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Warum wir ohne Geruchssinn verloren sind
Aus Input vom 02.02.2022. Bild: Keystone
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Wunderwaffe Nase Wir riechen Angst, Krankheit und sogar Liebe

Erst wer den Geruchssinn verliert, merkt plötzlich, wie zentral dieser Sinn in unserem Leben eigentlich ist.

Das knusprige Brot direkt aus dem Ofen, oder die Haare unseres Partners oder Partnerin. Gerüche können uns den Alltag versüssen. Aber nicht nur: Gerüche helfen uns täglich Entscheidungen zu treffen. Denn unser Geruchssinn analysiert permanent unzählige Gerüche.

Angstschweiss riecht anders als sportlicher Schweiss.
Autor: Geruchsforscherin Kathrin Ohla

«Zum Beispiel Angstschweiss riecht anders als sportlicher Schweiss. Das hat mit unterschiedlichen Drüsen zu tun», sagt Geruchsforscherin Kathrin Ohla. Diese Angst sei über den Geruchsweg  ansteckend. «Wenn man spürt, dass andere Menschen in der Umgebung ängstlich sind, gibt es dafür wahrscheinlich einen Grund und dann ergibt es Sinn, seine Umgebung neu zu beurteilen», so Ohla. Wir erkennen über den Geruch unbewusst auch, ob jemand krank ist.

In der Liebe immer der Nase nach?

Die Nase kommt aber nicht nur in Gefahrensituationen zum Einsatz, der Geruchssinn hat auch eine soziale Funktion. Zum Beispiel bei der Bindung zwischen Mutter und Kind spielt der Geruch eine wichtige Rolle. «Mütter konnten in Studien ihre Neugeborenen aus einem Pool verschiedener Kinder allein an deren Geruch erkennen», sagt die Geruchsforscherin.  

Kathrin Ohla

Kathrin Ohla

Geruchsforscherin

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Die Psychologin Kathrin Ohla gehört zur Lenkungsgruppe des globalen Konsortiums für Chemosensorische Forschung (GCCR). Dieses untersucht mit weltweiten Befragungen die Auswirkungen von Covid auf den Geruchssinn. Hauptberuflich arbeitet Kathrin Ohla beim Schweizer Aromen- und Duftstoff-Hersteller Firmenich.

Bild: Forschungszentrum Jülich

Auch in der Liebe redet die Nase möglicherweise ein Wörtchen mit. Der Geruchssinn erkennt unter Umständen, mit wem wir besser keine Kinder kriegen sollten, weil die Gene nicht zusammenpassen. Kathrin Ola: «Es gibt durchaus Hinweise darauf, dass wir einen genetisch passenden Partner besser riechen können.» Eine Garantie gebe es aber natürlich nicht, es gebe auch Studien, die zum Schluss kämen, dass das nicht funktioniere.

Frau hält sich die Nase zu.
Legende: Der Ausdruck «Ich kann den nicht riechen» ergibt plötzlich Sinn. Keystone

Sondern wir also ständig diverse Gerüche ab, welche von unserem Umfeld permanent analysiert werden? «Im Grunde schon», sagt Kathrin Ohla, «wobei dieses Aussenden wie auch Erschnuppern im Grossteil unbewusst abläuft. Diese Körpergerüche sind sehr schwach, kaum wahrnehmbar, aber unser Körper reagiert trotzdem darauf.»

Die Nase stellt die Augen in den Schatten

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Wir riechen viel besser, als wir sehen. Der Mensch hat vier Rezeptoren zum Sehen und tausend zum Riechen. Unser Geruchssinn ist in der Lage eine Billion Gerüche zu unterscheiden. Die Augen können «nur» fünf Millionen verschiedene Farben erkennen. (Aus dem Buch: Alles Geruchssache von Prof. Dr. Bettina M. Pause)

Unser Geruchssinn reagiert aber nicht nur auf Körpergerüche. Sobald wir einen Raum betreten, checkt unsere Nase ab, ob es so riecht wie immer. Nur wenn ein Geruch vom erwarteten Mix abweicht, nehmen wir ihn aktiv wahr. Zum Beispiel bei Rauchgeruch schalten wir in den Alarmmodus.

Corona: Geruchssinnverlust ist für viele eine Qual

Aktuell laufen zahlreiche Studien zum Thema Geruchssinnverlust im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion. Manche kommen zum Schluss, dass über die Hälfte der Covid-Patientinnen und Patienten Probleme mit dem Geruchssinn haben.

Zu ihnen gehört SRF3-Hörerin Ursula Gass. «Erst als der Geruchssinn weg war, habe ich gemerkt, dass dies ein echtes Handicap ist.» Bei den meisten kommt der Geruchssinn früher oder später zurück – so auch bei Ursula Gass. Es gibt auch aber auch Fälle, bei denen der Geruchssinn auch nach über einem Jahr nicht funktioniert.

Ich kann mir unter Gerüchen rein gar nichts vorstellen.
Autor: Michael Aeschimann Leidet unter Anosmie

Ein Leben ohne Gerüche, wie geht das? «Ich kenne es nicht anders,» sagt Michael Aeschimann. Der 30-Jährige leidet unter dem Kallmann-Syndrom – ein seltener Gendefekt. Betroffene können nur sehr schlecht, oder wie Michael gar nichts riechen. Der Fachbegriff dafür: Anosmie.

Michael Aeschimann mit einem glühenden Eisen am Amboss.
Legende: Michael Aeschimann hat sich vor fünf Jahren als Schmied selbständig gemacht. «Ich frage mich manchmal schon, ob ich stinke, oder ob es in der Schmiede stinkt.» Matthias von Wartburg/SRF

Unter Gerüchen kann er sich nichts vorstellen. «Ich habe wirkliche keine Ahnung. Das ist, wie wenn man einem Blinden beschreibt, wie ein Sonnenuntergang aussieht.»

Wie er damit umgeht, dass er ohne Gerüche auskommen muss, erzählt Michael im aktuellen «Input»-Podcast.

SRF 3 Donnerstag 3. Februar 2022, 10:15 Uhr

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