Stockholm - die Stadt der 14 Inseln
Stockholm trägt auch den Namen Wasserhauptstadt – liegt es doch auf 14 Inseln. Am besten erlebbar ist Stockholm auf einer Tour durch die Schären, den Schärengarten. Freizeit und Ferien werden am Wasser genossen, Fische direkt vor der Haustür gefangen, landen in der Pfanne. Aber die Stadt ist auch ständig mit dem Wasserpegel beschäftigt, der Sauberkeit, dem Trink- und Abwasser. Denn noch im 19. Jahrhundert galt Stockholm als schmutzig, durch das verschmutzte Wasser grassierten Krankheiten.
Die Erfahrungen rund ums Wasser lässt den Weltwasserrat in Stockholm jährlich die World Water Week durchführen, mit Themen wie der globalen Wassernutzung und Fragen der Privatisierung. Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann lebt etwas ausserhalb Stockholms an einem Fluss und hat kürzlich das Amt des Wasserrats seiner Gemeinde übernommen. Worauf er jetzt bei seinem Fluss achten muss und wie das Wasser Stockholms Leben prägt, erzählt er bei einer Fahrt durch die Schären.
Bessere Luft und beruhigte Strassen dank Road-Pricing
Wer in Stockholm unterwegs ist, hat die Wahl. Zur Verfügung stehen Velo, Fähre, U-Bahn, Bus, Segway und natürlich das Auto. Doch Autos gibt es immer weniger. Denn heute registrieren Kameras, wer ins Zentrum fährt. An Werktagen muss jedes Auto tagsüber eine Maut bezahlen. In Stockholm wurde 2006 das sogenannte Road Pricing getestet und ein Jahr später – nach einer erfolgreichen Volksabstimmung – definitiv eingeführt. Waren anfänglich 70 Prozent gegen diese Strassensteuer, sind heute 70 Prozent der Bevölkerung dafür. Der Autoverkehr in Stockholm hat deutlich abgenommen, die Mehrheit der Stockholmerinnen und Stockholmer besitzt kein eigenes Auto mehr. Das Geld aus der Maut kommt den anderen Verkehrsmitteln zugute. Aber auch die bessere Luftqualität und der flüssigere Verkehr sind positive Folgen. Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann hat erlebt, wie die Idee der Strassensteuer aufkam, welche Diskussionen geführt wurden und wie die Maut nun funktioniert. Wie ist es, sich in dieser weitläufigen Stadt zu bewegen? Wie kommt man am schnellsten, wie am schönsten von A nach B? Der passionierte Radfahrer weiss es.
Das volksnahe Königshaus
Um die Mittagszeit ist Wachablösung beim Königlichen Schloss, einem riesigen Kasten mit rund 650 Zimmern. Nicht mit Pauken und Trompeten, aber trotzdem mit Musik zieht die berittene Wachparade durch die Strassen, manchmal steht auch Abba auf dem Programm.
Schweden ist eine der ältesten Monarchien in Europa und heute wohl die beliebteste, denn sie ist sehr bürgernah. Die Königin und der König, die Prinzessinnen und der Prinz und ihr Nachwuchs lachen lockerer als viele Filmstars in die Kamera – einfach wie sympathische Bürgerinnen und Bürger Schwedens. Welche Bedeutung hat die Königsfamilie für Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Schweden? Gerade auch, wenn man beachtet, welche Ausbildungen und Studien die Mitglieder der Königsfamilie absolvieren müssen – und mit Blick auf die Nobelpreisverleihungen, die König Carl XVI. Gustav vornimmt, bei welchen die Preisträgerinnen und Preisträger mit der ganzen Königsfamilie dinieren. Ist es mehr als Folklore? Gibt es auch kritische Stimmen zum Königshaus? Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann beantwortet die Fragen, bevor die Wachablösung übernimmt.
Flache Hierarchien plus Konsens gleich Innovation
Er hat das Pulver erfunden. Alfred Nobel fabrizierte in Stockholm Dynamit. Heute wird weiter getüftelt, weniger explosiv, dafür möglichst innovativ, in Kista, dem grössten IT-Gebiet Schwedens. Viele Mobilfunkunternehmen wie Ericsson haben dort ihren Sitz, auch Skype und Spotify wurden hier gegründet. Die Königliche Technische Universität fehlt auch nicht im Viertel. Viele Firmen sind modern organisiert und trotzdem auch traditionell. Die Kaffeepause ist obligatorisch und genau so wichtig wie die Sitzungen. Meetings dauern so lange, bis ein Kompromiss gefunden wird. Vertrödelte Zeit, könnte man meinen, effektiv ist es aber, sogar hoch effizient. Dank flacher Hierarchien und der Konsens-Politik schwingen schwedische Firmen wirtschaftlich und technologisch öfters oben aus.
Die Kehrseite von Stockholms Modernität sind die Verbote. Was einer egalitären Gesellschaft zuwider läuft, soll nicht sein. So sind Prostitution und Drogen verboten und Alkohol streng reglementiert. Widerspruch oder Erfolgsrezept? Bruno Kaufmann ergründet das Geheimnis der Nasenlänge, die Stockholm den andern Städten immer voraus zu sein scheint.
Migranten – separiert statt integriert
Millionenprogramm hiess das Projekt, das ab 1964 innert zehn Jahren eine Million Wohnungen für Menschen aus der Mittelschicht schaffen sollte. Damit das Bevölkerungswachstum des Wirtschaftswunders aufgefangen werden konnte. Olof Palme, der 1986 ermordete sozialdemokratischer Ministerpräsident, lebte in einem solchen Quartier, wollte ein gutes Vorbild sein. Doch es kam anders. Da es in Stockholm vor allem Eigentumswohnungen gibt oder Wohnungen mit hohen Mietzinsen, wanderten in die bezahlbaren Wohnungen der Betonvororte Migrantinnen und Migranten ein. So stieg der Ausländeranteil und statt integriert wurden sie separiert. Seit 2013 gibt es immer wieder Ausschreitungen, und die Kriminalität in diesen Aussenbezirken der schwedischen Hauptstadt ist gross.
In Rinkeby zeigen sich exemplarisch auch die Gräben der Gesellschaft der globalisierten Welt; wer zum System gehört, kann profitieren, wer den Anschluss verliert, wird abgehängt. Probleme zwischen Zentrum und Peripherie in der Stadt, aber auch zwischen Stadt und dem umliegenden Land. Bruno Kaufmann führt durch eine Schattenseite Stockholms.