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50-Jahr-Jubiläum Wickie könnte auch ein Mädchen sein

Die Zeichentrickfigur Wickie war anders, als man sich in den 1970er-Jahren den typischen Jungen vorstellte. Sowohl vom Verhalten her als auch optisch tanzte er aus der Reihe.

Am 31. Januar 1974 segelt Wickie zum ersten Mal über den Bildschirm. Statt mit Muskelkraft überzeugt der kleine Wikingerjunge mit Köpfchen. Dank genialer Ideen hilft der sensible Bursche seiner raubeinigen Wikingerbande aus so mancher Patsche.

Anders als Sindbad und Co.

Wenn man Wickie mit anderen männlichen Zeichentrickfiguren jener Zeit vergleicht, fällt er aus dem Rahmen. Man denke an den abenteuerlustigen Sindbad, den mutigen Marco oder den trotzigen Nils Holgersson. Sie alle widerspiegeln Eigenschaften, die man einem Knaben vor 50 Jahren zuschrieb. Grips und Gefühle hingegen wurden eher mit Mädchen assoziiert.

Kommt hinzu, dass Wickie auch optisch durchaus als Mädchen durchgehen könnte. Er trägt lange Haare, hat feine Gesichtszüge. Sein Wikingergewand könnte man als Röckchen interpretieren. Auch der Vorname Wickie ist nicht eindeutig geschlechtsspezifisch zuweisbar. Nur das Kettenhemd und der gehörnte Helm lassen darauf schliessen, dass es sich bei Wickie wohl um einen Jungen handelt.

Wikingerjunge steht ausgerüstet mit einem Seil, Pfeil und Bogen auf einer Mauer
Legende: 2009 und 2011 kommen zwei erfolgreiche Realverfilmungen von «Wickie und die starken Männer» in die Kinos. Bemerkenswerterweise trägt Wickie hier eindeutig Hosen und wird auch deutlich als Junge inszeniert. Imago/EVERETT COLLECTION

In einer qualitativen Studie des IZI (Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen) wurden 429 Kinder über ihre Eindrücke zu Wickie befragt. Deren 69 Prozent lasen Wickie als Knaben, während die restlichen Wickie als Mädchen einstuften. Mit zunehmendem Alter tendierte ein Grossteil hin zum männlichen Wickie.

Absichtlich androgyn?

Wollten die Trickfilmproduzenten in den 1970er Jahren tatsächlich eine androgyne Figur darstellen? Die Psychologin Dr. Maya Götz vom IZI hält dagegen. So ist die Serie ansonsten doch gespickt mit stereotypischen Männer- und Frauenbildern jener Zeit. Während die «starken Männer» sich gegenseitig konkurrenzieren, kümmern sich die Gattinnen um den Haushalt.

Vor allem aber stellt die Studie fest, wie sehr die Kinder Wickie bewundern. Im Vergleich zu den bisweilen tölpelhaften Erwachsenen ist er schlau und kreativ. Lieber denkt er nach und tut etwas Gutes, anstatt seine Faust zu zücken – ein sympathisches Vorbild also.

Der moderne Wickie

Bereits zum 40-Jahre Jubiläum der legendären Zeichentrickserie erschien 2014 eine aufgepeppte und auf moderne Standards getrimmte Anime-Version von «Wickie und die starken Männer» im TV. Die Frauen dürfen da endlich Stärke zeigen und Wickie trägt wieder selbstbewusst sein originales, etwas androgyn wirkendes, Wikingergewand.

SRF Musikwelle, Musikwelle Magazin, 30.01.24, 11:20h ; 

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