Egal ob vier Tage Osterwochenende oder die lang ersehnten Ferien: Wer einmal länger freihat, möchte seine Freizeit geniessen und etwas unternehmen. Theoretisch. Denn die Realität sieht eher so aus: Die meisten hängen zu Hause herum, sagt Zukunfts- und Freizeitforscher Ulrich Reinhardt. Dabei hätten durchaus viele Leute den Wunsch, mehr aus ihrer Freizeit zu machen.
Radio SRF 3: «Lesen» im Lebenslauf oder «Fitness» in der Instagram-Biografie. Wieso reden wir unsere Hobbys schön?
Ulrich Reinhardt: In der Vergangenheit hat man sich hauptsächlich über den Beruf oder seine Herkunft definiert. Heute spielt auch die Freizeit eine grosse Rolle. Wenn jemand sagt, dass er ins Theater geht oder Sport macht, wirkt das besser, als wenn man sagt, dass man nur auf dem Sofa rumhängt. Aber die Realität ist nun mal so: Wir verbringen einen grossen Teil unserer Freizeit am Handy, Fernseher oder Laptop.
Wieso? Sind wir zu faul geworden für Hobbys?
Spannend ist, dass die meisten Leute durchaus gerne andere Hobbys hätten. Bei unseren Befragungen zum Freizeitverhalten kam heraus: Viele haben den Wunsch, in ihrer Freizeit häufiger Freunde zu treffen oder draussen etwas zu unternehmen. Sogar noch mehr seit der Pandemie. Aber wir schaffen es oftmals nicht. Wir kriegen unseren Hintern nicht hoch. Es ist einfacher, sich vom Handy oder Fernseher berieseln zu lassen.
Wie hoch ist der gesellschaftliche Druck, ein spezielles oder spannendes Hobby zu haben?
Wir leben in einer Optimierungsgesellschaft. Das Aussehen soll optimiert werden, der Beruf, das Studium und auch die Freizeit. Auf Social Media stellen wir das Leben schöner dar, als es ist. Hier kommt auch FOMO ins Spiel, also «Fear of missing out» (die Angst, etwas zu verpassen). Ich glaube, dass das übertrieben wird. Aber langsam kommt ein Gegentrend auf.
Und wie sieht dieser Gegentrend aus?
In den USA spricht man von JOMO, also von der «Joy of missing out» (die Freude, etwas zu verpassen). Dass man seine eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund stellt und nicht das, was andere von einem erwarten.
Während der Pandemie musste man zu Hause bleiben und sich beschäftigen. Was ist aus all den Corona-Hobbys geworden?
Einige Corona-Hobbys haben sich nicht durchgesetzt. Zum Beispiel Autokinos oder virtuelle Museumsbesuche. Wir möchten uns lieber wieder direkt treffen. Andere Hobbys sind jedoch geblieben. Zum Beispiel spielen noch immer viele Menschen gerne Gesellschaftsspiele. Geblieben ist auch der «Do it yourself»-Trend, also, dass man selbst sein eigenes Zuhause verschönern will.
Wie schafft man es, sich dazu zu motivieren, ein neues Hobby zu beginnen?
Es ist in der Regel einfacher, ein Hobby zu verfolgen, wenn man Gleichgesinnte hat. Zum Beispiel, wenn man zusammen Sport macht, statt allein. Dazu kommt die eigene Disziplin: Man muss sein eigenes Wohlergehen zum wichtigsten Entscheidungskriterium in der Freizeit machen. Wenn ich etwas tue, nur damit ich es posten kann oder nach dem Wochenende den Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeit erzählen kann, sollte ich hinterfragen, ob es wirklich das ist, was mich glücklich macht.
Das Gespräch führte Lisa Wickart.