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Unseren Gaumen beeinflussen Ist Geschmack eine Willensfrage?

Oliven haben einen intensiven und unverwechselbaren Geschmack. Während Erwachsene oft regelrecht von Oliven schwärmen, weigern sich viele Kinder hartnäckig, auch nur einen Bissen davon zu essen. Doch woran liegt das? Können wir uns an den Geschmack von Lebensmitteln gewöhnen?

Geschmack ist faszinierend. Warum mögen wir manches Essen und anderes nicht? Die Dozentin für Ernährung an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, Christine Brombach, ist der Meinung, dass Geschmack eine Frage der Gewöhnung ist. Laut ihr müssen wir einen Geschmack acht bis 16 Mal probieren, bis wir ihn mögen. Doch ist es so einfach?

Ein Mann beisst genüsslich in ein Toast mit Schinken und Oliven
Legende: Oliven – ein Lebensmittel, welches bei erwachsenen Personen sehr beliebt ist, bei Kindern eher für verzerrte Gesichter sorgt. iStock/skynesher
Je älter wir werden, desto mehr können wir uns an bestimmte Lebensmittel gewöhnen.
Autor: Patrick Zbinden Sensoriker

Vor allem als Kind ist es schwierig, sich Essen anzutrainieren. Denn dann wirkt unser biologisches Schutzprogramm. So nehmen viele Kinder den Geschmack von Oliven als zu bitter wahr. «Je älter wir werden, desto mehr können wir uns an Lebensmittel gewöhnen», erklärt Sensoriker Patrick Zbinden. Fakt ist aber auch, dass unsere Geschmacksvorlieben von x-Faktoren abhängen.

Experte Patrick Zbinden

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Der Experte Patrick Zbinden steht vor seinem Bücherregal zuhause mit verschränkten Armen.
Legende: Patrick Zbinden bei sich zuhause vor einem Teil seiner Büchersammlung. Alles Bücher drehen sich irgendwie um's Thema Lebensmittel und Essen. SRF

Patrick Zbinden ist ausgebildeter Fachmann für Kulinarik mit Schwerpunkt Lebensmittel-Sensorik.

Seit über 20 Jahren leitet er regelmässig Degustations- und Schulungsseminare.

Der biologische Einfluss

Genetik und evolutionär abgespeichertes Verhalten spielen eine bedeutende Rolle bei der Geschmackswahrnehmung. So ziehen wir zum Beispiel Süsses dem Bitteren vor. Denn in der Natur bedeuten Bitterstoffe eher «giftig», und Süsse stehe für Energie, meint der Sensoriker.

Nahaufnahme von Neuronen des Gehirns
Legende: Wir mögen von Natur aus süsse Lebensmittel mehr als bittere. Dies ist evolutionär bedingt. colourbox/Kiyoshi Takahase Segundo

Die hierfür wichtigen Gene sind individuell ausgeprägt. Einige Menschen nehmen Bitterkeit intensiver wahr als andere. Als erwachsene Person kann man diese Einflüsse bewusst steuern.

Neophobie – die Angst vor neuen Lebensmitteln

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Vom ca. zweiten bis zum sechsten Lebensjahr durchläuft der Mensch die Phase der «Neophobie». Das ist die Furcht von etwas Neuem. Sie ist evolutionär angelegt und deshalb lernen Kinder erst mit der Zeit, ein Lebensmittel mehr zu mögen.

Die Nahrungsmittel-Neophobie wird als normale Phase in der Entwicklung eines Kindes angesehen und tritt bei 50 bis 75 Prozent aller Kinder auf.

Der Einfluss der Gesellschaft

Auch psychologische und soziale Faktoren sind von Bedeutung, denn wir lassen uns von unserer Umwelt beeinflussen. Das bedeutet, dass wir Lebensmittel oft häufiger mögen, die in unserem Umfeld konsumiert werden. Gehören beispielsweise Oliven zum Apéro dazu, dann sind wir diesen gegenüber eher positiv eingestellt. Entsprechend spielt die soziale Prägung eine wichtige Rolle bei der Entwicklung unserer Geschmacksvorlieben.

Gesellschaftsphänomen: Kaffee und Bier

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Ein gutes Beispiel für den Einfluss der Gesellschaft auf Geschmacksvorlieben und -abneigungen sind der Konsum von Bier und Kaffee. Dürfen die Kinder ausnahmsweise mal einen Schluck davon probieren, verziehen sie meistens das Gesicht und mögen die Getränke nicht. Sie schmecken ihnen zu bitter. Erst mit dem Älterwerden ändert sich die Einstellung dazu bei vielen Personen. Ein Faktor, der dabei eine Rolle spielt, ist der Einfluss der Gesellschaft. Sobald wir in die Pubertät kommen, beobachten wir, dass andere Menschen Bier und Kaffee trinken, ohne daran zu sterben. Ausserdem liefern uns die beiden Getränke beide einen positiven Effekt: Kaffee macht uns wacher und von Bier werden wir berauscht. Dies führt dazu, dass wir die Getränke auf einer anderen Ebene beginnen zu akzeptieren und sogar zu geniessen.

Der Einfluss des Einkommens

Auch die Umstände, unter denen wir aufwachsen, spielen eine Rolle. «Das finanzielle Einkommen und der Bildungsstand beeinflussen unsere Ernährung und so auch die Vorliebe zu gewissen Lebensmitteln», sagt Patrick Zbinden. Häufig sind die Eltern Vorbilder. Wenn sie sich schlecht ernähren, müssen sich die Kinder gesundes Essen später bewusst antrainieren.

Der Einfluss der Medien

Nebst der Gesellschaft prägen auch Werbung und die sozialen Medien die Wahl des Essens und die Wahrnehmung. Oftmals wird uns suggeriert, dass bestimmte Produkte trendy oder gesund sind. Dies kann dazu führen, dass wir uns manipulieren lassen und sich unsere Geschmacksvorlieben entsprechend anpassen.

Die Selbstmanipulation des Geschmacks

Was wir Essen oder nicht ist also von x-Faktoren abhängig und wandelbar. Man kann sich teilweise selbst manipulieren und lernen, Essen zu mögen. Unser Gehirn kann Geschmäcker mit Emotionen verknüpfen und positive Erfahrungen können dazu führen, dass wir etwas mögen.

Entscheidend ist auch, dass man sich der Qualitäten bewusst ist: «Es gibt immer wieder Oliven von schlechter Qualität. Wenn man sich an den Geschmack von Oliven gewöhnen möchte, sollte man bewusst auf hochwertige Oliven setzen», sagt der Sensoriker.

Ganz viele Gemüse auf einem Haufen. Karotten, Pilze und Salat.
Legende: Gerade Kinder mögen vieles Gemüse nicht. Doch auch unter den Erwachsenen gibt es Personen, welche nicht wirklich Fan vom gesunden Lebensmittel sind. EyeEm-pj pink-100137138-p-94421614

Der Geschmack hängt jedoch nicht nur von eigenen Vorlieben ab. Laut Patrick Zbinden ist Geschmack von vielen Faktoren abhängig und nicht nur eine Frage des Willens. Schlussendlich bleibt die Geschmacksbildung eine spannende Reise, bei der wir die Wahrnehmung in unserem Gaumen immer wieder neu entdecken können.

SRF 3, Aktuell, 9.8.2023, 6:15 Uhr

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