu werden. Aber er klingt zuversichtlich. Und freundlich. Und noch immer drückt er sich sehr gewählt aus, auch wenn er sich mehrfach dafür entschuldigt, dass sein Deutsch in den paar Monaten, die er jetzt wieder in Afrika lebt, deutlich schlechter geworden sei.

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