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Weg zum Eishockeyprofi Fahren, waschen, kochen: die Eltern hinter der Eishockeykarriere

Der Weg in den Profisport ist ein Puzzle mit vielen Teilen. Gerade, wer Eishockeyprofi werden möchte, braucht nebst Talent auch Eltern, die viel Zeit und Geld investieren. Eine Mutter, ein Nachwuchstrainer und Profi-Eishockeyspielerin Alina Müller über Aufwand und elterliche Unterstützung.

«Ich fühle mich als Mutter und Frau, nicht als Hockey-Mom», sagt Nicole Schläfli. Hockey-Mom, ein Begriff aus Nordamerika, der Mütter beschreibt, die viel Zeit und Herzblut darin investieren, ihre Kids ins Eishockeytraining zu fahren oder an den Matches zu begleiten. Auch wenn sie die etwas überspitzte Bezeichnung nicht mag: Schläfli und ihr Mann leisten einiges, um dem Nachwuchs das geliebte Hobby zu ermöglichen.

Schläflis wohnen in der Region Zürich, ihre drei Söhne spielen seit Jahren Eishockey. Der zwanzigjährige Yann spielt beim EHC Bülach in der MyHockey League, der dritthöchsten Schweizer Spielklasse. Die beiden jüngeren Söhne, Niels und Luc, in der U17 und der U13 der ZSC Lions.

Bub in Eishockeymontur mit Stock, Helm, Schlittschuhen in einem Trikot der Chicago Blackhawks.
Legende: Knirpse auf Kufen: Alle drei Schläfli-Buben haben sich fürs Eishockey entschieden – auch Luc, der jüngste der Brüder. zvg/Nicole Schläfli

«Mein Mann hat früher auch Eishockey gespielt, das hat sich offenbar auf die Jungs ausgewirkt.» Dies, obwohl man die Buben explizit darauf hingewiesen habe, dass es noch viele andere Sportarten gebe – nicht nur Eishockey. «Ins Training bringen, abholen, waschen, kochen, die ganzen Termine im Griff haben – das gibt schon zu tun.»

Ohne meinen Mann, die Schwiegereltern und Fahrgemeinschaften wäre der Aufwand kaum zu stemmen gewesen.
Autor: Nicole Schläfli Mutter von drei Eishockeyspielern

Zumal die Buben stets in unterschiedlichen Altersklassen, teilweise in anderen Eishallen trainierten und spielten. «Ohne meinen Mann, der selbstständig ist und sich seine Arbeit einteilen kann, und ohne die Schwiegereltern sowie Fahrgemeinschaften wäre das kaum zu stemmen gewesen», sagt Nicole Schläfli.

Eishockeyausrüstung mit Helm, Trikot, Hosen und Handschuhen auf einem Regal oder im Wäschekorb.
Legende: Und dann ist da auch noch die Wäsche: Eltern junger Eishockeyspieler haben viel zu tun. zvg/Nicole Schläfli

«An Mittwochnachmittagen war ich teilweise dreieinhalb Stunden mit dem Auto unterwegs, um die Kinder ins Training zu fahren.» Je nach Club, Stufe und Level stehen für die Junioren wöchentlich drei bis vier Trainings an, hinzukommen morgendliche Zusatztrainings und je nach Modus bis zu 30 Saisonspiele.

«Eishockey nicht die günstigste Sportart»

Benzinkosten, Jahresbeiträge, Material, Kosten für Trainingslager: Da läppern sich jährlich rasch einige Tausend Franken zusammen. Erst im Februar spielte Luc zudem am Québec International Pee-Wee Hockey Tournament, der inoffiziellen U13-Weltmeisterschaft in Kanada. Die Eltern waren mit dabei.

Packliste für Eishockeyjunioren mit aufgelisteten Begriffen wie Handschuhe, Helm, Knieschoner und anderen.
Legende: Packen fürs Training: «Gugi», auch «Glöggeler» genannt, sind Mundartbegriffe für den Tiefschutz. zvg/Nicole Schläfli

«Eishockey ist sicher nicht die günstigste Sportart», sagt Schläfli. «Man muss sich als Eltern schon gut überlegen, ob das alles drin liegt.» Inzwischen hat sich immerhin der zeitliche Aufwand etwas gelegt. «Der älteste Sohn ist derzeit im Militär, die beiden jüngeren besuchen das Sportgymnasium und fahren nach der Schule direkt ins Training.» Ob es einer von ihnen zum Profi schafft?

«Gewisse Fähigkeiten sieht man schon früh»

In der Regel beginnen Kinder im Alter zwischen drei und fünf Jahren mit Eishockey. Nach der sogenannten Hockeyschule durchlaufen sie verschiedene Jahrgangsstufen von der U9, also den unter Neunjährigen, bis zur U20.

Eishockey in der Schweiz

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Eishockey zählt in der Schweiz nebst Fussball und Ski zu den beliebtesten Sportarten – zumindest, was das Interesse des Publikums betrifft. Gemäss «statista.com» gibt es landesweit rund 280 Eishockeyvereine mit gesamthaft etwa 27'000 Mitgliedern (Stand 2020). Zum Vergleich: Spitzenreiter sind die Turnvereine mit fast 3000 einzelnen Vereinen. Im Fussball gibt es circa 1400 Clubs.

Ab dem Teenager-Alter werden die besten Spieler zusätzlich für kantonale, später regionale Auswahlen selektioniert und von Scouts gesichtet. «Da geht es beispielsweise um die Chance, in die U16-Nationalmannschaft zu kommen», sagt Beat «Böbu» Wälte, ein Urgestein in der Schweizer Juniorenförderung.

Wälte arbeitet als Ausbildungschef beim SC Bern und der kantonal bernischen Auswahl. «Beweglichkeit, kognitive Stärken – gewisse Fähigkeiten sieht man schon früh», sagt er. «Das ist aber noch lange keine Garantie für eine Eishockeykarriere.»

Drei Kinder in Eishockeymontur jagen in der Eishalle dem Puck nach.
Legende: Früh übt sich, wer Eishockeyprofi werden will: Die meisten Kinder beginnen im Alter von zwischen drei und fünf Jahren mit Eishockey. Keystone/Sandra Burger

Im Bereich U15 werden die ersten Weichen gestellt. Um Schule und Eishockey optimal unter einen Hut zu bringen, bietet sich für die Junioren die Möglichkeit, eine Sportschule zu besuchen. Im Optimalfall tastet sich ein Spieler so nach und nach ans Profilevel heran, wird möglicherweise in tiefere Ligen ausgeliehen, um Erfahrungen zu sammeln.

«Es geht nicht immer nur ‹obsi›»

Das sportliche und körperliche Potenzial ist das eine. Wichtig sind auch Glück, Geduld und Gesundheit. «Es geht nicht immer nur ‹obsi›, es kann Verletzungen geben, die schulische Ausbildung belastet manche ebenfalls», sagt Beat Wälte. «Wichtig ist auch, dass es zwischen den Ohren stimmt, wenn man seine Chance bekommt.»

Und welchen Stellenwert haben die Eltern aus Sicht des Ausbildungschefs? «Wenn sie ihre Kinder begleiten und unterstützen, ist das sicher gut.» Sobald aber ein gewisser elterlicher Ehrgeiz ins Spiel komme, könne es für die Junioren auch zu viel werden. «Hier ein Skill-Coach, da ein zusätzliches Training – das ist für die Entwicklung eines Spielers nicht immer förderlich, gerade wenn es um die körperliche Belastung geht.»

Porträtbild Beat Wälte, Ausbildungschef SC Bern und kantonalbernische Auswahl.
Legende: Urgestein in der Juniorenförderung: Beat «Böbu» Wälte weiss, worauf es beim Weg zum Eishockeyprofi ankommt. zvg/SC Bern

Was die finanzielle Belastung der Eltern betrifft, sieht Wälte einen gewissen Spielraum. «Aber wenn du ständig das teuerste und neuste Material brauchst, dann geht es rasch ins Uferlose.» Ausserdem seien die ersten Jahre relativ günstig, da die Clubs den Kindern gegen ein Depot eine Leihausrüstung zur Verfügung stellten. «Da müssen sie nur Schlittschuhe und Stock selbst mitbringen.»

«Momentan lebe ich meinen absoluten Traum»

Die Müllers aus Winterthur – Mirco (29) und Alina (25) – haben es geschafft. Sie haben sämtliche Nachwuchsstufen durchlaufen und spielen auf höchstem Level Eishockey. Mirco hat einige Jahre in der nordamerikanischen Eishockeyliga, der NHL, auf dem Buckel und verteidigt aktuell beim Playoff-Teilnehmer HC Lugano.

Alina zählt zu den besten Spielerinnen der Schweiz. Sie stürmt seit Anfang Jahr bei Boston in der  Professional Women’s Hockey League , der weltweit stärksten Frauenliga. «Im Moment lebe ich meinen absoluten Traum», sagt die Stürmerin. «Der Hype in Nordamerika ist riesig, in ausverkauften Stadien zu spielen, macht grossen Spass.»

Die Geschwister sind in Winterthur nahe der Eishalle aufgewachsen. «Einmal über die Strasse und wir waren beim Stadion», sagt Alina Müller. Trotzdem wurden sie oft von den Eltern begleitet, vor allem später, als die beiden nach Kloten wechselten.

Vater Roland Müller erinnert sich: «Während der Woche hat meine Frau den Fahrdienst übernommen, an den Wochenenden und am Abend war ich an der Reihe.» Hier ein Training, dort ein Spiel: Während den Saisons zwischen Herbst und Frühling gab es kaum ein Nachtessen, kaum ein Wochenende, das die ganze Familie gemeinsam verbracht hat.

Eishockeyprofis und Geschwister Mirco Müller und Alina Müller als Kinder mit Helm und Ausrüstung auf dem Eisfeld.
Legende: Die Spitze erreicht: Mirco und Alina Müller zählen heute zu den besten Eishockeyprofis der Schweiz. zvg/Familie Müller

Auch wenn grundsätzlich viel Schweiss, Fleiss und Einsatz hinter einer Sportkarriere stecken, der Anteil der Eltern spielt eine grosse Rolle. Müllers haben einen beträchtlichen Teil ihrer Freizeit dem Hobby der Kinder gewidmet. «Zeitweise drehte sich unser Leben fast nur ums Eishockey. Da hatte nicht viel anderes daneben Platz.»

Tochter und Sohn danken es mit grossartigen Leistungen auf dem Eis. «Ohne meine Eltern wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin», sagt Alina Müller. «Ich denke vor jedem Spiel an sie, die wichtigsten Menschen in meinem Leben.»

«Für eine Eishockeykarriere muss alles passen»

Ob es einer der Schläfli-Jungs im Eishockey bis ganz nach oben schafft, ist kaum vorauszusagen. «Träumen darf man immer», sagt Nicole Schläfli. «Aber die Plätze an der Spitze sind begrenzt. Es muss alles passen, damit es klappt.»

Für die Eltern ist es deshalb wichtig, dem Nachwuchs aufzuzeigen, dass die schulische Bildung ebenfalls wichtig, wenn nicht noch wichtiger ist als Eishockey. «Der älteste Sohn hat die Matura abgeschlossen und beginnt nach dem Militär sein Studium.» Die beiden jüngeren Söhne haben mit der Sportgymi-Lösung nach wie vor die Möglichkeit, Schule und Sport optimal unter einen Helm zu bringen.

Junioren Eishockeyspieler am Bully mit Schiedsrichter.
Legende: Langer Weg zur Eishockeykarriere: Ob es ein Schläfli ganz nach oben schafft, wird sich zeigen. zvg/Nicole Schläfli

Da wäre zum Schluss noch die Sache mit der Dankbarkeit. Realisieren die Jungs eigentlich, was ihre Eltern seit Jahren für sie leisten? Nicole Schläfli schmunzelt. «Ich glaube, der Aufwand ist ihnen nicht wirklich bewusst», sagt sie. «Nicht böse gemeint, aber Kinder – insbesondere Jungs – studieren vielleicht gar nicht so weit.» Ausserdem erwarte sie auch kein «Merci» oder dergleichen. «Für uns ist es das Wichtigste, dass es ihnen gut geht und sie Freude haben – das ist unser Lohn.»

Radio SRF 3, 13.03.2024, 08:10 Uhr;zero

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