«Die Nacht macht das Leben nicht besser, nur dunkler. Das ist gut für unsereins, denn im Dunkeln passieren Dinge, welche die Leute versuchen zu verstecken.» So ein Zitat des Privatdetektivs Philippe Maloney aus der gleichnamigen SRF-Serie.
In der Folge «Schlafende Hunde» geht es um eine Schlafwandlerin, die behauptet, einen Mord begangen zu haben. Ist so etwas tatsächlich möglich?
Volles Bewusstsein fehlt
«Das Schlafwandeln ist ein sogenanntes teilweises Erwachen aus dem Tiefschlaf», sagt Helen Slawik, Psychiaterin und Schlafmedizinerin an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. «Teilweise, weil man eben aus dem Bett aufsteht oder sich auch nur aufsetzt, und Handlungen vollzieht, sich aber nicht daran erinnern kann.» Mit anderen Worten: Beim Schlafwandeln ist man nicht bei vollem Bewusstsein.
Ausgelöst werden solche Episoden meist durch Schlafmangel und psychischen Stress. Auch die Veranlagung spielt eine Rolle. In fortgeschrittenem Alter können Verhaltensauffälligkeiten aus dem Traumschlaf auftreten, die abrupter und aggressiver sind als beim Schlafwandeln. Diese können auf neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson hinweisen.
«Wer schlafwandelt, kann durchaus simple Tätigkeiten ausüben», sagt Slawik: aufstehen, herumlaufen, Fenster und Türen öffnen, sprechen. Aber Geschichten, wie die des Kochs, der in der Nacht schlafwandelnd Menüs zubereitet, sind kaum möglich.
Gleiches gilt für den LKW-Fahrer, der auf einer anderen Raststätte aufwacht als auf jener, auf der er am Vorabend parkiert hat und eingeschlafen ist. «Solche Ereignisse sind bei einer Veranlagung zum Schlafwandeln zwar wahrscheinlicher. Aber sie deuten wohl eher auf eine Art Schlaftrunkenheit in Verbindung mit gewissen Substanzen wie speziellen Schlafmitteln hin.»
Und wie steht es mit der Aggressivität im Schlaf? «Manchmal sind Schlafwandler schlecht gelaunt, wenn man mit ihnen interagiert oder sie ins Bett zurückführen will.» Aber gezielt aggressiv seien sie eher nicht. Trotzdem kommt es vor, dass vermeintliche Schlafwandler aufgrund von Straftaten vor Gericht landen.
Ausführliches Gutachten nötig
Marc Graf, Professor für forensischer Psychiatrie an der Uni Basel, erinnert sich an wenige Fälle in den letzten Jahrzehnten. «Dabei ging es um Vergewaltigung, sexuelle Belästigung und in einem Fall um mehrfache versuchte Tötung mit einem Messer.»
Aber einfach zu behaupten, man habe eine Tat schlafwandelnd ausgeübt, geht nicht. «Da braucht es ein Gutachten, das zeigt, ob es aus medizinischer Sicht nicht nur denkbar, sondern auch wahrscheinlich ist, dass die Person zum fraglichen Tatzeitpunkt schlafgewandelt hat.»
Das Gutachten besteht unter anderem aus einer ausführlichen Untersuchung inklusive Befragung der angeschuldigten Person, deren Umfeld, des Opfers sowie einer schlafmedizinischen Untersuchung im Schlaflabor. «Eine Herausforderung dabei ist, dass die angeschuldigte Person keine Erinnerungen an die Tat hat – sofern sie wirklich schlafwandelt.»
Auch Graf erwähnt Substanzen, die bei komplexeren Schlafhandlungen meist im Spiel sind. «Alkohol, Drogen oder spezifische Schlafmedikamente machen das Ganze noch komplizierter.» Letztlich entscheidet das Gericht, ob eine verminderte oder gar aufgehobene Schuldfähigkeit aufgrund des Schlafwandels oder einem ähnlichen Zustand glaubhaft und plausibel ist.