Der BH ist für viele Frauen ein Alltagsgegenstand. Und dennoch: Das deutsche Hohenstein Institut kommt zum Schluss, dass mindestens 50 Prozent der Frauen nicht wissen, welche die richtige Grösse für sie ist. Entsprechend tragen viele oftmals die falsche BH-Grösse. Das hat diverse Gründe.
Die falsche Körbchengrösse
Es ist einerseits nicht einfach, die passende Körbchengrösse herauszufinden. So müssen Frauen ihre Brustgrösse zwangsläufig in zwei Massen angeben: Körbchen plus Unterbrustumfang. Dieses Masssystem stammt aus den USA und hat sich in den letzten 90 Jahren nicht verändert.
Bei einem 75C steht die «75» für den Unterbrustumfang. Der Buchstabe, beispielsweise «C», steht entgegen der geläufigen Meinung aber nicht für das Brustvolumen, sondern für das Verhältnis zwischen Brustumfang und dem Unterbrustumfang. Wer einmal dieses Mass berechnet hat, muss in einer Tabelle den entsprechenden Buchstaben heraussuchen.
Weiter kommt hinzu, dass die Brüste von Frau zu Frau verschieden sind. Sie unterliegen auch während des Lebens stetigen Veränderungen: Durch Hormone, Schwangerschaften, Stillen, dem allgemeinen Alterungsprozess und die Wechseljahre verändern sich Form, Straffheit und Gewicht der Brüste.
Und: Die Grösse, die einer Frau bei einem Unterwäschegeschäft passt, kann im nächsten Geschäft schon wieder zu gross oder zu klein sein. Das verunmöglicht vielen Frauen, einen passenden BH online zu kaufen.
Eine Alternative zum Standard
Seit einigen Jahren sind jedoch zunehmend Bemühungen im Gang, individuellere Lösungen für Frauen anzubieten. Und gleich zwei Schweizer Firmen, ein Start-up aus Zürich und eines aus dem Bündnerland, arbeiten ganz vorne mit an einem BH ohne standardisierte Masse wie 75C.
Die Geschichte des BHs
-
Bild 1 von 6. Wann wurde der erste BH benutzt? . Die ersten BH-ähnlichen Modelle wurden vermutlich bereits im antiken Griechenland verwendet. Frauen banden sich beim Sport ihre Brüste mit Bändern aus Wolle oder Leinen ab, um männlicher zu erscheinen. Bildquelle: Depositphotos_izanbar.
-
Bild 2 von 6. Wann wurde der BH in seiner heutigen Form erfunden? . Mehrere Personen liessen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts die Grundlagen des heutigen BHs patentieren. Hugo Schindler befestigte Kappen mit Bändern an einem Gürtel und meldete 1893 in Tschechien ein Patent an. In den Medien gilt jedoch oft Mary Phelps Jacob als Erfinderin des modernen BHs (siehe Bild) – mit Patent 1914 in den USA. Bildquelle: Wikipedia gemeinfrei_JacobPatent1914pg2.
-
Bild 3 von 6. Wie hat sich der BH über die Zeit entwickelt? Mit den gesellschaftlichen Trends haben sich Passform und Komfort von BHs immer wieder gewandelt. In den 1920er-Jahren sollten die Brüste eher kleiner erscheinen. In den 1930er-Jahren ging der Trend hin zu einer sehr natürlichen Passform, bevor BHs in den 1940er- und 1950er-Jahren (wie hier im Bild) eine nach vorne zugespitzte Form erhielten. Bildquelle: IMAGO/imagebroker.
-
Bild 4 von 6. 1968: Protest gegen das Patriarchat. Weltweit entwickelte sich 1968 der Trend, dass Frauen ihre BHs verbrannten als Protest gegen das Patriarchat – wie hier in Toronto, Kanada, am internationalen Frauentag. Bildquelle: Getty Images/Bettman.
-
Bild 5 von 6. Sex-Appeal: Der Push-Up wird modern. In den 90er-Jahren wurde Eva Herzigová über Nacht weltberühmt. Das Plakat mit ihr und dem ersten Wonderbra mit der Aufschrift «Hello Boys» soll zu mehreren Autounfällen geführt haben. Bildquelle: IMAGO / United Archives International.
-
Bild 6 von 6. Und heute? Heute geht der Trend hin zu bequemen und weichen BHs oder Bralettes, einer Art bügelloser BH ohne Polsterung, auch gern als Fashionstatement unter einem Blazer. Seit der Corona-Pandemie und im Zuge der Body-Positivity-Bewegung entscheiden sich mehr Frauen dafür, keinen BH zu tragen. . Bildquelle: Getty Images/ Jeremy Moeller.
Kathrin Grossenbacher und Isabella Stoklossa haben 2022 die Firma BRAva gegründet, die mithilfe eines Videoscans BH-Grössen messen will und diese dann durch KI in ein Strickmuster übersetzen lässt. Im zweiten Schritt wird der BH dann mithilfe einer Strickmaschine gefertigt. Sie sagt: «Wir haben den ersten Prototypen entwickelt und merken, dass wir noch ein paar Lücken schliessen müssen.» Ziel sei es, in rund fünf Jahren die ersten BHs auf den Schweizer Markt zu bringen.
Schon weiter sind Linda und Mathias Durisch, eine Textilingenieurin und ein Industriedesigner. Sie haben mit ihrer Firma myne im Frühjahr einen Mass-BH auf den Schweizer Markt gebracht. Es ist ein BH, der ohne Bügel auskommt und mithilfe von KI und einer computergesteuerten Präzisionsmaschine gefertigt wird. Auch hier wird die Brust mittels Videoscan zu Hause ausgemessen und mit dem Datensatz des deutschen Hohenstein Instituts abgeglichen. Der BH selbst besteht aus Silikon und soll genau zur Kontur der jeweiligen Brust passen. Rund 130 Franken müssen Kundinnen für so einen massgefertigten BH bezahlen.
Ein Beitrag an die Nachhaltigkeit
Ob die Nachfrage nach individuell angepassten BHs ausreichend gross ist, muss sich erst zeigen. In puncto Nachhaltigkeit jedenfalls sind sich beide Firmengründerinnen einig: Da rund 25 Prozent der BHs nie verkauft und weitere 25 Prozent nie genutzt würden, würde der ökologische Fussabdruck durch ihre neuen Produkte reduziert.